Entscheidungsstichwort (Thema)
Nachträgliche Klagezulassung. Verspätete Erhebung einer Kündigungsschutzklage
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Kündigungsschutzklage ist nach § 5 Abs. 1 KSchG nur nachträglich zugelassen, wenn den Arbeitnehmer keinerlei Verschulden an der Versäumung der Klagefrist trifft. Dabei gilt ein strenger Maßstab. Der Arbeitnehmer trägt die Darlegungs- und Beweislast für sein fehlendes Verschulden.
2. Beruft sich ein Arbeitnehmer auf ein arglistiges Abhalten von einer Klageerhebung seitens des Arbeitgebers, so hat er für eine nachträgliche Zulassung der Klage seine Kenntnis von der Klagefrist nach § 5 KSchG darzulegen und dass er durch den Arbeitgeber von deren Einhaltung abgebracht wurde.
Normenkette
KSchG § 5 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Koblenz (Beschluss vom 27.05.2003; Aktenzeichen 9 Ca 988/04) |
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Koblenz – Auswärtige Kammern Neuwied – vom 27.05.2003 9 Ca 988/04 wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
2. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 4.500,00 EUR festgesetzt.
Tatbestand
I.
Die Parteien streiten um die nachträgliche Zulassung einer Kündigungsschutzklage.
Dem Kläger, der seit 02.10.1989 als Metallarbeiter mit einer Bruttovergütung von zuletzt 1.500,– EUR beschäftigt war, wurde mit am 12.03.2004 übergebenen Schreiben zum 16.04.2004 gekündigt. Unter dem 28.04.2004 erhob der Kläger gegen die Kündigung Kündigungsschutzklage, verbunden mit einer allgemeinen Feststellungsklage und einen durch eidesstattliche Versicherung vom 25.04.2004 (Bl. 17 – 19 d. A.) glaubhaft gemachten Antrag auf nachträgliche Zulassung der Kündigungsschutzklage.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens und die Anträge wird auf die Gründe I des angefochtenen Beschlusses des Arbeitsgerichts Koblenz – Auswärtige Kammern Neuwied – vom 27.05.2004 zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat im angegriffenen Beschluss zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen des § 5 Abs. 1 KSchG könnten vorliegend nicht als gegeben angesehen werden. Die bloße Unkenntnis der 3-Wochen-Frist zur Klageerhebung entschuldige im Allgemeinen nicht. Verfüge der Arbeitnehmer nicht über die erforderlichen Kenntnisse der Grundzüge des Kündigungsschutzrechts, so müsse er sich diese Kenntnisse alsbald nach Zugang der Kündigungserklärung bei einer zuverlässigen Stelle verschaffen. Als eine solche sei der Betriebsrat eines Unternehmens nicht anzusehen. Diese sei keine geeignete Stelle zur Rechtsauskunft in individual-rechtlichen Streitigkeiten. Die Rechtsberatung in Kündigungsschutzfragen sei vielmehr ureigenste Aufgabe der hierzu berufenen Rechtspflegeorgane, insbesondere der zur Rechtsberatung niedergelassenen Rechtsanwälte. Soweit der Kläger ergänzend auf Ausführungen des Personalleiters der Beklagten abstelle, sei dieser generell keine zuständige Stelle i. S. des § 5 KSchG, da er „im Lager” des Arbeitgebers stünde und für diesen grundsätzlich keine Verpflichtung zur Aufklärung des Arbeitnehmers über dessen Klagemöglichkeit bzw. eventuelle Erfolgsaussichten der Klage begründet sei. Gegen den am 16.06.2004 zugestellten Beschluss richtet sich die am 29.06.2004 eingelegte sofortige Beschwerde des Klägers.
Zur Begründung wird im Wesentlichen ausgeführt,
in der Rechtsprechung sei anerkannt, dass eine falsche Auskunft und fehlerhafte Hinweise, sei es eine fehlerhafte Information über die Klagefrist oder ein Unterlassen, überhaupt auf die Klagefrist hinzuweisen oder eine unzutreffende Beurteilung der Erfolgsaussichten zu einer nachträglichen Zulassung der Kündigungsschutzklage führten, wenn die Auskunft von einer zuverlässigen Stelle erteilt worden sei. Ob ein Betriebsrat als eine zur Auskunftserteilung berufene und geeignete Stelle anzusehen sei, würde in der Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beurteilt. Nach den im Gemeinschaftskommentar zum Kündigungsschutzrecht und sonstigen Kündigungsschutzrechtlichen Vorschriften von Friedrich dargestellten Auffassungen sei auf den jeweiligen Einzelfall abzustellen, wobei in den Situationen, in denen sich der Arbeitnehmer ratsuchend an den Betriebsrat gewandt und eine Falschauskunft erhalten habe, in aller Regel die nachträgliche Zulassung gerechtfertigt sein dürfte, wenn die Klagefrist aufgrund der falschen Auskunft des Betriebsrats versäumt worden sei. Soweit das Arbeitsgericht darauf hinweise, dass der Betriebsrat im Hinblick auf individualrechtliche Ansprüche nur sehr eingeschränkte gesetzliche Möglichkeiten habe, könne dem nicht gefolgt werden. § 102 BetrVG gewähre dem Betriebsrat bei der Kündigung von Mitarbeitern umfangreiche Rechte. Auch durch die Neufassung des Kündigungsschutzgesetzes sei in verstärktem Maße zum Ausdruck gebracht worden, dass der Betriebsrat auch im Rahmen individualrechtlicher, insbesondere kündigungsrechtlicher Auseinandersetzungen maßgeblich sei. Durch die Möglichkeit des § 1 Abs. 5 KSchG bei Kündigungen aufgrund einer Betriebsänderung nach §...