Entscheidungsstichwort (Thema)

Voraussetzungen der Parteivernehmung nach § 448 ZPO

 

Leitsatz (redaktionell)

Beweisnot allein rechtfertigt es nicht, von dem Erfordernis des sog. "Anbeweises" der behaupteten Tatsachen gem. § 448 ZPO Abstriche zu machen.

 

Normenkette

BGB §§ 119, 123; ZPO §§ 138, 448

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Entscheidung vom 28.04.2016; Aktenzeichen 6 Ca 3/16)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - vom 28. April 2016, Az. 6 Ca 3/16, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung einer Abfindung.

Der 1981 geborene Kläger wurde mit Wirkung ab 01.06.2015 von der Beklagten, deren Geschäftsführer aus Kuwait stammt, als Arbeitnehmer eingestellt. Ausweislich der vorgelegten Abrechnung der Brutto/Netto-Bezüge für Oktober 2015 betrug das versteuerte und verbeitragte Monatsentgelt des Klägers € 500,00 brutto. Ein schriftlicher Arbeitsvertrag wurde nicht vorgelegt. Schriftsätzlicher Vortrag zur regelmäßigen Arbeitszeit und zur geschuldeten Arbeitstätigkeit des Klägers fehlt. In der Klageerwiderung findet sich der Hinweis, dass der Kläger "im Sekretariat der Firma" "einiges für den Geschäftsführer der Beklagten erledigen" sollte; deshalb sei ihm auch eine notariell beurkundete Generalvollmacht erteilt worden. Unter dem Datum vom 05.11.2015 unterzeichnete der Geschäftsführer der Beklagten folgendes Schriftstück:

"Übergabe der Bürounterlagen und Kündigung

...

Sehr geehrter Herr A.,

hiermit kündige ich Ihnen das Arbeitsverhältnis aus betriebswirtschaftlichen Gründen zum 01.11.2015.

Des Weiteren bestätige ich, M. H A K G., dass ich alle ausgehändigten

- Unterlagen

- Büro-Schlüssel

- Postfachschlüssel

- Vollmacht

- Hausschlüssel O.str.

- etc.

von Hrn. A. erhalten habe.

Mit meiner Unterschrift bestätige ich den Erhalt der oben genannten Unterlagen sowie aller geforderten Sachen!

Herr A. hat stets in meinem Interesse und im Interesse der Firma C. gehandelt!

Herr A. bekommt bis zum 30.11.2015 seine vereinbarte Abfindung in Höhe von Netto 6.800,00 € ausbezahlt!

Ich wünsche Herrn A. für die weitere Zukunft viel Erfolg!

Mit freundlichen Grüßen

Zweibrücken, den

[Unterschrift]

5.11.2015

M. H A K G."

Mit seiner am 04.01.2016 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage verlangt der Kläger die Zahlung einer Abfindung iHv. € 6.800,00 entsprechend der vom Geschäftsführer der Beklagten am 05.11.2015 abgegebenen Verpflichtungserklärung. In der Klageerwiderung vom 29.02.2016 focht der Prozessbevollmächtigte der Beklagten "das Schreiben, dass das Datum vom 05.11.2015 trägt, aus allen Rechtsgründen, insbesondere wegen Bedrohung bzw. wegen Zwang" an.

Der Kläger hat erstinstanzlich vorgetragen, er habe den Geschäftsführer der Beklagten weder körperlich angegriffen noch bedroht, um ihn zur Unterzeichnung der Erklärung vom 05.11.2015 zu veranlassen. Er sei bei der Unterzeichnung der Erklärung überhaupt nicht anwesend gewesen. Vielmehr sei ein gewisser W. E.-E., den er als Zeuge benenne, im Büro des Beklagten mit der vorbereiteten Erklärung vorbeigefahren, um den Streit zwischen den Parteien friedlich zu beenden. Der Geschäftsführer der Beklagten habe den Text durchgelesen und unterschrieben.

Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 6.800,00 nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.12.2015 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat erstinstanzlich im Wesentlichen vorgetragen, der große und kräftige Kläger habe ihren sehr kleinen und sehr schmächtigen Geschäftsführer mit beiden Händen massiv am Hals gewürgt, so dass dieser blaue und lilane Flecken am Hals davon getragen habe, die Handabdrücke seien deutlich zu sehen gewesen. Außerdem habe der Kläger ihren Geschäftsführer mit dem Kopf gegen die Hauswand gedrückt und geschlagen, so dass er Schrammen und Hautabschürfungen seitlich am Kopf erlitten habe. Das habe der Kläger solange getan, bis ihr Geschäftsführer das von der Klägerseite vorgelegte Schreiben, das mit "Übergabe der Bürounterlagen und Kündigung" tituliert sei, unterzeichnet habe.

Von einer weitergehenden Darstellung des unstreitigen Tatbestandes sowie des erstinstanzlichen Parteivorbringens wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern - Auswärtige Kammern Pirmasens - Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit Urteil vom 28.04.2016 stattgegeben und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, der Kläger habe gegen die Beklagte einen Anspruch auf Zahlung einer Abfindung iHv. € 6.800,00 entsprechend der Vereinbarung vom 05.11.2015. Die Beklagte habe zwar Anfechtungsgründe vorgetragen, es fehle aber an einem tauglichen Beweisangebot für die behauptete körperliche Misshandlung. Dem Beweisangebot auf Parteivernehmung des Geschäftsführers der Beklagten sei weder nach § 447 ZPO noch nach § 448 ZPO nachzugehen gewesen. Die Vereinb...

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