Entscheidungsstichwort (Thema)
Abmahnungsfreie außerordentliche Verdachtskündigung bei Veräußerung von Magazinbeständen der Arbeitgeberin
Leitsatz (redaktionell)
1. Einer Abmahnung bedarf es nicht, wenn es sich um eine so schwere Pflichtverletzung handelt, dass selbst deren erstmalige Hinnahme der Arbeitgeberin nach objektiven Maßstäben unzumutbar und damit offensichtlich und auch für den Arbeitnehmer erkennbar ausgeschlossen ist.
2. Der dringende Verdacht, dass sich gerade der im Magazin beschäftigte und für Bestellungen zuständige Arbeitnehmer das von ihm veräußerte Silberlot heimlich aus dem Magazin zugeeignet hat, betrifft eine besonders schwerwiegende Pflichtverletzung, bei der eine Hinnahme durch die Arbeitgeberin ganz offensichtlich ausgeschlossen ist; aufgrund des schwerwiegenden Tatverdachts kann eine Wiederherstellung des für eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unabdingbar notwendigen Vertrauens nicht erwartet werden, so dass eine Abmahnung entbehrlich ist.
Normenkette
BGB §§ 626, 314 Abs. 2, § 626 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Ludwigshafen (Entscheidung vom 13.10.2015; Aktenzeichen 2 Ca 443/15) |
Tenor
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer außerordentlichen Tat-, hilfsweise Verdachtskündigung.
Der 1963 geborene Kläger, der zwei erwachsene Kinder hat, ist seit 01. August 1978 bei der Beklagten als Mitarbeiter im Magazin beschäftigt. Er kann im Rahmen seiner Tätigkeit selbst Bestellungen auslösen, die gegengezeichnet werden müssen. Neben dem Kläger ist im Magazin Herr Z beschäftigt. Die Beklagte verwendet als Produktionshilfsmaterial Silberlot, welches im Magazin aufbewahrt, allerdings nicht lagerbestandsgeführt wird. Bis 1996 wurde cadmiumhaltiges Silberlot des Typs AF 304 verwendet, danach nicht cadmiumhaltiges Silberlot der Typen AF 314 sowie AF 319. Am 02. März 2015 wurde der Geschäftsführer der Beklagten von der Kriminalpolizei in N-Stadt darüber informiert, dass der Kläger im Internet über eBay cadmiumhaltiges Silberlot des Typs AF 304, dessen Verkauf gegen das Chemikaliengesetz verstößt, sowie Silberlot der Typen AF 314 und AF 319 veräußert habe. Im Jahr 2013 verkaufte der Kläger insgesamt 18 kg Silberlot zu einem Preis von ca. 2.500,00 EUR, wobei der Warenwert bei 7.200,00 EUR liegt. Die Beklagte hörte den Kläger am 09. März 2015 zu dem Sachverhalt an. Der Kläger erklärte dabei, dass er das Silberlot auf dem Flohmarkt erstanden habe, den Mann, dessen Namen er nicht kenne, aber nicht mehr ausfindig machen könne. Die Beklagte hörte den Betriebsrat mit Schreiben vom 10. März 2015 zur beabsichtigten fristlosen Tat-, hilfsweise Verdachtskündigung an. Mit Schreiben vom 16. März 2015, das dem Kläger am gleichen Tag zuging, kündigte sie das mit dem Kläger bestehende Arbeitsverhältnis außerordentlich fristlos als Tat- und hilfsweise Verdachtskündigung.
Hiergegen hat sich der Kläger mit seiner am 24. März 2015 beim Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein eingegangenen Kündigungsschutzklage gewandt und seine vorläufige Weiterbeschäftigung begehrt.
Wegen des wechselseitigen Vorbringens der Parteien erster Instanz wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Ludwigshafen am Rhein vom 13. Oktober 2015 verwiesen.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose Kündigung der Beklagten vom 16. März 2015 nicht beendet wird,
- im Falle des Obsiegens mit dem Antrag zu 1. die Beklagte zu verurteilen, ihn bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzverfahrens zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Lagerist weiterzubeschäftigen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen
Mit Urteil vom 13. Oktober 2015 hat das Arbeitsgericht Ludwigshafen am Rhein die Klage abgewiesen. Wegen der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf die Entscheidungsgründe seines Urteils verwiesen.
Gegen das ihm am 27. Oktober 2015 zugestellte Urteil des Arbeitsgerichts hat der Kläger mit Schriftsatz vom 10. November 2015, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 11. November 2015 eingegangen, Berufung eingelegt und diese nach antragsgemäßer Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 28. Januar 2016 mit Schriftsatz vom 19. Januar 2016, beim Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz am 22. Januar 2016 eingegangen, begründet.
Er trägt vor, das Arbeitsgericht sei unzutreffend davon ausgegangen, dass dringende Verdachtsmomente vorlägen, die eine Verdachtskündigung rechtfertigen würden. Er sei schnell begeisterungsfähig für neue Projekte, die mit Elan begonnen würden, der dann in der Regel nach einem guten halben Jahr nachlasse und letztlich zum Erliegen komme. So habe es sich auch im vorliegenden Fall verhalten. Er besitze einen Schweißapparat und habe sich vorgenommen, diesen zu benutzen. Aus diesem Grund seien in der Vergangenheit ent...