Entscheidungsstichwort (Thema)

Betrieb i.S.d. KSchG. soziale Auswahl

 

Leitsatz (amtlich)

1.) Betriebsteile, die wegen ihrer räumlich weiten Entfernung vom Hauptbetrieb gem. § 4 S. 1 Nr. 1 BetrVG als selbstständige Betriebe gelten und für die ein eigener Betriebsrat besteht, bilden i.S.d. KSchG einen einheitlichen Betrieb mit dem Hauptbetrieb, wenn dort sämtliche Leitungsbefugnisse in personeller und sozialer Hinsicht liegen. In diesem Fall ist die Sozialauswahl auf die AN beider Betriebsstätten zu erstrecken.

2.) Zur Reichweite einer Versetzungsklausel.

 

Normenkette

KSchG § 1

 

Verfahrensgang

ArbG Stendal (Entscheidung vom 28.04.1999; Aktenzeichen 7 Ca 3313/98)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des ArbG Stendal vom 28.04.1999 – 7 Ca 3313/98 – abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen betriebsbedingten Kündigung und die Verpflichtung zur Weiterbeschäftigung bis zur rechtskräftigen Entscheidung des Rechtsstreits.

Die Beklagte betreibt ein Bewachungsunternehmen und unterhält eine Niederlassung in …. Außerdem führt sie u. a. in dem 80 km entfernt gelegenen Objekt Asylbewerberheim … die Bewachung durch. Die personelle und organisatorische Leitung für beide Standorte hat ihren Sitz in der Niederlassung … An beiden Standorten sind jeweils Betriebsräte errichtet worden.

Der Kläger war seit dem 01.07.1992 aufgrund des schriftlichen Arbeitsvertrages vom 29.06.1992 (Bl. 5 – 5 R.d.A.) als „Separat-Wachmann im Objekt Asylbewerberheim …” bei der Beklagten beschäftigt. In Ziffer 1 Satz 2 des Arbeitsvertrages heißt es:

„Versetzungen in ein anderes Objekt oder auf einen anderen Dienstposten richten sich im Rahmen des zumutbaren nach den betrieblichen Erfordernissen.”

Mit Wirkung zum 31.12.1998 wurde der Bewachungsvertrag für das Objekt Asylbewerberheim … gegenüber der Beklagten gekündigt. Diese entschloss sich zur Kündigung der in … beschäftigten Arbeitnehmer. Der hierzu angehörte Betriebsrat widersprach mit Schreiben vom 13.11.1998. Mit Schreiben vom 16.11.1998, dem Kläger am 17.11.1998 zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31.12.1998. Mit seiner am 04.12.1998 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger insbesondere geltend gemacht, dass die Beklagte über den Standort … hinaus eine soziale Auswahl auch unter den Arbeitnehmern am Standort … hätte durchführen müssen.

Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 28.04.1999, auf dessen Tatbestand und Entscheidungsgründe Bezug genommen wird, antragsgemäß

  1. festgestellt, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien vom 29.06.1992 nicht durch die ordentliche Kündigung vom 16.11.1998 – zugegangen am 17.11.1998 – aufgelöst worden ist;
  2. die Beklagte verurteilt, den Kläger zu den im Arbeitsvertrag vom 29.06.1992 und durch Vereinbarung vom 05.06.1997 ergänzenden und geregelten Arbeitsbedingungen als Separat-Wachmann bis zu einer rechtskräftigen Entscheidung über den Feststellungsantrag weiterzubeschäftigen.

Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, dass das Objekt in … keinen eigenständigen Betrieb darstelle und sich die Sozialauswahl zumindest auf die in Magdeburg beschäftigten und mit dem Kläger vergleichbaren Arbeitnehmer hätte beziehen müssen.

Gegen das ihr am 03.05.1999 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit einem am 03.06.1999 beim Landesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz Berufung eingelegt und diese – nach Verlängerung der Frist bis zum 05.08.1999 – am 27.07.1999 begründet. Sie macht insbesondere geltend, dass ungeachtet der Frage, ob die Standorte … und … als einheitlicher Betrieb anzusehen seien, eine übergreifende soziale Auswahl der zu kündigenden Arbeitnehmer bereits deshalb ausscheide, weil der Kläger mit den in … beschäftigten Wachleuten nicht vergleichbar sei. Die arbeitsvertragliche Versetzungsklausel ermögliche es der Beklagten nicht, den Kläger dauerhaft an den Standort … zu versetzen. Denn von seinem Wohnort … im Norden Sachsen-Anhalts benötige der Kläger bis zur Niederlassung … mit öffentlichen Verkehrsmitteln mindestens 2 Stunden für eine Fahrtstrecke. Mit dem Pkw sei die Strecke nicht unter 1,5 Stunden zu schaffen. Die dauerhafte Versetzung nach … sei daher nicht zumutbar. Wegen des weiteren Berufungsvorbringens der Beklagten wird auf ihren Schriftsatz vom 26.07.1999 nebst Anlagen Bezug genommen. Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Arbeitsgerichts Stendal vom 28.04.1999 – 7 Ca 3313/98 – aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält an der Auffassung des Arbeitsgerichts fest, dass er mit den Wachleuten in … vergleichbar sei. Die Frage der Zumutbarkeit einer Versetzung müsse aus seiner persönlichen Sicht beurteilt werden. In diesem Zusammenhang sei auch zu berücksichtigen, dass er in der Vergangenheit zeitweilig an etwa gleich weit entfernten Standorten eingesetzt worden ist. Wegen des weiteren Berufungsvorbringens des Klägers wird auf den Schriftsatz vom 31.08.1999 ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge