Entscheidungsstichwort (Thema)
Abmahnung. Verhältnismäßigkeit. Verhaltenspflicht des Arbeitnehmers
Leitsatz (redaktionell)
1. Zu den Nebenpflichten eines Arbeitnehmers gehört es, die betriebliche Ordnung zu wahren. Als wesentlicher Teil gehört dazu, dass Arbeitgeber, Vorgesetzte und Arbeitnehmer in respektvoller und höflicher Weise miteinander umgehen müssen. In diesem Rahmen hat der Arbeitgeber darauf zu achten, dass die Ehre seiner Mitarbeiter nicht durch Angriffe eines einzelnen Arbeitnehmers beeinträchtigt wird. Notwendige Meinungsverschiedenheiten müssen sachlich und in angemessener Form ausgetragen werden. Keinesfalls darf der Betriebsfrieden gestört werden. Jede andere Praxis kann dazu führen, dass Streitigkeiten im Betrieb eskalieren und zu den schlimmsten Folgen führen.
2. Ein Verstoß eines Arbeitnehmers gegen diese Nebenpflicht kann abgemahnt werden.
Normenkette
BGB §§ 1004, 283; GG Art. 1-2
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Urteil vom 16.02.2007; Aktenzeichen 3 Ca 2385/06) |
Tenor
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 16.02.2007 – 3 Ca 2385/06 – wie folgt abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreites werden dem Kläger auferlegt.
3. Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 3000,– EUR festgesetzt.
4. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der am 12.12.1949 geborene Kläger war zur Zeit des verfahrensgegenständlichen Ereignisses als kommunaler Vollzugsbediensteter im Bereich „Öffentliche Ordnung” der beklagten Stadt beschäftigt. Am 23.11.2005 nahm der Kläger an einer Sitzung des gesamten Vollzugsdienstes teil. In dieser Sitzung wurde den Beschäftigten des Vollzugsdienstes das neue Modell „Teameinteilungen” durch den Abteilungsleiter P. S. und den Bereichsleiter G. W. vorgestellt. Der Abteilungsleiter hatte dazu die Tischvorlage vom 23.11.2005 (= Bl. 32 d.A.) erstellt und ausgeteilt. Die Tischvorlage enthält die neue Gruppeneinteilung. Der Kläger nahm das für ihn bestimmte Exemplar an sich, las es, zerknüllte es und warf es vor sich auf den Tisch. Auf die entsprechende Frage des Bereichsleiters antwortete der Kläger: „Jeder geht damit anders um”.
Nach der am 01.03.2006 erfolgten Anhörung des Klägers erteilte die Beklagte dem Kläger wegen des Verhaltens des Klägers vom 23.11.2005 mit dem Schreiben vom 31.05.2006 die aus Bl. 9 d.A. ersichtliche Abmahnung. Der gesamte Vollzugsdienst der Beklagten setzt sich – nach der Tischvorlage vom 23.11.2005 – aus 4 Dienstgruppen (bzw. Teams) zusammen, wobei die einzelne Dienstgruppe, die sich jeweils aus 4 Vollzugsbediensteten zusammensetzt, von einem Dienstgruppenleiter bzw. einer Dienstgruppenleiterin geführt wird.
Zur näheren Darstellung (insbesondere) des (erstinstanzlichen) Sach- und Streitstandes im Übrigen wird gemäß § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts vom 16.02.2007 – 3 Ca 2385/06 – (dort S. 2 ff. = Bl. 48 d.A.). Das Arbeitsgericht hat die Beklagte verurteilt, die gegen den Kläger gerichtete Abmahnung vom 31.05.2006 aus der Personalakte des Klägers zu entfernen.
Gegen das am 26.03.2007 der Beklagten zugestellte Urteil vom 16.02.2007 – 3 Ca 2385/06 – hat die Beklagte am 25.04.2007 Berufung eingelegt und diese am 22.05.2007 mit dem Schriftsatz vom 21.05.2007 begründet. Zwecks Darstellung aller Einzelheiten der Berufungsbegründung wird auf den Schriftsatz vom 21.05.2007 (Bl. 91 ff. d.A.) Bezug genommen.
Die Beklagte rügt dort u.a. die Ausführungen des Arbeitsgerichts, wonach die Abmahnung verfristet sei, als unzutreffend. Das Arbeitsgericht stelle hier eine Frist auf, die der Rechtsprechung des BAG entgegen stehe. Die im Gesetz für andere Rechtsinstitute vorgesehenen Ausschlussfristen könnten nicht in entsprechender Anwendung auf die Abmahnung ausgedehnt werden. Das vertragliche Rügerecht des Arbeitgebers unterfalle auch nicht der tariflichen Ausschlussfrist von 6 Monaten. Das Arbeitsgericht habe daher zu unrecht festgestellt, dass die Beklagte ihre Abmahnungsbefugnis durch Zeitablauf verloren habe. Die Beklagte macht weiter geltend, dass der Hinweis des Arbeitsgerichts darauf, dass die Beklagte nicht berechtigt gewesen sei, das arbeitsvertragliche Fehlverhalten des Klägers mit einer Abmahnung zu ahnden, fehl gehe. Das Arbeitsgericht vermische den Abmahnungssachverhalt mit der zeitlichen Abfolge. Die Beklagte legt dar, dass die Reaktion und das Verhalten des Klägers, das zur Abmahnung geführt habe, darauf schließen lasse, dass die Zusammensetzung der Teams oder seines Teams nicht seinen Vorstellungen entsprochen habe und er diese vorläufige Diensteinteilung nicht akzeptiert habe. Statt in einer sachlichen und offenen Weise Änderungsvorschläge über die Teameinteilung in eine Diskussion einzubringen – so führt die Beklagte weiter aus –, habe er in eindeutiger und nicht akzeptabler Weise zum Ausdruck gebracht, dass er von den Plänen seiner Vorgesetzten nichts halte.
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwig...