Entscheidungsstichwort (Thema)
Zwangsvollstreckung. Weiterbeschäftigung. Schwangere. Beschäftigungsverbot. Verzicht auf das Beschäftigungsverbot. Durchsetzung des Weiterbeschäftigungsanspruchs. Erledigung. Kosten. Verzicht auf Beschäftigungsverbot vor der Entbindung ist für den Arbeitgeber bindend
Leitsatz (amtlich)
Verzichtet eine schwangere Arbeitnehmerin gegenüber dem Arbeitgeber auf das Beschäftigungsverbot vor der Entbindung, § 3 Abs. 2 MuSchG, so kann der Arbeitgeber sich nicht ohne Weiteres darauf berufen, er könne sie aus Fürsorgegesichtspunkten nicht beschäftigen. Das Beschäftigungsverbot vor der Entbindung dient dem Schutz der werdenden Mutter, nicht des Arbeitgebers. Es fällt in die Entscheidung der Arbeitnehmerin, ob sie auf das Beschäftigungsverbot verzichten will.
Normenkette
MuSchG § 3 Abs. 2; BGB § 611; ZPO §§ 888, 97
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Beschluss vom 29.07.2005; Aktenzeichen 1 Ca 3602/04) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Lübeck vom 29.7.2005 – 1 Ca 3602/04 – aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden der Beklagten auferlegt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
I.
Mit der Beschwerde hatte sich die Beklagte gegen einen Zwangsgeldbeschluss des Arbeitsgerichts gewandt, der der Durchsetzung des ausgeurteilten vorläufigen Weiterbeschäftigungsanspruchs diente.
Die Klägerin war bei der Beklagten seit dem 8.6.1994 als Sachbearbeiterin für die Konzertorganisation beschäftigt. Die Beklagte sprach mit Schreiben vom 28.9.2004 eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31.1.2005 aus und bot gleichzeitig den Abschluss eines jeweils für die Zeit vom 16.1. bis 15.10. eines jeden Jahres befristeten Arbeitsvertrages an. Dieses Angebot nahm die Klägerin unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung an. Am 22.3.2005 teilte die Klägerin der Beklagten mit, dass sie schwanger sei. Sie hat am 31.8.2005, 2 Wochen vor dem errechneten Entbindungstag, entbunden.
Mit dem inzwischen rechtskräftigen Schluss-Urteil des Arbeitsgerichts vom 7.7.2005 ist festgestellt worden, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen im Zusammenhang mit der Änderungskündigung unwirksam ist. Zugleich hat das Arbeitsgericht die Beklagte verurteilt, die Klägerin bis zum rechtskräftigen Abschluss des Kündigungsschutzprozesses als Sachbearbeiterin weiterzubeschäftigen. Aus diesem Ausspruch hat die Klägerin, die gegenüber der Beklagten auf die Inanspruchnahme des am 1.8.2005 beginnenden Beschäftigungsverbots vor der Entbindung verzichtet hat (Bl. 203 d.A.), die Vollstreckung betrieben. Die Beklagte hat eine Beschäftigung mit Schreiben vom 3.8.2005 abgelehnt. Das Arbeitsgericht hat mit Beschluss vom 29.7.2005 gegen die Beklagte ein Zwangsgeld in Höhe von 1.200 EUR festgesetzt. Hiergegen richtet sich die Beschwerde, der das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.
Die Beklagte trägt vor, es könne von ihr nicht verlangt werden, dass sie die Klägerin während der Mutterschutzfrist beschäftige. Die Klägerin sei Ansprechpartnerin für 10 Künstlerbetreuer, die sie von verschiedenen Orten im Festival bei akuten Problemen, z.B. Verschiebung von Anreisezeiten, kontaktieren müssten. Die Tätigkeit der Klägerin sei dadurch gekennzeichnet, dass kurzfristig und schnell auf plötzliche Ereignisse reagiert werden müsse. Bei permanent anfallenden hektischen Situationen sei umsichtiges und planvolles Vorgehen über eine längere Arbeitszeit als bei vergleichbaren Mitarbeitern erforderlich. Voraussetzung sei eine robuste gesundheitliche Verfassung in diesen besonderen hektischen Phasen des Festivals. Die Erklärung der Klägerin, auf den Mutterschutz verzichten zu wollen, könne sie, die Beklagte, nicht zur Beschäftigung verpflichten. Dem stehe der allgemeine Fürsorgegesichtspunkt entgegen. Eine Schwangere könne nicht knapp 5 Wochen vor der vermuteten Niederkunft in weit über das Übliche hinausgehenden Beschäftigungszeiten eingesetzt werden. Dem stehe der Schutz des ungeborenen Lebens und der werdenden Mutter entgegen.
Die Klägerin trägt vor, sie habe wirksam auf ihren Mutterschutz vor der Entbindung verzichtet. Damit könne die Beklagte sich nicht auf § 3 Abs. 2 MuSchG berufen. Auf ihre Fürsorgepflicht könne die Beklagte sich in diesem Zusammenhang nicht berufen. Hieraus folge lediglich, dass die Beklagte Vorkehrungen treffen müsse, um eine übermäßige Belastung der werdenden Mutter zu verhindern. Die Beklagte sei nicht nur gegenüber Schwangeren verpflichtet, die Arbeitszeitgrenzen einzuhalten. Die Arbeit sei nicht körperlich anstrengend. Der Beklagten sei die Weiterbeschäftigung auch nicht unzumutbar. Es sei nicht dargelegt, dass sie, die Klägerin, nur noch eine geringe Arbeitsleistung erbringen könne oder im Betrieb Arbeitsmangel herrsche.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Akten, insbesondere die wechselseitigen Schriftsätze mit Anlagen, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II.
Die zulässige Beschwerde hat nicht Erfolg.
Zwar ist inzwischen Erledigung der Zwangsvollstreckung eingetreten. Damit ist der...