Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung. Massenentlassungsanzeige, fehlende. Vertrauensschutz. Fehlende Massenentlassungsanzeige und Beendigung des Arbeitsverhältnisses
Leitsatz (redaktionell)
Hat der Arbeitgeber eine erforderliche Massenentlassungsanzeige weder vor noch nach der Entlassung erstattet, so kann der Arbeitgeber den Arbeitnehmer nicht zu dem vorgesehenen oder einem späteren Termin entlassen. Vielmehr wird das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung nicht aufgelöst.
Normenkette
KSchG § 17
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Urteil vom 12.07.2004; Aktenzeichen 6 Ca 1891/03) |
Tenor
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen – Auswärtige Kammern Landau – vom 06.07.2004, Az: 6 Ca 1891/03 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
2. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um die Beendigung des Arbeitsverhältnisses durch eine ordentliche Kündigung.
Der Kläger war seit dem 01.01.1990 bei der Firma X (Stiftung und Co.) einer Rechtsvorgängerin der Beklagten, als Justitiar in der Rechtsabteilung am Standort L beschäftigt. Die Firma W GmbH, eine weitere Rechtsvorgängerin der Beklagten, die im Wesentlichen mit dem Handel von Reifen befasst ist, beschloss im Jahr 2003, den Standort L zu schließen, die dort ansässigen Abteilungen Einkauf und Break-Down-Service nach K zu verlagern und über die Rechtsabteilung – wie im Interessenausgleich vom 21.11.2003 vereinbart (vgl. Bl. 7 d.A.) – gesondert zu verhandeln.
Mit Schreiben vom 26.11.2003 (Bl. 4 d.A.), das dem Kläger am 28.11.2003 zuging, kündigte die Firma W GmbH das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis zum 30.06.2004. Zum Kündigungszeitpunkt waren am Standort L zumindest 32, aber weniger als 60 Arbeitnehmer beschäftigt, von denen zumindest 8 Arbeitnehmer Kündigungen durch die Beklagte zum 30.06.2004 erhielten. Die Beklagte erstattete gegenüber der Agentur für Arbeit keine Anzeige einer Massenentlassung im Sinne von § 17 Abs. 3 KSchG.
Der Kläger hat am 18.12.2003 eine Kündigungsschutzklage beim Arbeitsgericht Ludwigshafen -Ausw. Kammern Landau- erhoben.
Der Kläger hat beantragt,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch schriftliche Kündigung der beklagten Partei vom 26.11.2003, zugegangen am 28.11.2003, zum 30.06.2004 nicht aufgelöst wird,
für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu Ziffer 1 hilfsweise die Beklagte zu verurteilen,
- dem Kläger eine Sozialplanabfindung in Höhe von EUR 43.860,51 zu zahlen,
- dem Kläger zuzüglich der Sozialplanabfindung eine Abfindung als Nachteilsausgleich für den Verlust des Arbeitsplatzes zu zahlen, deren Höhe das Gericht gem. § 10 KSchG festsetzt.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht Ludwigshafen -Ausw. Kammern Landau- hat mit Urteil vom 06.07.2004 festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers durch die schriftliche Kündigung der beklagten Partei vom 26.11.2003, zugegangen am 28.11.2003, nicht aufgelöst worden ist. Zur Begründung dieser Feststellung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die streitgegenständliche Kündigung sei rechtsunwirksam, da der Betriebsrat nicht ordnungsgemäß angehört worden sei (§ 102 Abs. 1 S. 3 BetrVG) und die Kündigung darüber hinaus nach § 1 KSchG sozial ungerechtfertigt sei.
Von der Darstellung der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Tatbestandes, des erstinstanzlichen Parteivorbringens sowie der Entscheidungsgründe des Arbeitsgerichtes wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG abgesehen und auf den Inhalt des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen -Ausw. Kammern Landau- (Bl. 137 ff d.A.) Bezug genommen.
Die Beklagte hat gegen die Entscheidung des Arbeitsgerichts, die ihr am 19.07.2004 zugestellt worden ist, am 19.08.2004 Berufung zum Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt und ihr Rechtsmittel am 04.10.2004 begründet nachdem die Berufungsbegründungsfrist bis einschließlich 04.10.2004 verlängert worden war.
Die Beklagte macht u. a. geltend,
eine Massenentlassung liege nicht vor, da in ihrem Unternehmen über 1800 Mitarbeiter beschäftigt seien. Durch Betriebsvereinbarung vom 15.01.2002 sei die Bildung eines unternehmenseinheitlichen Betriebsrates nach § 3 Abs. 1 und Abs. 2 BetrVG mit Zuständigkeit für alle Standorte der Beklagten vereinbart worden. Mithin liege ein Betrieb im Sinne des § 17 KSchG mit mehr als 500 Arbeitnehmern vor, so dass die Entlassung von 8 Arbeitnehmern keine Anzeigepflicht ausgelöst habe.
Für den Fall, dass das Gericht anderer Auffassung sei, müsse davon ausgegangen werden, dass die Entlassungen zum 30.06.2004 jedenfalls aus Vertrauensgesichtspunkten wirksam geworden seien. Frau V, die Assistentin des Personalleiters, habe am 01.12.2003 mit Herrn U von der Agentur für Arbeit besprochen, ob im Zuge der Schließung des Standortes L eine Massenentlassungsanzeige erforderlich werde. Im Rahmen dieses Gespräches habe Herr U bestätigt, dass eine Massenentlassungsanzeige nicht erforderlich sei. Allerdings habe Herr U gebeten, dass der Agentur für Arbeit die Zahl der ...