Entscheidungsstichwort (Thema)
Streik. Verfügung, einstweilige. Warnstreik. Arbeitskampf für den Aschluss eines Tarifvertrages, der zur Tarifvertragspluralität im Betrieb führt
Leitsatz (redaktionell)
Ein angedrohter Streik stellt einen Verstoß gegen den das Arbeitskampfrecht beherrschenden Grundsatz der Verhältnismäßigkeit dar, wenn die mit dem Streik angestrebten Regelungen nach dem Grundsatz der Tarifeinheit ohnehin nicht zur Anwendung kämen (Tarifpluralität).
Normenkette
BGB §§ 1004, 823 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Urteil vom 01.09.2005; Aktenzeichen 11 Ga 9/05) |
Tenor
1. Die Berufung des Verfügungsbeklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz – Auswärtige Kammern O – vom 01.09.2005 – Az.: 11 Ga 9/05 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass dem Verfügungsbeklagten unter Androhung eines Ordnungsgeldes bis zu 250 000,00 EUR für jeden Fall der Zuwiderhandlung, ersatzweise Ordnungshaft bis zu sechs Monaten gegen die gesetzlichen Vertreter der Verfügungsbeklagten, untersagt wird, Streiks und Warnstreiks im Betrieb der Verfügungsklägerin durchzuführen, mit denen die Forderung zur Aufnahme von Tarifverhandlungen des Verfügungsbeklagten vom 02.08.2005 durchgesetzt werden soll.
2. Der Verfügungsbeklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Die Revision kann nicht zugelassen werden.
Tatbestand
Die Parteien streiten im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens darüber, ob der Verfügungsbeklagte im Betrieb der Verfügungsklägerin zum Zwecke des Abschlusses von Tarifverträgen für die Fluglotsen Streikmaßnahmen durchführen darf.
Die Verfügungsklägerin betreibt den Flughafen C Die Fluglinie W hat einen Anteil von etwa 69% des Umsatzes aus Flughafengebühren und Entgelten. Derzeit verhandelt W mit der Verfügungsklägerin über die Stationierung weiterer Flugzeuge. Die Verfügungsklägerin beschäftigt ca. 285 Arbeitnehmer, davon etwa 13,5 Fluglotsen und 3 Flugsicherungstechniker, die zu ca. 75 % bei dem Verfügungsbeklagten – Gewerkschaft der R (im Folgenden GdF) – organisiert sind.
Die Flugsicherung Deutschland wurde 1992 privatisiert. Sie wird von der bundeseigenen Deutschen Flugsicherung GmbH (DFS) mit Sitz in V wahrgenommen. Diese betreibt den Fluglotsendienst an allen Verkehrsflughäfen im Bundesgebiet. Sie beschäftigt ca. 5.150 Mitarbeiter einschließlich der Auszubildenden. Die Fluglotsen mit ca. 1800 Mitarbeitern stellen die größte Berufsgruppe. Etwa 1.000 Ingenieure und Techniker sind mit der Planung, Realisierung und dem Betreiben der für die Flugsicherung notwendigen technischen Systeme befasst. Im Luftfahrtbundesamt sind in der Abteilung Flugsicherung noch 128 Arbeitnehmer beschäftigt. Außerhalb der von der DSF betreuten Flughäfen gibt es an etwa 15 Regionalflughäfen ca. 200 im Bereich der Flugsicherung beschäftigte Mitarbeiter. Sie sind Arbeitnehmer von Gebietskörperschaften oder den Betreibergesellschaften der Regionalflughäfen und nach § 31 b Abs. 1 Satz 2 LuftVG vom Bundesministerium für Verkehr mit Flugsicherungsaufgaben individuell beauftragt worden.
Nachdem zunächst bei der Verfügungsklägerin tarifvertragliche Regelungen lediglich aufgrund arbeitsvertraglicher Bezugnahme galten, kam es im November 2000 zum Abschluss mehrerer Haustarifverträge mit der Q und der ÖTV. Derzeit gelten ein Manteltarifvertrag, ein Entgeltrahmentarifvertrag, ein Tarifvertrag über eine leistungsbezogene Bezahlung, ein Tarifvertrag zur betrieblichen Altersversorgung, ein Öffnungstarifvertrag zur Entgeltumwandlung, ein Überleitungstarifvertrag sowie ein sogenannter Feuerwehrtarifvertrag mit einer Sonderregelung für die Arbeitnehmer der Verfügungsklägerin, die hauptberuflich im operativen feuerwehrtechnischen Dienst tätig sind.
Am 12.08.2005 schlossen die Gewerkschaft V und die Verfügungsklägerin ein Entgeltabkommen für alle Arbeitnehmer der Verfügungsklägerin und wegen gesetzlicher Änderungen im Arbeitszeitgesetz einen Feuerwehrtarifvertrag.
Mit der Q und später mit V waren der Verband deutscher Flugleiter (VDF) und der Verband deutscher Flugsicherungstechniker und Ingenieure (FTI) zunächst durch einen Kooperationsvertrag verbunden. Die Mitglieder des VDF und des FTI, waren aufgrund der Vereinbarung zugleich Einzelmitglieder der Q und später V. Sie erhielten tarif- und betriebspolitische Betreuung und entsandten Mitglieder in Tarif- und Verhandlungskommissionen. Im Anschluss an eine ordentliche Kündigung des Kooperationsvertrages durch den VDF zum 31.10.2003 kündigte V diesen im Herbst 2002 außerordentlich. Im Februar 2003 wurde die Gewerkschaft der Q als nichtsrechtsfähiger Verein gegründet. Nachdem es über die Frage der Wirksamkeit dieser Gründung Streit gegeben hatte, fand eine Neugründung als Gewerkschaft der Q e.V. – des Verfügungsbeklagten – statt, die am 15.09.2003 im Register des Amtsgerichts U am T eingetragen worden ist.
Nach § 4 der Satzung des Verfügungsbeklagten in der Fassung vom 07.03.2004 umfasst sein Organisationsbereich alle mit der Durchführung der Flugsicherung befassten Unternehmen und Betri...