Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebliche Übung durch wiederholte Vergütungsanpassungen an entsprechende Tarifsteigerungen des TVöD ohne Vorbehalt und ohne Bezugnahme auf einen Haustarifvertrag

 

Leitsatz (redaktionell)

Gibt die Arbeitgeberin nach Abschluss eines Haustarifvertrages in einem Zeitraum von rund sechs Jahren acht Tariflohnerhöhungen gemäß den Entgelttabellen des TVöD jeweils pünktlich an die Beschäftigten ihres Klinikums weiter, entsteht eine entsprechende Anpassungspraxis aufgrund betrieblicher Übung; acht Vergütungsanpassungen in sechs Jahren ohne jeden Vorbehalt und ohne jedwede Bezugnahme auf den Haustarifvertrag zeugen von einer eindeutig gelebten und geübten Vertragspraxis und stellen hinreichende Anhaltspunkte dafür dar, dass die Arbeitgeberin die Tariflohnerhöhungen des TVöD dauerhaft übernehmen will.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 151, 157, 242, 611a

 

Verfahrensgang

ArbG Magdeburg (Entscheidung vom 08.12.2015; Aktenzeichen 1 Ca 471/15 HBS)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 19.02.2020; Aktenzeichen 5 AZR 185/18)

 

Tenor

1. Die ohne Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässige Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 08.12.2015 - 1 Ca 471/15 HBS - wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten im Wesentlichen darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, an die klagende Partei trotz des bestehenden Haustarifvertrages nach wie vor dynamisch Entgelterhöhungen gemäß den Entgelttabellen des TVöD weiterzugeben.

Wegen des erstinstanzlichen Vorbringens und der erstinstanzlichen Anträge der Parteien wird auf den Tatbestand des Urteils des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 08. Dezember 2015 - 1 Ca 471/15 HBS - auf den Seiten 2 bis 8 Bezug genommen.

Das Arbeitsgericht Magdeburg hat der Klage durch sein vorgenanntes Urteil vom 08. Dezember 2015 stattgegeben. Wegen des Tenors und der Gründe der vorgenannten Entscheidung des Arbeitsgerichts Magdeburg vom 08. Dezember 2015 wird auf dessen Seiten 1 bis 2 und auf dessen Seiten 9 bis 16 verwiesen.

Das vollständig abgefasste und mit Rechtsmittelbelehrung versehene vorgenannte Urteil des Arbeitsgerichts Magdeburg wurde der Beklagten am 19.12.2015 zugestellt. Deren Berufungsschrift ist am 22.12.2015 und deren Berufungsbegründung - nach Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist bis zum 21.03.2016 - am 18.03.2016 beim Landesarbeitsgericht Sachsen-Anhalt eingegangen.

Wegen des zweitinstanzlichen Vorbringens der Beklagten wird auf deren Berufungsbegründung vom 18. März 2016 nebst Anlagen Bezug genommen.

Hinsichtlich der von den Parteien in der Berufungsverhandlung am 23. Oktober 2017 gestellten Anträge wird auf die Seite 2 des diesbezüglichen Protokolls (Bl. 209 ff. d. A.) verwiesen.

Bezüglich des zweitinstanzlichen Vorbringens der klagenden Partei wird auf deren Berufungserwiderung vom 06. Mai 2016 Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die statthafte, nach dem Wert des Beschwerdegegenstandes zulässige, form- und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung der Beklagten ist ohne Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zulässig. Auf den Beschluss vom 09. März 2016 (Bl. 159 d. A.) wird Bezug genommen.

II.

Die Berufung der Beklagten gegen das oben im Tenor näher bezeichnete Urteil des Arbeitsgerichts vom 08.12.2015 ist jedoch unbegründet und war demgemäß kostenpflichtig zurückzuweisen. Die Klage ist begründet. Auch unter Berücksichtigung des zweitinstanzlichen Vorbringens der Parteien beruht diese Entscheidung kurz zusammengefasst in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht auf folgenden Erwägungen:

1.

Unter Beteiligung von A-Kliniken im Lande Sachsen-Anhalt ist es in letzter Zeit bereits zu Entscheidungen des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt gekommen, bei denen es um verschiedene Tarifwerke, deren Geltung und deren jeweilige Auslegung ging, nämlich u.a. die Urteile des Landesarbeitsgerichts Sachsen-Anhalt

- vom 17. Mai 2016 - 6 Sa 66/15

- vom 17. Januar 2017 - 3 Sa 270/14

- vom 14. August 2017 - 6 Sa 216/15 und

- vom 14. August 2017 - 6 Sa 221/15.

Im vorliegenden Streitfall geht es aufgrund streitiger Auslegung des Haustarifvertrages um die Frage, ob eine dynamische Erhöhung der Vergütung vorzunehmen ist.

Die klagende Partei ist beschäftigt im früheren "St.-Krankenhauses H", danach im "A Klinikum St. H" und nunmehr bei der beklagten "A Klinikum H GmbH".

2.

Die klagende Partei ist seit dem 22. März 1983 gemäß Arbeitsvertrag vom 28. März 1983 bei den jeweiligen Rechtsvorgängern der Beklagten A Klinikum H GmbH beschäftigt gewesen, auf die dieses Arbeitsverhältnis jedenfalls zuletzt übergegangen ist.

a)

In der Lohn-/Gehaltsabrechnung für den Monat Mai 2014 heißt es u. a.:

Bezeichnung

Lohnart

SSZA

TVVR

Sonderzahlung

1002

LLJB

Entgelt TVÖD

1006

LLJB

Gesamtbruttobetrag

Auf den Haustarifvertrag vom 31. Januar 2006 wird in dieser Lohn-/Gehaltsabrechnung nicht erkennbar Bezug genommen.

b)

Nach Abschluss dieses Haustarifvertrages am 31. Januar 2006 hat die Beklagte unstreitig über einen Ze...

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