Entscheidungsstichwort (Thema)

Weihnachtsgeld. Betriebliche Übung. Tarifvorbehalt. Vorrangtheorie. Mitbestimmungsrecht. Regelungssperre

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Eine unter Verstoß gegen § 77 Abs. 3 BetrVG geschlossene Betriebsvereinbarung ist rechtsunwirksam.

2. Ein Anspruch aus betrieblicher Übung setzt unter anderem voraus, dass für den fraglichen Anspruch keine andere Rechtsgrundlage besteht. Denn dann muss der Arbeitnehmer davon ausgehen, dass der Arbeitgeber lediglich den anderweit begründeten Anspruch erfüllen will.

 

Normenkette

MTV Ns § 9; ATG § 4; BetrVG § 77 Abs. 3 S. 1, § 87

 

Verfahrensgang

ArbG Elmshorn (Urteil vom 23.08.2007; Aktenzeichen 2 Ca 359 e/07)

 

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 23.08.2007 – 2 Ca. 359 e/07 – wird – zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits (beide Rechtszüge).

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um Zahlung anteiligen Weihnachtsgelds für das Jahr 2006.

Der Kläger arbeitet seit 1985 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Wachmann im Kernkraftwerk B…. Für das Arbeitsverhältnis war zuletzt der Arbeitsvertrag aus dem Jahr 2004 (Anlage K 1 = Bl. 4 ff d. A.) maßgeblich. Dort finden sich in Ziffer 5 unter der Überschrift „Anerkennung von Tarifverträgen” u. a. folgende Regelungen:

„Für das Objekt B. gilt folgende Regelung:

Die Höhe des Entgelts richtet sich nach dem jeweils gültigen Lohntarifvertrag für das Bewachungsgewerbe im Land N..

Es gilt der Manteltarifvertrag des Landes Schleswig-Holstein, soweit dies nicht durch Betriebsvereinbarung abweichend geregelt ist.”

Der Manteltarifvertrag für das Wach- und Sicherheitsgewerbe im Land Schleswig-Holstein ist seit dem Jahr 2001 allgemeinverbindlich.

Mit Änderungsvertrag vom 25.07.2005 (Anlage K 2 = Bl. 10 ff d. A.) vereinbarten die Parteien die Fortführung des Arbeitsverhältnisses ab dem 01.10.2006 in Form eines Altersteilzeitarbeitsverhältnisses. Die Arbeitsphase endet danach am 30.09.2009. Gemäߧ 4 Ziff. 1 des Altersteilzeitvertrags erhält der Kläger „für die Dauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses eine Vergütung nach Maßgabe des § 7 TV ATZ in seiner jeweils geltenden Fassung”. In § 7 dieses von der Beklagten mit der Gewerkschaft ver.di geschlossenen Rahmentarifvertrags über Altersteilzeit vom 20.06.2001 (Anlage K 5 = Bl. 33 ff d. A.) ist vorgesehen, dass der Beschäftigte für die Dauer des Altersteilzeitarbeitsverhältnisses eine der Hälfte der für ihn maßgeblichen Arbeitszeit entsprechende Teilzeitmonatsvergütung basierend auf dem tariflichen Monatslohn erhält sowie eine Aufstockungsleistung gemäß § 8 Ziff. 2. Für die Aufstockungsleistung ist das Vollzeitbruttoarbeitsentgelt gemäß § 8 Ziff. 3 maßgebend. Es errechnet sich aus dem im vergangenen Kalenderjahr erworbenen Bruttojahreslohn, dividiert durch 12 Monate.

Im Jahr 2005 erzielte der Kläger ein Gesamtjahresbrutto in Höhe von 36.247 EUR. Darin war Weihnachtsgeld in Höhe von 1.339,48 EUR brutto sowie Urlaubsgeld in Höhe von 382,70 EUR brutto enthalten.

Die Beklagte schloss mit dem Betriebsrat am 10.03.2006 eine Betriebsvereinbarung „Sonderzahlung für Urlaubs- und Weihnachtsgeld” (Anlage K 3 = Bl. 16 f d. A.). Diese Vereinbarung sieht in Ziff. 2 die Zahlung eines zusätzlichen Weihnachtsgeldes vor. Die Regelung entspricht inhaltlich § 9 des Manteltarifvertrages für das Wach- und Sicherheitsgewerbe in Niedersachen vom 10.10.2005 (MTV Ns). In der Vergangenheit hat die Beklagte diesen Tarifvertrag bzw. dessen Vorgänger auf den Kläger und dessen Kollegen angewandt, auch nachdem der MTV SH im Jahr 2001 für allgemeinverbindlich erklärt worden war. Weihnachtsgeld gemäß dem MTV Ns erhielt der Kläger seit Beginn seiner Tätigkeit für die Beklagte.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger Zahlung anteiligen Weihnachtsgeldes für die Zeit von Januar bis September 2006. Er hat gemeint, sein Anspruch ergebe sich aus der Betriebsvereinbarung vom 10.03.2006 sowie aus der betriebsüblichen Anwendung von § 9 MTV Ns. Der MTV Ns gehe als günstigere Regelung dem MTV SH vor.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger 906,28 EUR brutto zzgl. Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 01.12.2006 zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat eingewandt, im monatlichen Altersteilzeitentgelt sei das Weihnachtsgeld bereits (anteilig) enthalten. Bei der Ermittlung des Arbeitsentgelts müsse dies aber nach § 4 Altersteilzeitgesetz (ATG) unberücksichtigt bleiben.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und den Anspruch auf anteiliges Weihnachtsgeld aus der Betriebsvereinbarung vom 10.03.2006 hergeleitet. Diese Vereinbarung verstoße nicht gegen den Tarifvorrang gemäß § 77 Abs. 3 BetrVG. Es bestehe ein eingeschränktes Mitbestimmungsrecht, weil es um die Gewährung einer zum Teil freiwilligen Leistung gehe.

Gegen das ihr am 16.10.2007 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 14.11.2007 Berufung eingelegt und diese am letzten Tag d...

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