Entscheidungsstichwort (Thema)
Beanspruchung der Zahlung von arbeitsvertraglich vereinbarten Tantiemen. Schadenersatz wegen unterbliebener Zielvereinbarung bzgl. der Tantiemen
Leitsatz (redaktionell)
1. Es ist grundsätzlich davon auszugehen, dass ein Arbeitnehmer vereinbarte Ziele erreicht hätte, wenn nicht besondere Umstände diese Annahme ausschließen. 2. Gibt der Arbeitgeber Ziele vor, die nicht der Billigkeit nach dem § 315 Abs. 3 Satz 1 BGB entsprechen, so verletzt er seine vertraglichen Pflichten gegenüber dem Vertragspartner. Rechtsfolge ist aber nicht Schadensersatz wegen Unmöglichkeit, sondern allein gemäß § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB die gerichtliche Ersatzleistungsbestimmung.
Normenkette
BGB §§ 252, 280 Abs. 1, 3, § 283 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Entscheidung vom 24.01.2024; Aktenzeichen 5 Ca 1548/23) |
Tenor
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 24. Januar 2024 - 5 Ca 1548/23 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für das Kalenderjahr 2021 eine Tantieme iHv. EUR 21.500,00 brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Mai 2022 zu zahlen.
- Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger für das Kalenderjahr 2022 eine Tantieme iHv. EUR 25.500,00 brutto nebst Zinsen iHv. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Mai 2023 zu zahlen.
- Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
- Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
II. Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger begehrt von der Beklagten als Schadenersatz bzw. hilfsweise als gerichtliche Ersatzleistungsbestimmung iSv. § 315 Abs. 3 Satz 2 BGB die Zahlung von arbeitsvertraglich vereinbarten Tantiemen für die Kalenderjahre 2021 und 2022 über das von der Beklagten geleistete Maß hinaus.
Der Kläger war bei der beklagten Klinik seit dem 1. April 2015 zunächst als Oberarzt und ab dem 1. April 2018 als leitender Arzt der Klinik für Wirbelsäulenchirurgie tätig. Der ursprüngliche Arbeitsvertrag vom 19. Dezember 2014 lautet auszugsweise:
"§ 4 Vergütung
(1) Als Vergütung für seine Tätigkeit erhält der Arbeitnehmer ein Jahresfestgehalt in Höhe von xxx brutto. ...
(2) Weiterhin erhält der Arbeitnehmer eine ergebnisabhängige Tantieme gemäß gesonderter Vereinbarung. Die Tantieme beträgt im Jahr 2016 bei Erfüllung der Voraussetzungen 10.000,00 Euro brutto. Für das Jahr 2015 wird die Tantieme zeitanteilig für volle Beschäftigungsmonate gewährt.
...
§ 12 Ausschlussfrist für Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis
(1) Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis müssen innerhalb einer Ausschlussfrist von drei Monaten ab Fälligkeit des Anspruches schriftlich geltend gemacht werden. Ansprüche, die nicht innerhalb dieser Frist geltend gemacht worden sind, verfallen.
..."
Unter dem 5./31. Juli 2018 schlossen die Parteien eine Ergänzungsvereinbarung zum Arbeitsvertrag vom 19. Dezember 2014 mit folgendem auszugsweisen Wortlaut:
1. Ernennung zum leitenden Arzt, Zuordnung, Vergütung und Rufbereitschaftsdienste
1) Der Arbeitnehmer wird ab dem 01.04.2018 zum leitenden Arzt der Klinik für Wirbelsäulenchirurgie ernannt.
2) Als leitender Arzt ist der Arbeitnehmer weiterhin den Chefärzten der Klinik für Wirbelsäulenchirurgie fachlich und disziplinarisch unterstellt. ...
3) Der Arbeitnehmer erhält für seine Tätigkeit im dienstlichen Aufgabenbereich ab dem 01.04.2018 ein jährliches Festgehalt von EUR XXX ...
2. Tantiemevereinbarung
1) Der Arbeitnehmer erhält als Entlohnung geleisteter Dienste und als Anreiz für künftige Betriebstreue neben seinem monatlichen festen Bezügen ferner eine erfolgsabhängige, nicht zusatzversorgungspflichtige Tantieme. Der Zielwert für die Tantieme beträgt ab dem 01.01.2018 30.000,00 Euro brutto jährlich. In Rumpfjahren berechnet sich der Zielwert zeitanteilig für volle Kalendermonate. Für Zeiträume in denen der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Entgelt hat (z.B. Ende Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall, Elternzeit, Ruhen des Arbeitsverhältnisses), vermindert sich die Tantieme anteilig um je ein Zwölftel für jeden vollen Kalendermonat. Für die folgenden Jahre gelten die in Anlage 1 festgelegten Kriterien (nachfolgend "Kriterien" genannt) maßgeblich. Diese Kriterien werden jährlich neu festgelegt und gelten immer als Anlage zu dieser Vereinbarung.
2) Die Tantieme ist für das abgelaufene Geschäftsjahr fällig, sobald nach dem Ende des Geschäftsjahres und nach Abschluss der Buchhaltung erkennbar ist, dass die Kriterien erreicht sind. Die Tantieme ist spätestens nach Prüfung des Jahresabschlusses durch die Wirtschaftsprüfer fällig. Im Eintrittsjahr erfolgt die Zahlung zeitanteilig. 3) Abrechnungszeitraum für die Tantieme nach Ziffer 2. dieser Vereinbarung ist das Kalenderjahr.
4) Die Kriterien für die Tantieme werden von den Parteien spätestens bis zum 01.03. eines Kalenderjahres für das Kalenderjahr bzw. bei abweichendem Geschäftsjahr bis zum Ablauf des ...