Entscheidungsstichwort (Thema)
Lügendetektortest kein zivilprozessuales Beweismittel. Kündigung
Leitsatz (amtlich)
Jedenfalls im Bereich der Geltung des Strengbeweises ist im zivilprozessualen Verfahren der Polygraphentest (sog. Lügendetektor) kein zulässiges Beweismittel.
Dies gilt auch dann, wenn eine Partei beantragt, sich selbst freiwillig zur Widerlegung einer streitigen Prozeßbehauptung über eine Vertragsverletzung (hier: massive sexuelle Belästigung) einem solchen Test zu unterziehen.
Normenkette
ZPO §§ 448, 284
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Urteil vom 08.04.1997; Aktenzeichen 13 (8) Ca 2905/96) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird dasUrteil desArbeitsgerichts Koblenz vom8. April 1997 – 13(8) Ca 2905/96 – abgeändert:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits werden dem Kläger auferlegt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung.
Der Kläger ist seit dem 1. Sept. 1986 aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom gleichen Tage als Arbeiter bei der Standortverwaltung U. zu einem monatlichen Bruttolohn von 3.500,– DM beschäftigt. Seine Aufgabe besteht weitgehend in der Erledigung von gärtnerischen Arbeiten in Bundeswehrkasernen.
Die Beklagte hat das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 17. Sept. 1996 fristlos gekündigt mit der Begründung, der Kläger stehe im dringenden Verdacht, einen wehrdienstleistenden Gefreiten sexuell belästigt zu haben.
Am 5. Sept. 1996 wurde der Kläger vom Leiter der personalbearbeitenden Dienststelle in einem persönlichen Gespräch zu den erhobenen Vorwürfen angehört.
Der Kläger bestreitet, irgendeine sexuelle Belästigung begangen zu haben. Dies ergebe sich auch aus einem polygraphischen Gutachten des national und international angesehenen psychologischen Sachverständigen Prof. Dr. U., K. Einem derartigen Test habe er sich am 1. Febr. 1997 freiwillig unterzogen. Dabei kam der Sachverständige zum Ergebnis, daß er – der Kläger – zu 95 % die ihm unterstellten Handlungen nicht begangen habe.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die außerordentliche Kündigung der Beklagten vom 17. September 1996, zugegangen am gleichen Tage, nicht aufgelöst worden ist und über den 17. September 1996 hinaus fortbesteht;
- hilfsweise festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis auch nicht durch eine in diesem Schreiben liegende ordentliche Kündigung zum nächstmöglichen Termin aufgelöst worden ist.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die fristlose Kündigung sei berechtigt, weil der Kläger im dringenden Verdacht stehe, am 26. Aug. 1996 gegen 12.30 Uhr in der Fliegerkaserne B. den wehrdienstleistenden Gefreiten O. im Fernsehraum sexuell belästigt zu haben. Während der Soldat ferngesehen habe, habe der Kläger dessen Hose heruntergezogen, den Hodensack und den Penis des Soldaten befummelt und dessen Penis geleckt. Der Verwertung oder Einholung eines polygraphischen Gutachtens werde widersprochen, da das Bundesverfassungsgericht dieses Beweismittel als unzulässig angesehen habe. Zumindest im Zivilprozeß sei dieses Beweismittel nicht zulässig.
Das Arbeitsgericht Koblenz hat mit Urteil vom 8. April 1997, auf dessen Tatbestand zur näheren Sachverhaltsdarstellung hiermit Bezug genommen wird, der Klage stattgegeben. In den Entscheidungsgründen hat das Arbeitsgericht angegeben, es fehle vorliegend am Verdacht der sexuellen Belästigung des Gefreiten O. durch den Kläger. Selbst wenn man die Richtigkeit des Sachvortrages der Beklagten unterstelle, bestehe die dringende Vermutung, daß die besagte Handlung nicht gegen den Willen des Gefreiten O. seitens des Klägers vorgenommen sein worden kann. Falls eine Person sich einer stehenden Person, die zudem noch mehrere Hosen trage, in der Weise nähere, wie die Beklagte dies geschildert habe, dann sei es praktisch ausgeschlossen, daß die von der Beklagten geschilderten sexuellen Handlungen gegen den Willen des Gefreiten O. geschehen sein konnten. Zur näheren Darstellung der Entscheidungsgründe wird hiermit auf die Seiten 5–8 dieses Urteils, das der Beklagten am 10. Juni 1997 zugestellt worden ist, Bezug genommen.
Die Beklagte hat hiergegen mit einem am 20. Juni 1997 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese nach entsprechender Fristverlängerung mit einem am 19. Aug. 1997 eingegangenen Schriftsatz begründet.
Nach Auffassung der Beklagten leide das erstinstanzliche Urteil an mehreren Mängeln. So habe das Arbeitsgericht fehlerhaft unterstellt, daß die beiden Personen gestanden hätten und der Vorfall sich in der Kantine abgespielt habe. In Wirklichkeit habe der Zeuge O. auf einem Stuhl gesessen im Fernsehraum der Truppenunterkunft, wo sich in der Mittagszeit keine weiteren Personen aufgehalten hätten. Der Zeuge O. sei durch die sexuellen Handlungen des Klägers zunächst derart schockiert gewesen, daß er sich für einen kurzen Zeitraum praktisch überhaupt nicht habe zur Wehr setzen können. Erst als der...