Entscheidungsstichwort (Thema)

Fristlose Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen Unregelmäßigkeiten bei der Dokumentation der Arbeitszeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Der vorsätzliche Verstoß eines Arbeitnehmers gegen seine Verpflichtung, die abgeleistete Arbeitszeit korrekt zu dokumentieren, ist an sich geeignet, einen wichtigen Grund i.S. des § 626 Abs. 1 BGB darzustellen.

2. Hat der Arbeitnehmer in einem Time-Sheet zu vergütende Bereitschaftszeiten eingetragen, obwohl er in dem genannten Zeitraum arbeitsunfähig erkrankt war, so stellt dies grundsätzlich eine falsche Erfassung der Arbeitszeit dar. Der hieraus herzuleitende Vorwurf relativiert sich allerdings erheblich, wenn diese Angaben zunächst dem Vorgesetzten übermittelt wurden, um von diesem überprüft zu werden und wenn die Angaben für jeden unbefangenen Leser offensichtlich in sich unstimmig war, weil zum einen aufgeführt ist, dass der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt war, andererseits aber Bereitschaftsdienst geleistet haben will. Insofern kann von einem heimlichen Vorgehen nicht ausgegangen werden. Das gilt umso mehr, wenn der Arbeitnehmer aufgrund der Arbeitsunfähigkeit nach § 4 Abs. 1 EFZG einen Anspruch auf Lohnfortzahlung auch im Umfang der ihm zustehenden Bereitsschaftsdienstpauschale gehabt hätte.

 

Normenkette

BGB §§ 626, 626 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 18.12.2014; Aktenzeichen 1 Ca 1055/14)

 

Tenor

  1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Ludwigshafen vom 18.12.2014, Az.: 1 Ca 1055/14, wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
  2. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien des vorliegenden Rechtsstreits streiten darüber, ob das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund einer außerordentlichen fristlosen Kündigung der Beklagten sein Ende gefunden hat, oder aber nicht.

Der 1984 geborene, verheiratete und einem Kind zum Unterhalt verpflichtete Kläger ist bei der Beklagten seit dem 14.04.2018 als Serviceingenieur beschäftigt. Zuletzt wurde er bei der B.in L. eingesetzt. Der Kläger hat zuletzt ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 4.300,00 EUR bezogen.

Die Beklagte ist ein Systemhaus für Automatisierungslösungen in der Prozessindustrie. Grundlage des Arbeitsverhältnisses zwischen den Parteien ist der schriftlich abgefasste Arbeitsvertrag vom 25.03.2008/30.03.2008, hinsichtlich dessen Inhalts auf Bl. 17 bis 20 d. A. Bezug genommen wird. Im Betrieb der Beklagten sind regelmäßig mehr als 10 Arbeitnehmer beschäftigt.

Der Kläger hatte vom 10. bis 17.03.2014 Erholungsurlaub und war vom 27.01. bis 28.02.2014 sowie vom 04. bis 14.04.2014 arbeitsunfähig erkrankt. Der Kläger war Ersatzmitglied des Betriebsrats. Am 14.04.2014 rückte er in den Betriebsrat für ein zum damaligen Zeitpunkt dauerhaft arbeitsunfähig erkranktes Betriebsratsmitglied nach. Am 15.05.2014 fand erneut eine Betriebsratswahl statt, zu der der Kläger als Wahlbewerber aufgestellt war. Der Kläger wurde jedoch nicht als ordentliches Mitglied in den Betriebsrat gewählt. Er ist vielmehr Ersatzmitglied. Das Wahlergebnis wurde am 22.05.2014 bekannt gegeben. An der konstituierenden Sitzung des neugewählten Betriebsrats hat der Kläger nicht teilgenommen.

Die Rechtsvorgängerin der Beklagten hat mit dem Betriebsrat am 16.02.1998 eine Betriebsvereinbarung abgeschlossen, wonach die geleistete Arbeitszeit von einem Zeiterfassungsgerät aufgezeichnet werden soll. Danach waren alle Arbeitnehmer verpflichtet, bei Betreten und Verlassen der Betriebsstätte das Zeiterfassungsgerät zu betätigen. Ein "Änderung der Betriebsvereinbarung vom 13.02.1998 (über die Verteilung der wöchentlichen und täglichen Arbeitszeit, der gleitenden Arbeitszeit und die Anwendung eines EDV-Systems zur Zeiterfassung)" überschriebenes Papier vom 04.09.2000, das die Unterschriften des Geschäftsführers W. sowie des Betriebsratsvorsitzenden B. enthält, sieht vor, dass die "Kommt- und Geht-Vorgänge" von den Mitarbeitern persönlich in ein Dokument des genutzten Office-Systems Excel, sogenanntes "Excel Timesheet" erfasst und wöchentlich vom Vorgesetzten abgezeichnet werden.

Seit dieser Änderung tragen alle Mitarbeiter der Beklagten ihre Arbeitszeiten in einem derartigen Timesheet ein. Das Time Sheet besteht aus 2 Tabellen. Lediglich die obere Tabelle dieses Time Sheet ist Grundlage für die Lohnabrechnung.

Der Vorgesetzte des Klägers, Herr F., änderte im Mai 2012 das von ihm entwickelte Timesheet Formular dreimal, ohne dass der Betriebsrat jeweils beteiligt wurde.

Neben dem Time Sheet müssen die Arbeitnehmer der Beklagten sogenannte "SBS-Sheets" ausfüllen. Dabei handelt es sich um Abrechnungsformulare, auf deren Basis die von der Beklagten bzw. deren Servicemitarbeitern erbrachten Dienstleistungen dem jeweiligen Kunden in Rechnung gestellt werden.

Der Kläger muss spätestens am letzten Werktag eines Kalendermonats das Timesheet für den laufenden Monat ausfüllen. Der Kläger muss, wie auch seine Kollegen, auch Bereitschaftsdienst leisten, der stets eine volle Woche andauert. Für Bereits...

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