Entscheidungsstichwort (Thema)
Erziehungsurlaub und Sonderzahlungen. Gleichbehandlungsgrundsatz
Leitsatz (amtlich)
1. Sieht ein Arbeitsvertrag „eine jährliche Ermessenstantieme, die von der Erfüllung des geplanten Jahresüberschusses und der persönlichen Beurteilung durch den Vorgesetzten abhängt” vor, so handelt es sich dabei um eine vom Betriebsergebnis abhängige Jahressonderzahlung, durch die die Leistung der Arbeitnehmer im laufenden Jahr eine zusätzliche Vergütung erfährt. Es stellt eine gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßende, sachfremde Differenzierung dar, wenn von dieser Sonderleistung Arbeitnehmerinnen ausgeschlossen werden, die sich im folgenden Jahr zum Auszahlungszeitpunkt in Erziehungsurlaub befinden.
2. Ein Anspruch auf Urlaubsgeld, der der Höhe nach an die im laufenden Jahr erbrachte Dienstzeit anknüpft und aus einem bestimmten Monatsgehalt errechnet wird, kann bei einer Arbeitnehmerin, die Erziehungsurlaub in Anspruch nimmt, ohne entsprechende Vereinbarung nicht ausgeschlossen oder gekürzt werden. Dies gilt auch dann, wenn nach dem Arbeitsvertrag ein Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis zum 30.06. des laufenden Jahres oder zu einem früheren Zeitpunkt gekündigt ist, nicht anspruchsberechtigt ist.
Bei einmaligen Sonderleistungen, die keinen unmittelbaren Entgeltbezug aufweisen, wirkt sich die Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubs nicht auf Grund oder Höhe des Anspruchs aus. Voraussetzung für eine Kürzung derartiger Leistungen ist in jedem Fall, daß eine entsprechende Berechtigung sich in den einzel- oder kollektivvertraglichen Grundlagen der Jahresleistung findet.
Normenkette
BGB §§ 611, 242; GG Art. 3; BErzGG §§ 1, 11
Verfahrensgang
ArbG Mainz (Urteil vom 19.01.1987; Aktenzeichen 1 Ca 1744/86) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Mainz vom 19.01.87, Az.: 1 Ca 1744/86, wird kostenfällig zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Klägerin war vom 01.07.1982 bis 03.01.1987 als Sekretärin bei der Beklagten beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis endete aufgrund einer von der Klägerin, die am 04.03.1986 entbunden und anschließend Erziehungsurlaub in Anspruch genommen hatte, zum Ende des Erziehungsurlaubs ausgesprochenen Kündigung.
Mit der Klage verfolgt die Klägerin einen Anspruch auf Tantieme für das Jahr 1985 in Höhe von DM 900,00 und einen Anspruch auf Urlaubsgeld für das Jahr 1986 über DM 1.200,00. Bezüglich des Tantiemeanspruchs bezieht sie sich auf § 2 Ziff. 5 des Arbeitsvertrages vom 19.05/24.05.1982, in dem es heißt:
„Der Arbeitnehmer erhält eine jährliche Ermessenstantieme, die von der Erfüllung des geplanten Jahresüberschusses und der persönlichen Beurteilung durch den Vorgesetzten abhängt.”
Es ist unstreitig zwischen den Parteien, daß die Klägerin eine Tantieme in Höhe von DM 900,00 erhalten hätte, wenn sie sich nicht zum Auszahlungszeitpunkt im Erziehungsurlaub befunden hätte.
Ihren Urlaubsgeldanspruch begründet die Klägerin mit Abschnitt IV der Arbeitsordnung vom 01.01.1982, die nach § 9 des Arbeitsvertrages Vertragsbestandteil war. Diese Bestimmung lautet:
„Die … zahlt an ihre Mitarbeiter jährlich ein Urlaubsgeld. Das Urlaubsgeld beläuft sich auf ½ Monatsgehalt, sofern der Mitarbeiter mindestens seit dem 01.01 des laufenden Jahres bei der … tätig war. Maßgebend ist das Monatsgehalt für den Monat Juni. Die Auszahlung des Urlaubsgeldes erfolgt jeweils gleichzeitig mit der Auszahlung des Gehaltes für den Monat Juni.
Ist der Mitarbeiter nach dem 01.01 des laufenden Jahres bei der … eingetreten, so erhält er für jeden vollen Monat der Dienstzeit (bezogen auf den 31.12. des laufenden Jahres) 1/24 des Monatsgehaltes. Der Anspruch auf Urlaubsgeld entsteht jedoch nicht, wenn das Arbeitsverhältnis in der Probezeit endet. Die Auszahlung des anteiligen Urlaubsgeldes erfolgt gleichzeitig mit der Auszahlung des 1. Monatsgehaltes nach Beendigung der Probezeit.
- Ein Anspruch auf Urlaubsgeld besteht nicht, wenn das Arbeitsverhältnis zum 30.06. des laufenden Jahres oder zu einem früheren Zeitpunkt gekündigt ist.”
Die Beklagte lehnt die Erfüllung des Tantiemeanspruchs im wesentlichen mit der Begründung ab, für das Jahr 1985 sei ein Tantiemeanspruch nicht entstanden, da ein Jahresüberschuß nicht erzielt worden sei. Die von ihr gleichwohl an ihre Mitarbeiter gewährte Sonderleistung beruhe auf anderer Rechtsgrundlage und habe unter anderem zur Voraussetzung gehabt, daß kein Mutterschaftsurlaub in Anspruch genommen werde.
Die Anspruchsvoraussetzungen für das Urlaubsgeld seien nicht erfüllt, da die Klägerin nicht seit dem 01.01.1986 ununterbrochen aktiv tätig gewesen sei und im Juni 1986 keinen Gehaltsanspruch gehabt habe.
Das Arbeitsgericht Mainz hat durch Urteil vom 19.01.1987 entsprechend dem Antrag der Klägerin die Beklagte verurteilt,
an die Klägerin DM 2.100,00 brutto nebst 4% Zinsen aus dem Nettolohn seit dem 16.07.1986 zu zahlen.
Dieses Urteil wurde der Beklagten am 16.03.1987 zugestellt. Mit am 08.05.1987 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat die Beklagte Berufung geg...