Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschäftigungsmöglichkeit, anderweitige. Kündigung, betriebsbedingte. Wirtschaftsprüfer. Betriebsbedingte Kündigung eines Wirtschaftsprüfers. Festlegung der Personalstärke. anderweitige Beschäftigungsmöglichkeit. Darlegungslast

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Wenn einem Arbeitnehmer mehrere Tätigkeitsbereiche obliegen, kommt eine Beendigungskündigung nur dann in Betracht, wenn es zu einem vollständigen Entfall des Beschäftigungsbedarfs kommt oder jedenfalls zu einem Entfall von Arbeitsaufgaben in einem derartigen Umfang, dass dem Arbeitnehmer die Annahme eines auf Wahrnehmung nur noch der verbleibenden Aufgaben gerichteten Änderungsangebots nicht zumutbar wäre.

2. Eine nur kommissarische Wahrnehmung von Aufgaben durch einen Arbeitnehmer bedeutet einen Personalbedarf für diese Aufgaben.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 1, 2 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Urteil vom 16.12.2010; Aktenzeichen 3 Ca 1381/10)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 16.12.2010, Az. 3 Ca 1381/10 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten auch im Berufungsverfahren um die Rechtswirksamkeit der ordentlichen arbeitgeberseitigen Kündigung vom 17.06.2010 zum 31.07.2010 sowie um die Verpflichtung der Beklagten, den Kläger als Steuerberater und Wirtschaftsprüfer weiterzubeschäftigen.

Die Beklagte betreibt eine Wirtschaftsprüfungs- und Steuerberatungsgesellschaft mit Hauptsitz in Koblenz sowie Standorten u.a. in Essen, Mainz, Dresden, Halle, Stuttgart, Schwerin, Erfurt, Frankfurt, Berlin, Bremen, Chemnitz, Hamburg, Leipzig und Potsdam. Sie beschäftigt ständig mehr als 10 Vollzeitarbeitnehmer ausschließlich der zu ihrer Berufsausbildung beschäftigten.

Der am 16.03.1960 geborene, verheiratete und gegenüber zwei Kindern zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist bei der Beklagten aufgrund des Anstellungsvertrages vom 14.07.2006 seit dem 01.09.2006 bei der Beklagten als Wirtschaftsprüfer und Steuerberater zu einem Bruttomonatsgehalt von 8.350,– EUR beschäftigt.

Gemäß § 1 Ziffer 7 des Anstellungsvertrages hat der Kläger seinen Dienstsitz in X. Nach § 10 Ziffer 1 des Anstellungsvertrages ist die Betriebsordnung der Beklagten in der Fassung vom 01.01.2005 Bestandteil des Vertrages, soweit dieser nichts anderes bestimmt. § 2 der Betriebsordnung enthält folgende Regelung:

„(1) Der Mitarbeiter wird so beschäftigt, wie es im Anstellungsvertrag mit ihm vereinbart worden ist. Soweit betrieblich erforderlich, hat er jedoch vorübergehend auch jede andere zumutbare Arbeit zu übernehmen.

(2) Der Gesellschaft bleibt das Recht vorbehalten, soweit dies betrieblich notwendig ist, dem Mitarbeiter jede andere Aufgabe zu übertragen, zu deren Übernahme er aufgrund seines Ausbildungsstandes in der Lage ist…”

Neben dem Kläger ist als weiterer angestellter Wirtschaftsprüfer am Standort X. jedenfalls auch Herr B. tätig. Dieser war zuletzt neben seiner Tätigkeit in X. kommissarisch als Niederlassungsleiter der Niederlassung in Y. eingesetzt.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis erstmals mit Schreiben vom 29.02.2008 und erneut mit Schreiben vom 19.03.2009 zum 30.04.2009. Die hiergegen gerichteten Kündigungsschutzklagen hatten Erfolg. Die diesbezüglichen Urteile sind rechtskräftig (zuletzt LAG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 16.04.2010, Az.: 9 Sa 739/09).

Mit Schreiben vom 17.06.2010 kündigte die Beklagte das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis erneut zum 31.07.2010.

Die Beklagte stützt die Kündigung maßgeblich auf eine nach ihrer Darstellung am 05.05.2010 getroffene unternehmerische Entscheidung folgenden Inhalts:

„Ausgehend von der Tatsache, dass von den zwei in X. beschäftigten Wirtschaftsprüfer nur einer in den Jahren ab 2007 aktiv war und zukünftig keine höhere Arbeitsmenge zu erwarten ist, wird die Zahl der in X. beschäftigten Wirtschaftsprüfer abschließend auf einen reduziert.”

Die Beklagte veranlasste in der Fachzeitschrift „Der Betrieb”, Heft vom Datum 2010 (Anlage K 10 zum Schriftsatz des Klägers vom 05.10.2010, Anlagenordner) eine Stellenanzeige, der zufolge sie zur Verstärkung ihres Teams für die Niederlassungen in Z. und W. Wirtschaftsprüfer/innen suchte. Ebenfalls veröffentlichte die Beklagte auf ihren Internetseiten eine Stellenanzeige (Anlage K 9 zum Schriftsatz des Klägers vom 05.10.2010, Anlagenordner) der zufolge sie mit Datum vom 17. September 2010 eine Wirtschaftsprüferin/Wirtschaftsprüfer suchte.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des unstreitigen Sachverhalts sowie des wechselseitigen Sachvortrags der Parteien erster Instanz wird gem. § 69 Abs. 2 ArbGG Bezug genommen auf das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 16.12.2010, Az.: 3 Ca 1381/10 (Bl. 101 ff. d. A.).

Durch das genannte Urteil hat das Arbeitsgericht festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien durch die Kündigung vom 17.06.2010 nicht zum 31.07.2010 aufgelöst worden ist. Ferner hat es die Beklagte verurteilt, den Kläger als Wirtschaftsprüfer und...

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