Entscheidungsstichwort (Thema)
Progressionsschaden. Steuerschaden. Verzug. Anspruch auf Ersatz des Steuerschadens
Leitsatz (redaktionell)
Der Arbeitgeber kann mit der Leistung der Arbeitsvergütung dadurch in Verzug geraten, dass er infolge einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht mehr leistet, obwohl er bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können, dass die Kündigung unwirksam ist. Anders verhält es sich, wenn der Ausspruch der Kündigung auf einem vertretbaren Rechtsstandpunkt beruht. Ist die Rechtslage nämlich nicht eindeutig, so handelt der kündigende Arbeitgeber solange nicht fahrlässig, als er auf die Wirksamkeit der Kündigung vertrauen durfte. Dieses Vertrauen auf die Wirksamkeit der Kündigung kann im Lauf des Kündigungsrechtsstreits seine Berechtigung verlieren, z.B. nach Durchführung einer Beweisaufnahme, die zu dem Ergebnis geführt hat, dass keine Kündigungsgründe vorliegen. Hält der Arbeitgeber in einem solchen Fall die Entgeltzahlungen weiterhin zurück, gerät er in Schuldnerverzug.
Normenkette
BGB § 280 Abs. 2, § 286
Verfahrensgang
ArbG Kaiserslautern (Urteil vom 27.01.2011; Aktenzeichen 2 Ca 1485/10) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 27.01.2011, Az.: 2 Ca 1485/10 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten unter dem Gesichtspunkt des Verzugs Schadensersatz für einen sog. Progressionsschaden.
Der am 26.03.1955 geborene, verheiratete Kläger ist seit dem 18.06.1985 bei der Beklagten als Gemeindearbeiter zu einer Vergütung von 2.000,– EUR brutto monatlich beschäftigt. Mit Schreiben vom 21.03.2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis außerordentlich mit sozialer Auslauffrist zum 30.09.2007 wegen krankheitsbedingter Fehlzeiten.
Das Arbeitsgericht hat die hiergegen gerichtete Kündigungsschutzklage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat die Berufungskammer nach Durchführung einer Beweisaufnahme durch Einholung eines Sachverständigengutachtens mit Urteil vom 06.02.2009, Az.: 9 Sa 685/07, festgestellt, dass die genannte Kündigung das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht beendet hat.
Der Kläger wies folgende Krankheitsbedingte Fehlzeiten auf:
88,5 Tage
77,5 Tage
129,0 Tage
70,0 Tage
134,0 Tage
50,0 Tage
164,0 Tage
171,0 Tage
58,5 Tage
121,0 Tage
186,0 Tage
261,0 Tage
214,0 Tage
128,0 Tage
188,0 Tage
durchgängig
153,0 Tage
171,0 Tage
Hierbei fehlte der Kläger krankheitsbedingt aufgrund von Arbeitsunfällen im Zeitraum 25.03. – 07.04.2003, 25.03. – 25.04.2004 und 01. – 15.09.2006. Wegen der Fehlzeiten im genannten Zeitraum im Einzelnen und der hierauf entfallenden Entgeltfortzahlungskosten wird im Übrigen auf den Schriftsatz der Beklagten vom 09.06.2011, S. 5 ff. (Bl. 131 ff. d. A.) Bezug genommen.
Die Beklagte hat in Folge der genannten Kündigung vom 21.03.2007 die Vergütungszahlungen an den Kläger beginnend ab Oktober 2007 eingestellt und erst nach Verkündung des Berufungsurteils im genannten Verfahren Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz, 9 Sa 685/07 im Jahr 2009 die rückständige Vergütung für die Monate Oktober 2007 bis Januar 2009 nachgezahlt.
Nach Berechnung des Klägers, der sich insoweit auf eine Berechnung seiner Steuerbelastung durch einen Lohnsteuerhilfeverein stützt, ist es durch die verspätete Zahlung der Insgesamtvergütung erst im Jahre 2009 progressionsbedingt zu einer erhöhten Steuerbelastung gekommen, die sich auf 4.723,77 EUR belaufe. Den Ersatz des Schadens in dieser Höhe begehrt der Kläger von der Beklagten im vorliegenden Verfahren.
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts sowie der streitigen Ansichten der Parteien erster Instanz wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Kaiserslautern vom 27.01.2011, Az.: 2 Ca 1485/10 (Bl. 60 ff. d. A.).
Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Ein Schadensersatzanspruch aus § 280 Abs. 1 S. 1 BGB bestehe nicht, weil die Beklagte die Pflichtverletzung nicht zu vertreten habe. Zwar sei nach der rechtskräftigen Entscheidung des Landesarbeitsgerichts die seinerzeitige Kündigung zu Unrecht erfolgt. Zu vertreten habe dies die Beklagte aber nur dann, wenn sie bei Anwendung der erforderlichen Sorgfalt hätte erkennen können, dass die Kündigung unwirksam war. Der entsprechende Rechtsirrtum sei entschuldbar, wenn die Rechtslage objektiv zweifelhaft gewesen sei und der Schuldner sie sorgfältig geprüft habe.
Die Kündigung habe sich auch im seinerzeitigen Berufungsverfahren erst nach Einholung eines entsprechenden Sachverständigengutachtens als unwirksam erwiesen. Die Einholung eines solchen Gutachtens sei der Beklagten vor Ausspruch der Kündigung nicht möglich gewesen. Die Beklagte habe sich also auf die bisherigen Fehlzeiten und die hieraus entstandenen Entgeltfortzahlungskosten berufen können. Berücksichtigung finden könne auch, dass der Personalrat keine Einwendungen gegen die seinerzeitige Kü...