Entscheidungsstichwort (Thema)

Änderungskündigung. Auslegung. Bestimmtheit. betriebsbedingt. Entgeltabsenkung. Sanierungskonzept. Einzelsanierungsbeitrag. dringend erforderlich. Beurteilungszeitpunkt. Gewicht des Einzelsanierungsbeitrags

 

Leitsatz (amtlich)

1.) Bei der Bewertung einer betriebsbedingten Änderungskündigung zur Entgeltabsenkung ist maßgeblich darauf abzustellen, ob die Änderungskündigung der Umsetzung eines Sanierungskonzeptes dient und der jeweiligen Einzelsanierungsbeitrag des betroffenen Arbeitnehmers Bestandteil des Gesamtkonzeptes ist.

2.) Es kommt insoweit nicht darauf an, ob zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung gerade der Einzelbeitrag des gekündigten Arbeitnehmers geeignet ist, das Unternehmen zu sanieren.

3.) Ein Abstellen auf das Gewicht des – verbliebenen – Einzelsanierungsbeitrages stellt eine unzulässige Individualisierung des erforderlichen Gesamtsanierungskonzeptes dar.

 

Normenkette

BGB §§ 623, 145, 133, 157; KSchG § 1 Abs. 2 S. 1, § 2

 

Verfahrensgang

ArbG Kiel (Urteil vom 28.06.2006; Aktenzeichen öD 4 Ca 65d/06)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 28.06.2006 – ÖD 4 Ca 65 d/06 – abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtstreits erster und zweiter Instanz trägt die Klägerin.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Änderungskündigung zur Entgeltreduzierung.

Die Klägerin ist am … 1969 geboren und seit dem 01.03.1997 bei dem Beklagten als Ärztin im …-Krankenhaus M… tätig. Sie ist Mitglied des Marburger Bundes. Ausweislich des Arbeitsvertrages sind die …-Arbeitsbedingungen anwendbar. Die Klägerin erhielt durchschnittlich 4.100,00 EUR brutto monatlich.

Mit Schreiben vom 23.12.2005 erhielt die Klägerin eine Änderungskündigung, mit der das bestehende Arbeitsverhältnis zum 30.04.2006 aus betriebsbedingten Gründen durch den Bereichsleiter „DZ Personalwesen”, Herrn G., gekündigt wurde (Anlage K 2 – Bl. 6 d. A.). Zugleich wurde der Klägerin die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses zu den Bedingungen des Sanierungstarifvertrages vom 14.11.2005 unter ausdrücklicher Ausnahme der dort vorgesehenen Kürzung des Urlaubsgeldes für 2005 sowie der dort geregelten Streichung des Weihnachtsgeldes/Sonderzuwendung für das Jahr 2005 angeboten. Der Sanierungstarifvertrag war der Kündigung beigefügt. Die Klägerin nahm die Änderungskündigung mit Schreiben vom 09.01.2006 unter dem Vorbehalt der sozialen Rechtfertigung an.

Der Beklagte hatte mit Datum vom 14.11.2005 mit der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di den für den Zeitraum 01.11.2005 bis 31.03.2008 befristeten Sanierungstarifvertrag geschlossen. Er sieht u. a. für die Jahre 2006 und 2007 eine Streichung des Urlaubsgeldes sowie der jährlichen Sonderzuwendung und des so genannten AZV-Tages sowie eine unentgeltliche Mehrarbeit von maximal 145 Stunden vor. Der Sanierungstarifvertrag wurde vor folgendem Hintergrund geschlossen:

Die Jahresergebnisse des Beklagten wiesen für das Jahr 2002 Verluste in Höhe von 1,235 Millionen EUR, für das Jahr 2003 Verluste in Höhe von 4,209 Millionen EUR und für das Jahr 2004 Verluste in Höhe von 6,555 Millionen EUR aus. Daraufhin hatte der Beklagte bereits im September 2004 umfassende Umstrukturierungen eingeleitet (vergl. Bl. 45 – 46 d. A.), die zu Verbesserungen, aber noch nicht zur Erwirtschaftung eines positiven Ergebnisses führten. In der zweiten Jahreshälfte 2005 zeichnete sich ein Jahresfehlbetrag für 2005 von 2,338 Millionen EUR ab. Vor diesem Hintergrund ließ der Beklagte die gutachterliche Stellungnahme vom 29.09.2005 (Anlage B 3 – Bl. 41 – 57 d. A.) erarbeiten, deren Ergebnis die Erforderlichkeit der Senkung von Personalaufwendungen war. Auf Basis dieser gutachterlichen Stellungnahme trat der Beklagte mit der Gewerkschaft ver.di in Verhandlungen über einen Sanierungstarifvertrag und beschloss auf seiner Präsidiumssitzung vom 24.10.2005 ein „Konzept zur Sicherung des Bestandes des … Landesverband Schleswig-Holstein” (Anlage B 4 – Bl. 57 – 61 d. A.), der eine Berechnung der Ansparpotentiale beigefügt war (Bl. 60 R – 61 d. A.). Zur Umsetzung dieses Sanierungskonzeptes schloss der Beklagte sodann am 14.11.2005 den zeitlich befristeten Sanierungstarifvertrag, ohne Nachwirkung und bei gleichzeitiger Vereinbarung eines Ausschlusses des Ausspruchs betriebsbedingter Beendigungskündigungen, des Outsourcing, der Fremdvergabe und der Gründung neuer Gesellschaften (Anlage B5, Bl. 62 – 71 d.A.).

Sodann unterbreitete der Beklagte allen 447 bei ihm beschäftigten Arbeitnehmern inhaltlich gleiche Angebote zur Änderung der Arbeitsbedingungen auf Basis der in § 3 – 6 des Sanierungstarifvertrages im Einzelnen festgelegten Bedingungen. 439 Arbeitnehmer nahmen die Änderungen einvernehmlich an. 8 Arbeitnehmer weigerten sich, darunter im …-Krankenhaus M. die Klägerin. Gegenüber diesen sprach der Beklagte die streitbefangene Änderungskündigung aus, gegen die vier Arbeitnehmer Klage erhoben haben.

Vor Ausspruch der...

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