Entscheidungsstichwort (Thema)
Bereitschaft eines Rechtsanwalts zur Prozessvertretung im Rahmen der Beiordnung im Prozesskostenhilfeverfahren. Rückgriff auf allgemeine Vorschriften bei gelegentlichen Störungen bei der Nutzung des besonderen elektronischen Anwaltspostfachs
Leitsatz (amtlich)
1. Ein Rechtsanwalt ist seit Inkrafttreten des § 46 g ArbGG zum 1.1.2020 in Schleswig-Holstein nicht zur Vertretung bereit im Sinne des § 121 Abs. 2 ZPO, wenn seine Beiordnung im Rahmen der Prozesskostenhilfe sich auf die Fertigung von Schriftsätzen und die Vertretung der Partei in der mündlichen Verhandlung beschränken soll, er aber insbesondere nicht bereit ist, Schriftsätze auf elektronischem Weg einzureichen und in Empfang zu nehmen und ein elektronisches Empfangsbekenntnis abzugeben.
2. Gelegentliche Störungen bei der Nutzung des beA sind vom Gesetzgeber gesehen worden. Ihnen ist durch die Regelung in § 46 S. 3 ArbGG ausreichend Rechnung getragen worden
Normenkette
ArbGG § 46g S. 3; ZPO § 121 Abs. 2, § 172 Abs. 1 S. 1, § 174 Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Entscheidung vom 28.04.2020; Aktenzeichen 1 Ca 2508/19) |
ArbG Lübeck (Entscheidung vom 08.04.2020; Aktenzeichen 1 Ca 2508/19) |
Tenor
Die sofortigen Beschwerden des Klägers gegen die Beschlüsse des Arbeitsgerichts Lübeck vom 8.4.2020 und 28.4.2020 - 1 Ca 2508/19 - in der Form des teilweisen Abhilfebeschlusses vom 20.5.2020 werden auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
A. Der Kläger wendet sich gegen die Versagung der Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten im Rahmen der Prozesskostenhilfe.
Der Kläger hat - vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten - vor dem Arbeitsgericht am 02.12.2019 eine Kündigungsschutzklage erhoben. Beim Arbeitsgericht werden die Akten dieses Verfahrens ausschließlich elektronisch geführt. In der Klage hat der Prozessbevollmächtigte gebeten, die Korrespondenz mit ihm in Papierform zu führen, da "systembedingt mein beA-Anschluss derzeit auf Grund eines Systemfehlers noch nicht funktionsfähig ist". Gleichzeitig hat er für den Kläger einen Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter seiner Beiordnung gestellt.
Am 20.12.2019 hat der Kläger - wiederum vertreten durch seinen Prozessbevollmächtigten - seine Klage um einen Zahlungsantrag erweitert und hierfür ebenfalls Prozesskostenhilfe beantragt. Auch in diesem Schriftsatz bat er darum, die Korrespondenz ausschließlich in Papierform zu führen, da "systembedingt mein beA-Anschluss derzeit auf Grund eines Systemfehlers noch nicht funktionsfähig ist".
Zum 01.01.2020 ist in Schleswig-Holstein § 46 g ArbGG vorzeitig in Kraft gesetzt worden. Seitdem sind u.a. Rechtsanwälte verpflichtet, vorbereitende Schriftsätze und deren Anlagen sowie schriftlich einzureichende Anträge und Erklärungen als elektronisches Dokument zu übermitteln.
Mit Schreiben vom 09.01.2020 teilte der Kläger selbst mit, er fertige ab jetzt seine Schriftsätze selbst und führe die Korrespondenz mit dem Gericht. Demzufolge sollten Zustellungen an ihn erfolgen. Sein Prozessbevollmächtigter werde ihn aber weiterhin in Terminen zur mündlichen Verhandlung vertreten. Mit weiterem Scheiben vom 02.04.2020 teilte der Kläger auf Nachfrage des Gerichts mit, er werde weiter durch seinen Prozessbevollmächtigten vertreten, dieser fertige die Schriftsätze und vertrete ihn in der mündlichen Verhandlung. "Ausschließlich aufgrund der offensichtlich bestehenden Probleme beim Arbeitsgericht Lübeck bei elektronischer Übersendung von Schriftsätzen durch Rechtsanwälte, wie der Akteninhalt gezeigt hat durch den Beklagtenvertreter," wähle er für sich "den sicheren Übermittlungsweg ausschließlich deswegen per Briefpost durch mich an das Arbeitsgericht."
Mit Beschluss vom 08.04.2020 hat das Gericht dem Kläger Prozesskostenhilfe bewilligt und den Antrag auf Beiordnung seines Rechtsanwalts zurückgewiesen. Zur Begründung der Zurückweisung hat das Arbeitsgericht im Wesentlichen ausgeführt, die Beiordnung könne nur dann erfolgen, wenn der Rechtsanwalt, dessen Beiordnung begehrt werde, die ihn infolge der Beiordnung treffenden rechtlichen Verpflichtungen erfüllen könne. Hierzu gehöre etwa, die gemäß § 172 Abs. 1 ZPO i.V.m. § 174 Abs. 3 ZPO vorgesehene Zustellung elektronischer Dokumente an den Prozessbevollmächtigten zu ermöglichen oder formwirksame Erklärungen für seine Partei gegenüber dem Gericht abzugeben. Dies sei nach den eigenen Erklärungen des Klägers nicht der Fall, weil sein Prozessbevollmächtigter z.B. nicht in der Lage sei, ein elektronisches Empfangsbekenntnis abzugeben. "Offensichtlich bestehende Probleme beim Arbeitsgericht bei der Übermittlung elektronischer Schriftsätze" seien nicht bekannt und vom Kläger auch nicht näher konkretisiert worden. Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung des Arbeitsgerichts wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen. Mit Beschluss vom 28.04.2020 hat das Arbeitsgericht in gleicher Weise über einen im ersten Beschluss ersichtlich übersehenen Antrag auf Bewilligung von Pr...