Entscheidungsstichwort (Thema)

Begründung eines Arbeitsverhältnisses. Vertragsschluss durch Angebot und Annahme. Auslegung von Willenserklärungen. Invitatio ad offerendum. Verlangen des Arbeitgebers zur Vorlage eines Führungszeugnisses

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Arbeitsverhältnis wird grundsätzlich durch einen Arbeitsvertrag begründet, aus dem sich die Verpflichtung zur weisungsgebundenen Tätigkeit ergibt. Das Erfordernis einer vertraglichen Begründung der Arbeitspflicht als Voraussetzung des Arbeitnehmerstatus (sog. Vertragstheorie) ist grundsätzlich unverzichtbar. Der Vertrag muss eine Einigung über den notwendigen Mindestinhalt (essentialia negotii) umfassen.

2. Verträge kommen durch auf den Vertragsschluss gerichtete, einander entsprechende Willenserklärungen zustande, indem das Angebot ("Antrag") der einen Vertragspartei gemäß den §§ 145 ff. BGB von der anderen Vertragspartei angenommen wird. Eine Willenserklärung ist eine Äußerung, die auf die Herbeiführung eines rechtsgeschäftlichen Erfolgs gerichtet ist. Sie kann nicht nur durch eine ausdrückliche Erklärung, sondern auch durch schlüssiges Verhalten abgegeben werden.

3. Nach §§ 133, 157 BGB sind Willenserklärungen und Verträge so auszulegen, wie die Parteien sie nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der Verkehrssitte verstehen mussten, wobei vom Wortlaut auszugehen ist. Zur Ermittlung des wirklichen Willens der Parteien sind auch außerhalb der Vereinbarung liegende Umstände einzubeziehen, soweit sie einen Schluss auf den Sinngehalt der Erklärung zulassen.

4. Ein Antrag auf Abschluss eines Vertrags (§ 145 BGB) liegt nur dann vor, wenn die Erklärung - aus der Sicht des Adressaten - mit dem Willen zur rechtlichen Bindung abgegeben wird. Dagegen ist eine bloße Aufforderung zur Abgabe von Angeboten gegeben, wenn eine rechtsgeschäftliche Bindung erkennbar noch nicht gewollt ist, sich der Erklärende einen Vertragsabschluss also noch vorbehält. Fehlt einer Erklärung der Wille, sich vertraglich zu binden, handelt es sich nur um eine Aufforderung, Vertragsanträge abzugeben (sog. invitatio ad offerendum).

5. Verlangt der Arbeitgeber vor Abschluss des Arbeitsvertrags die Vorlage eines polizeilichen Führungszeugnisses, stellt dies eine Allgemeine Geschäftsbedingung dar. Diese unterliegt zwar der Inhaltskontrolle nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB, ist aber in aller Regel nicht intransparent und beeinträchtigt die Interessen des Bewerbers nur unerheblich.

 

Normenkette

BGB §§ 145, 158; BZRG § 34 Abs. 1 Nr. 3, § 38 Abs. 1-2; ZPO § 142 Abs. 1 S. 1, §§ 422-423; KSchG § 4; BGB §§ 133, 307 Abs. 1 S. 2, § 611a Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Koblenz (Entscheidung vom 18.01.2022; Aktenzeichen 3 Ca 1810/21)

 

Tenor

  • I.

    Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz - 3 Ca 1810/21 - vom 18. Januar 2022 wird kostenpflichtig zurückgewiesen.

  • II.

    Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten zuletzt noch im Rahmen einer Kündigungsschutzklage über das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses.

Die Beklagte ist - über die Generaldirektion Wasserstraßen- und Schifffahrt als Bundesmittelbehörde und die dieser als ortsnahe Unterbehörden unterstehenden Wasserstraßen- und Schifffahrtsämter - für die Verwaltung der (bundeseigenen) Bundeswasserstraßen der Bundesrepublik Deutschland und die Sicherheit und Leichtigkeit des Schiffsverkehrs verantwortlich, ua. für die Wasserstraße Z. im Bereich zwischen Y-Stadt und D-Stadt, einschließlich der dort unterhaltenen Schifffahrtsschleusen.

Der Vater des Klägers ist seit 26 Jahren bei der Beklagten mit Einsatzort X.-Stadt beschäftigt. Im Jahre 2020 suchte die Beklagte über das zuständige Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt W. für den Außenbezirk X.-Stadt einen Arbeiter. Der Kläger bewarb sich beim Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt W. auf die Stelle. Im März 2021 fand ein Vorstellungsgespräch statt, das für die Beklagte von den Zeugen V. und U. geführt wurde. Was im Vorstellungsgespräch besprochen wurde, ist zwischen den Parteien im Einzelnen umstritten.

Anfang Juni 2021 wurde dem Kläger über das Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt W. ein unter dem 27. Mai 2021 datierendes Schreiben mit dem Betreff "Einstellung auf den Dienstposten 0000 "Wasserbauer" vom Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt W., Außenbezirk X.-Stadt" übersandt, dem zwei Exemplare eines Arbeitsvertrages beigefügt waren. Das Schreiben vom 27. Mai 2021, wegen dessen weiteren Inhaltes auf Bl. 24 f. d. A. Bezug genommen wird, hatte auszugsweise folgenden Inhalt:

"Sehr geehrter Herr A.,

aufgrund Ihrer Bewerbung und des persönlichen Vorstellungsgespräches stelle ich Sie zum 01.07.2021 voraussichtlich befristet bis zum 31.12.2022 auf den o.g. Dienstposten ein.

...

Ich bitte Sie, Ihren Dienst am 01.07.2021 um 7:00 Uhr anzutreten und sich im Außenbezirk X.-Stadt, T.-Straße, 00000 X.-Stadt zu melden.

Die Einstellungszusage erfolgt unter dem Vorbehalt, dass das Führungszeugnis (Beantragung bei Stadt- oder Gemeindeverwaltung) und die Einstellungsuntersuchung beim BAD Gesu...

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