Entscheidungsstichwort (Thema)

außerordentlicher Kündigung

 

Leitsatz (amtlich)

Wenn dem Arbeitgeber bekannt ist oder greifbar bekannt sein muß, daß Fehlverhalten des Arbeitnehmers auf krankhaftem Befund beruht, muß er dem Betriebsrat diesen Umstand mitteilen, soll die Anhörung nach § 102 BetrVerfG ordnungsgemäß sein.

 

Normenkette

BetrVerfG § 102

 

Verfahrensgang

ArbG Kaiserslautern (Urteil vom 27.07.1993; Aktenzeichen 1 Ca 785/93)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 31.01.1996; Aktenzeichen 2 AZR 181/95)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichtes … vom 27. Juli 1993 – Az.: 1 Ca 785/93 – abgeändert:

Es wird festgestellt, daß das zwischen den Parteien bestehende Arbeitsverhältnis nicht durch die außerordentliche Kündigung vom 15.04.1993 aufgelöst worden ist.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiter zu beschäftigen.

3. Die Kosten des Rechtsstreites hat die Beklagte zu tragen.

4. Die Revision zum Bundesarbeitsgericht wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der 56 Jahre alte ledige Kläger, welcher seit 20.09.1976 bei der Beklagten als Betriebsschlosser tätig ist, hat sich mit seiner Klage vom 15.04.1993 gegen eine Kündigung der Beklagten gewendet, die in der Form der außerordentlichen Kündigung mit Schreiben vom 15. Februar 1993 erklärt worden war.

Die Kündigung, die nach Anhörung der Hauptfürsorgestelle erklärt wurde, ist darauf gestützt, daß der Kläger trotz wiederholter Abmahnungen und Aufforderungen, einzelne Personen und Organe des Unternehmens grob beleidigt habe (wegen der weiteren Begründung wird auf die zu den Akten gereichte Kopie des Kündigungsschreibens vom 15.04.1993 = Bl. 11, d. GA. Bezug genommen).

Der Kläger hat seine Klage im wesentlichen damit begründet,

daß er zwar die Schreiben vom 21.12.1992, 10.12.1992 und 21.01.1993 verschickt habe, die Beklagte ihn mit Schreiben vom 13.01. und 26.01.1993 abgemahnt habe, so daß allenfalls ein Schreiben vom 18.03.1993 als kündigungsrelevant angesehen werden könne. Er habe lediglich seine Meinung geäußert, wobei bei der Form der Meinungsäußerung nicht außer acht gelassen werden dürfte, was in der Vergangenheit sich im Betrieb abgespielt habe, da er dort ungerecht behandelt worden sei.

Hinzu komme, daß er an einer Erkrankung leide, die mit konversionsneurotischer Entwicklung und psychoreaktivem Syndrom bei beruflicher Konfliktsituation umschrieben werde. Den ihn behandelnden Arzt … enbinde er von der Wahrung der Schweigepflicht

Der Kläger hat beantragt:

Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 15.04.1993 – zugegangen am 15.04.1993 – nicht aufgelöst worden ist.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Im wesentlichen hat sie dies damit begründet,

daß der Kläger, trotz mehrfacher Aufforderung, Beleidigungen der vorgenommenen Art zu unterlassen, am 18.03.1993 an die Beklagte geschrieben und darin behauptet habe, er werde wie der letzte Verbrecher, Sklave oder Diener behandelt und damit gedroht habe, seine Briefe an obere Organe, Presse, Organisationen usw. zu schicken.

Die Beklagte sei nicht mehr bereit, mit dem Kläger zusammenzuarbeiten, der eine derart schlechte Meinung von Arbeitskollegen und Vorgesetzten habe, ohne daß dies sachlich begründet sei. Da der Kläger trotz der Abmahnung an seiner beleidigenden Art seinen Haßgefühlen und seines nahezu an Verfolgungswahn grenzenden gestörten Wahrnehmungsvermögen verhaftet sei, bestehe keine Möglichkeit, den Kläger im Betrieb zu integrieren.

Das Arbeitsgericht hat durch Urteil vom 27.07.1993 die Klage abgewiesen und dies im wesentlichen damit begründet, daß der Kläger trotz entsprechender Abmahnung an seinen Verleumdungen und Beleidigungen gegenüber dem Betriebsrat und Mitarbeitern der Beklagten festgehalten habe, weswegen sich ein außerordentlicher Kündigungsgrund ergebe.

Das Urteil ist dem Kläger am 26.08.1993 zugestellt worden und seine Berufung ist am 13.09.1993 beim Landesarbeitsgericht eingegangen und nach Verlängerung der Begründungsfrist am 27.10.1993 begründet worden.

Der Kläger greift die erstinstanzliche Entscheidung im wesentlichen damit an,

daß ihm nach der erteilten Abmahnung vom 26.01.1993 kein kündigungsrelevanter Vorwurf mehr gemacht werden könne, da in diesem Schreiben lediglich der Versuch enthalten sei, dem Personalleiter zu erklären, worin sein berechtigtes Anliegen im Schreiben vom 21.12.1992 liege.

Die engagiert geschriebenen Zeilen seien nicht in beleidigender Absicht verfaßt worden, sondern es handele sich um eine Beschwerde nach § 84 Abs. 1 BetrVG.

Darüber hinaus könne eine fristlose Kündigung nur dann wirksam sein, wenn sie auf ein schuldhaft pflichtwidriges Verhalten zurückgeführt werden könne. Daran fehle es angesichts der Erkrankung der Klägers.

Eine ordentliche Kündigung wäre nicht zulässig, da er aufgrund seiner langen Betriebs Zugehörigkeit gem. § 22 Nr. 2 GMTV-Metallindustrie Rheinland-Pfalz nicht ordentlich gekündigt werden könne.

Außerdem habe die Firma … ein Vorruhestandsprogramm für den Standort … für die Geburts...

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