Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankheitsbedingte Kündigung. Kleinbetrieb. Kündigungsschutzgesetz. Anwendbarkeit. Betriebliches Eingliederungsmanagement
Leitsatz (redaktionell)
1. Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen seine Verpflichtungen zum betrieblichen Eingliederungsmanagement nach § 84 Abs. 2 SGB IX führt regelmäßig nicht dazu, dass eine gleichwohl in einem Kleinstbetrieb nach § 23 Abs. 1 KSchG erklärte Kündigung sich als willkürlich erweist.
2. Für die Aussetzung eines Kündigungsschutzrechtstreits bis zum Abschluss des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens über die Zustimmung zur Kündigung seitens des Intergrationsamts, ist vor dem Hintergrund des arbeitsgerichtlichen Beschleunigungsgrundsatzes und der Möglichkeit der Restitutionsklage nach § 580 Nr. 7b ZPO regelmäßig kein Raum.
Normenkette
KSchG § 23; BGB §§ 138, 242; SGB IX § 84 Abs. 2; ZPO § 580 Nr. 7b
Verfahrensgang
ArbG Elmshorn (Urteil vom 27.04.2005; Aktenzeichen 4 Ca 1710 e/04) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Elmshorn vom 27. April 2005 – 4 Ca 1710 e/04 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um den Bestand ihres Arbeitsverhältnisses. Der 1949 geborene und verheiratete Kläger trat 1969 als Kraftfahrer in die Dienste der Beklagten ein. Er ist der Bruder des Inhabers der Beklagten. Der Kläger ist schwerbehindert mit einem GdB von 50. Die Beklagte beschäftigt neben dem Kläger die Mitarbeiter A. B., T. S. und F. R.. F. R. wurde in der Zeit vom 30. Juni 2003 bis 11. Juni 2003 als Aushilfe tätig und ist seit dem 18. August 2003 unbefristet beschäftigt. Zwischen den Parteien ist streitig, ob Frau K. B., Ehefrau des Inhabers der Beklagten, und Frau K. S., Lebensgefährtin des Sohnes des Inhabers der Beklagten, Arbeitnehmerinnen der Beklagten sind.
In einem zwischen dem Kläger und dem Inhaber der Beklagten abgeschlossenen Mietvertrag vom 19. April 1972 heißt es in § 2 Abs. 1c, das Mietverhältnis beginne am 1. Januar 1972 und ende mit Kündigung des Arbeitnehmers M. B. in der Firma A. B., Inhaber E.-A. B.. Die Parteien streiten darum, ob sich daraus ein vertraglicher Sonderkündigungsschutz bezogen auf das Arbeitsverhältnis ergibt.
Am 4. Juni 2003 rief der Kläger Herrn A. B. an und teilte diesem mit, er könne seine Beine nicht mehr bewegen, er habe keine Durchblutung mehr in den Beinen. Der Kläger befand sich zu diesem Zeitpunkt mit dem LKW auf dem Autobahn-Rastplatz … Dort wurde der Kläger von zwei Notärzten versorgt und noch am 4. Juni 2003 im Krankenhaus operiert. An diese Operation schloss ein dreieinhalbwöchiger Krankenhausaufenthalt an. Nach dessen Beendigung war der Kläger weiterhin arbeitsunfähig krank.
Am 9. Dezember 2003 beantragte die Beklagte beim Kreis … die Zustimmung zu der beabsichtigten Kündigung des Klägers. Das Integrationsamt bat den den Kläger behandelnden Hausarzt Dr. Ka. um eine ärztliche Aussage über die Einsetzbarkeit und die Dauer der Arbeitsunfähigkeit des Klägers. Am 26. Februar 2004 erteilte Herr Dr. Ka. die Auskunft, dass zurzeit eine Beurteilung der Erkrankung in ihrer prognostischen Bedeutung nicht erfolgen könne. Eine Begutachtung könne vorerst nicht abgegeben werden.
Vom 6. April 2004 bis 4. Mai 2004 absolvierte der Kläger eine Reha-Maßnahme in Malente. Im Entlassungsbericht heißt es unter dem Abschnitt Sozialmedizinische E-pikrise:
„Von Seiten der pAVK sehen wir z.Zt. keine Einschränkungen in der Berufsausübung als LKW-Fahrer, allerdings musste Herr B. bisher im Rahmen dieser Tätigkeit häufig auch schwer Heben und Tragen und Paletten ziehen.”
Nach Beendigung der Reha-Maßnahme war der Kläger weiterhin arbeitsunfähig krank. Der ihn behandelnde Arzt Dr. Ka. weigerte sich, ihn angesichts des bisherigen Krankheitsverlaufes und des bestehenden Risikos bezogen auf eine Tätigkeit als Kraftfahrer als arbeitsfähig anzusehen. Er vertrat die Auffassung, ein Facharzt müsse bestätigen, dass er seinen Beruf als Kraftfahrer wieder ausüben könne.
Das Integrationsamt schrieb die Beklagte unter dem 10. Juni 2004 unter Bezug auf deren Schreiben vom 25. März 2004 an und wies darauf hin, es habe seit geraumer Zeit versucht, eine Aussage des behandelnden Arztes über die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit bzw. Einsetzbarkeit des Klägers zu erhalten. Das Amt wies die Beklagte auf die Möglichkeit einer arbeitsmedizinischen Untersuchung des Klägers im Hinblick auf seine Tätigkeit als Berufskraftfahrer hin. Diese könne der Arbeitgeber veranlassen und erhalte dann eine Beurteilung der Einsetzbarkeit unter arbeitsmedizinischen Gesichtspunkten. Mit Schreiben vom 16. Juni 2004 bat die Beklagte die Straßenverkehrsgenossenschaft Schleswig-Holstein in N., eine arbeitsmedizinische Untersuchung zur Beurteilung des Klägers hinsichtlich der Einsetzbarkeit als Kraftfahrer zu veranlassen. Mit Schreiben vom 17. Juni 2004 an den Berufsgenossenschaftlichen Arbeitsmedizinischen Dienst (BAD) in … bat die Beklagte ebenfalls um Veranlassung einer arbeitsmedizinischen Untersuchu...