Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitsunfähigkeit. Jahressonderzahlung. Tarifauslegung. Jahressonderzahlung in der Entsorgungswirtschaft bei längerer Arbeitsunfähigkeit
Leitsatz (redaktionell)
1. Die Anspruchsvoraussetzungen nach § 13 Abs. 1 BMTV-Entsorgungswirtschaft für den Bezug einer vollen Jahressonderzahlung liegen vor, wenn das Arbeitsverhältnis der Parteien während des gesamten Kalenderjahres bestanden hat und eine Kürzung nach § 13 Abs. 1 Satz 3 BMTV-Entsorgungswirtschaft nicht in Betracht kommt.
2. Dem vollen Anspruch auf die Jahressonderzahlung steht nicht entgegen, dass der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt und der Entgeltfortzahlungszeitraum beendet war; soweit § 13 Abs. 2 Satz 2 BMTV-Entsorgungswirtschaft eine anteilige Kürzung für Zeiten vorsieht, in denen der Arbeitnehmer nicht gearbeitet hat, gilt dies nur für solche Zeiträume, in denen das Arbeitsverhältnis im Sinne von § 13 Abs. 2 Satz 1 BMTV-Entsorgungswirtschaft geruht hat, nicht hingegen für solche, in denen der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt war und keinen Anspruch auf Entgeltfortzahlung mehr hatte.
3. Der Umstand, dass der Arbeitnehmer in dem nach § 13 Abs. 1 BMTV-Entsorgungswirtschaft für die Berechnung der Jahressonderzahlung maßgeblichen Zeitraum infolge Arbeitsunfähigkeit nicht durchgehend einen Anspruch auf Arbeitsentgelt oder Entgeltfortzahlung hatte, hat auch im Übrigen keine Auswirkungen auf die Höhe des ihm zustehenden Anspruchs; der Regelung des § 13 Abs. 1 BMTV-Entsorgungswirtschaft kann nicht die (weitere) Voraussetzung entnommen werden, dass in den der Fälligkeit des Anspruchs vorausgegangenen 13 Wochen überhaupt Arbeitsentgelt abgerechnet worden ist, das der Berechnung der Jahressonderzahlung zugrunde gelegt werden kann.
Normenkette
BMTV-Entsorgungswirtschaft §§ 13, 13 Abs. 1 Sätze 1, 3, Abs. 2 Sätze 2, 1
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 09.06.2011; Aktenzeichen 2 Ca 333/11) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 9.6.2011 - 2 Ca 333/11 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe einer dem Kläger für das Jahr 2010 zustehenden tariflichen Jahressonderzahlung.
Der Kläger ist bei der Beklagten seit August 1990 als Sicherheitsingenieur beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden aufgrund beiderseitiger Organisationszugehörigkeit sowie aufgrund einzelvertraglicher Vereinbarungen die Bestimmungen des Bundesmanteltarifvertrages der Deutschen Entsorgungswirtschaft vom 31.10.2001 (im Folgenden: BMTV-Entsorgungswirtschaft) Anwendung. Dieser Tarifvertrag enthält - soweit vorliegend von Interesse - folgende Bestimmungen:
"§ 13 Jahressonderzahlungen
(1) Als jährliche Sonderzahlungen werden 100 % des Monatsentgelts bezahlt, das sich aus dem Durchschnitt des aufgrund der tariflichen Regelungen gezahlten Entgelts der letzten der vorausgegangenen 13 Wochen errechnet.
Für das Tarifgebiet Ost werden
- ab dem Jahre 2003 70 %
- ab dem Jahre 2006 75 %
des Monatsentgelts bezahlt, das sich aus dem Durchschnitt des aufgrund der tariflichen Regelungen gezahlten Entgelts der letzten vorausgegangenen 13 Wochen errechnet.
Besteht das Arbeitsverhältnis nicht während des gesamten Kalenderjahres, so werden die Sonderzahlungen anteilig gekürzt. Der Zeitpunkt der Fälligkeit wird betrieblich geregelt.
(2) Für ruhende Arbeitsverhältnisse (bei Wehrpflicht, Ersatzdienst, Erziehungsurlaub, unbezahltem Urlaub) besteht kein voller Anspruch auf die Jahressonderzahlungen. Der Anspruch wird bei teilweiser Tätigkeit insoweit gezwölftelt und anteilig für die Monate gewährt, in denen ganz oder teilweise gearbeitet worden ist."
Der Kläger war im Jahr 2010 vom 07.09. bis einschließlich 21.12.2010 arbeitsunfähig erkrankt. Er erhielt in diesem Zeitraum bis einschließlich 15.10.2010 von der Beklagten Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall; danach bezog er Krankengeld.
Die Beklagte gewährte dem Kläger - zusammen mit dessen Arbeitsvergütung für den Monat November 2010 - eine tarifliche Jahressonderzahlung in Höhe von 2.998,44 € brutto.
Mit seiner am 22.02.2011 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat der Kläger bezüglich der Jahressonderzahlung die Nachzahlung eines Betrages in Höhe der Differenz zwischen seiner regelmäßigen tariflichen Monatsvergütung in Höhe von 3.513,81 € brutto und der von der Beklagten zur Auszahlung gebrachten Sonderzuwendung geltend gemacht.
Der Kläger hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, die Beklagte sei nicht berechtigt, die Jahressonderzahlung im Hinblick auf den Zeitraum des Krankengeldbezuges anteilig zu kürzen. Eine solche Kürzungsmöglichkeit sei in § 13 BMTV-Entsorgungswirtschaft nicht vorgesehen.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 515,37 € brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31.12.2010 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
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