REVISION / ZUGELASSEN NEIN

 

Entscheidungsstichwort (Thema)

Streitgegenstand. Kündigungsschutzklage. Kündigungsgrund. Nachschieben von Kündigungsgründen. Darlegungslast. Beweislast. wichtiger Grund. Rechtfertigungsgründe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Streitgegenstand der Kündigungsschutzklage ist, ob das Arbeitsverhältnis durch eine bestimmte Kündigung zu einem bestimmten Termin aufgelöst worden ist. Der einzelne Kündigungsgrund ist damit nicht Streitgegenstand. Die Kündigung kann aus materiell-rechtlicher Sicht daher grundsätzlich auch nachträglich auf weitere Kündigungsgründe gestützt werden, auch, wenn dieser Kündigungsgrund Anlaß für eine weitere später ausgesprochene Kündigung war.

2. Die Beweislastregel des § 282 BGB gilt weder direkt noch mittelbar bei der Kündigung, denn im Vertragsrecht muß ein bestimmter Sachverhalt, der den objektiven Voraussetzungen für eine Vertragsverletzung entspricht, nicht zugleich ein rechts- bzw. vertragswidriges Verhalten indizieren.

 

Normenkette

BGB § 282

 

Verfahrensgang

ArbG Husum (Urteil vom 10.06.1987; Aktenzeichen 2 Ca 130/87)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Husum vom 10. Juni 1987 –2 Ca 130/87– wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.

 

Gründe

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer außerordentlichen Kündigung. Hinsichtlich des Tatbestandes wird gemäß § 543 ZPO auf das angefochtene Urteil nebst seinen Verweisungen und die im Berufungsrechtszuge gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.

Die Berufung ist zulässig. Sie ist dem Werte des Beschwerdegegenstandes nach statthaft sowie form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden.

Die Berufung konnte jedoch aus den überwiegend zutreffenden Gründen des angefochtenen Urteils keinen Erfolg haben. Insoweit bezieht sich die Berufungskammer gemäß § 543 ZPO auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils.

Die Angriffe der Berufung können im Ergebnis eine abweichende Beurteilung der Sach- und Rechtslage nicht rechtfertigen.

Die Behauptung der Klägerin, das Arbeitsgericht habe die Klage, gestützt auf einen Kündigungsgrund, der überhaupt nicht Gegenstand dieses Verfahrens gewesen sei, abgewiesen, ist unzutreffend.

Streitgegenstand der Klage ist nach der herrschenden Meinung, der die Kammer stets gefolgt ist und auch weiter folgt, ob das Arbeitsverhältnis durch eine bestimmte Kündigung zu einem bestimmten Termin aufgelöst worden ist (vgl. Stahlhacke, Kündigung und Kündigungsschutz am Arbeitsverhältnis, 4. Aufl. Rdnr. 582 auf S. 221). Der einzelne Kündigungsgrund ist damit nicht Streitgegenstand. Das ergibt sich auch daraus, daß die Wirksamkeit der Kündigung unabhängig davon ist, ob der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe für die Kündigung mitteilt oder nicht. Diese Grundsätze gelten auch für die außerordentliche Kündigung (vgl. BAG vom 15.12.1955 in AP Nr. 1 zu § 67 HGB). Zutreffend hat deshalb das Bundesarbeitsgericht festgestellt, daß aus § 1 KSchG nicht folge, daß die Kündigungsgründe dem Arbeitnehmer bei Ausspruch der Kündigung bereits mitgeteilt werden müßten (BAG vom 21.03.1959 in AP Nr. 55 zu § 1 KSchG). Diese Rechtslage hat sich für die außerordentliche Kündigung auch durch die Neufassung des § 626 Abs. 2 BGB nach dem ersten Arbeitsrechtsbereinigungsgesetz vom 14.08.1969 nicht geändert (vgl. Stahlhacke a.a.O. Rdnr. 52 auf S. 19). Zwar enthält das Gesetz jetzt im Falle der fristlosen Kündigung die Verpflichtung für den Kündigenden, dem anderen Teil auf Verlangen den Kündigungsgrund unverzüglich schriftlich mitzuteilen (§ 626 Abs. 2 BGB). Die Verletzung der Mitteilungspflicht führt aber ausschließlich zu Schadensersatz folgen, denn der Schaden kann in den Kosten liegen, den ein unnötiger Kündigungsprozeß verursacht hat (Hueck KSchG 10. Aufl. Rdnr. 158 zu § 1 KSchG).

Das Nachschieben von vor der Kündigung entstandenen Kündigungsgründe, die der Arbeitgeber zunächst zur Begründung der … Kündigung nicht angegeben hat, ist materiell-rechtlich zulässig, und zwar unabhängig davon, ob sie dem Kündigenden vor oder nach Ausspruch der Kündigung bekannt geworden sind. Da die Kündigungserklärung nicht die Angabe eines bestimmten Kündigungsgrundes erfordert und materiell-rechtlich mehrere Kündigungsgründe grundsätzlich nur ein Kündigungsrecht ergeben, kann die Kündigung aus materiell-rechtlicher Sicht grundsätzlich auch nachträglich auf weitere Kündigungsgründe gestützt werden (BAG Urteil v. 18.09.1986 –2 AZR 642/85–).

Es ist daher unerheblich, wenn die Beklagte in dem Kündigungsschreiben vom 17.02.1987 den entscheidungserheblichen Sachverhalt betreffend die Propyläenweltgeschichte nicht aufgeführt hat. Entscheidend ist vielmehr, daß die Beklagte im Rechtsstreit diesen Sachverhalt eingeführt hat und daß sich dieser Sachverhalt vor Ausspruch der Kündigung ereignet hat. Denn die Kündigung kann nur auf solche Tatsachen gestützt werden, die zur Zeit ihres Ausspruchs vorgelegen haben. Der Vorfall betreffend den Propyläenbildband/Propyläenweltgeschichte ist von der Beklagten rechtzeitig im ersten Rechtszug eingeführ...

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