Entscheidungsstichwort (Thema)
Arzt im Praktikum, Vordienstzeiten. Stufenzuordnung. Ärztetarifvertrag
Leitsatz (redaktionell)
Die Zeit einer Tätigkeit als Arzt im Praktikum ist weder nach § 16 Abs. 2 S. 1 Hs 2 TV-Ärzte noch nach § 16 Abs. 2 S. 2 TV-Ärzte bei der Stufenzuordnung zu berücksichtigen.
Normenkette
TV-Ärzte § 16 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Urteil vom 22.07.2008; Aktenzeichen ö. D. 6 Ca 1792 b/08) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 22.07.2008 – ö. D. 6 Ca 1792 b/08 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten der Berufung.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Tätigkeitszeit des Klägers als Arzt im Praktikum (AiP) bei der Stufenzuordnung im Bereich des TV-Ärzte zu berücksichtigen ist.
Der am ….1975 geborene Kläger trat am 01.07.2003 als Arzt im Praktikum in die Dienste des beklagten Landes. Seiner Tätigkeit lag der bis zum 31.12.2004 befristete Ausbildungsvertrag vom 19.05.2003 (Anlage K 1 = Bl. 7 f. d. A.) zugrunde. Der Kläger wurde von dem seinerzeit noch rechtlich unselbständigen U. S.-H. (im Folgenden: U.) in der Klinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde eingesetzt. Ausweislich des ihm mit Datum vom 16.06.2008 erteilten Zeugnisses (Anlage K 2 = Bl. 9 f. d. A.) führte der Kläger prinzipiell die gleichen Tätigkeiten wie ein vollapprobierter Arzt durch; z.B. wurde er im HNO-ärztlichen Bereitschaftsdienst eingesetzt.
Nach Erlangung der Approbation beschäftigte das beklagte Land den Kläger ab dem 01.10.2004 auf der Grundlage aufeinanderfolgender befristeter Arbeitsverträge als Arzt im U.. Der letzte befristete Arbeitsvertrag datiert vom 24.01.2008 und betrifft den Zeitraum vom 01.10.2007 bis zum 30.06.2011 (vgl. Anlage K 5 = Bl. 14 f. d.A.).
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft einzelvertraglicher Bezugnahme der Tarifvertrag für Ärztinnen und Ärzte an Universitätskliniken (TV-Ärzte) Anwendung, und zwar wegen des bis zum 31.12.2007 geltenden Tarifvertrages für das U. S.-H. vom 20.10.2004 (Beschäftigungspakt) ab 01.01.2008.
Mit Schreiben vom 22.01.2008 (Anlage K 6 = Bl. 16 d. A.) teilte das U. dem Kläger mit, das Arbeitsverhältnis sei auf Grundlage des TVÜ-Ärzte auf den TV-Ärzte überzuleiten. Er sei infolgedessen ab dem 01.01.2008 in die Entgeltgruppe Ä 1/Stufe 4 des TV-Ärzte eingruppiert. Der Kläger machte am 18.03.2008 mündlich geltend, dass seine als Arzt im Praktikum abgeleistete Zeit bei der Eingruppierung zu berücksichtigen sei und beanspruchte Vergütung nach Stufe 5 der Entgeltgruppe für Assistenzärzte. Das lehnte das U. mit Schreiben vom 18.03.2008 (Anlage K 7 = Bl. 17 d. A.) ab.
Am 26.06.2008 hat der Kläger vor dem Arbeitsgericht Eingruppierungsfeststellungsklage erhoben. Er hat die Auffassung vertreten, dass er aufgrund seiner vorangegangenen Tätigkeit als Arzt im Praktikum bereits ab dem 01.01.2008 Anspruch auf Vergütung nach der EntgGr. Ä 1, Stufe 5 TV-Ärzte/TdL habe.
Wegen des weiteren Sach- und Streitstands erster Instanz und der dort gestellten Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils verwiesen, § 69 Abs. 2 ArbGG.
Das Arbeitsgericht hat die Klage mit Urteil vom 22.07.2008 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, eine frühere Tätigkeit als Arzt im Praktikum sei keine für die Stufenzuordnung anrechenbare ärztliche Tätigkeit i. S. v. § 16 Abs. 2 S. 1 TV-Ärzte. Das ergebe eine Auslegung der Norm. Eine Anrechnung der AiP-Zeiten nach § 16 Abs. 2 S. 2 TV-Ärzte komme gleichfalls nicht in Betracht. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen.
Der Kläger hat gegen das ihm am 10.09.2008 zugestellte Urteil am 06.10.2008 Berufung eingelegt und diese am 10.11.2008 begründet.
Der Kläger behauptet, er habe im Rahmen seiner AiP-Tätigkeit hinsichtlich der ihm überantworteten Patienten die komplette ambulante bzw. stationäre Versorgung übernommen. Er habe eigenständig Akutversorgungen im Aufwachraum durchgeführt und Entlassungsbriefe geschrieben. Von Beginn an habe er kleinere Eingriffe unter fachärztlicher Leitung und wenige Wochen später selbständig durchgeführt. Der Kläger behauptet, dass er als Arzt im Praktikum eigenverantwortlich und selbstständig ärztliche Tätigkeit verrichtet habe, die der eines vollapprobierten (Assistenz-) Arztes gleichzustellen sei. Diese Zeit sei als Vorzeit ärztlicher Tätigkeit mit einschlägiger Berufserfahrung nach § 16 Abs. 2 S. 1 TV-Ärzte bei der Stufenzuordnung zu berücksichtigen.
Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts sei auch ein Arzt im Praktikum ein Arzt im Sinne des Medizinalrechts. Nach § 2 a BÄO dürfe die Berufsbezeichnung „Arzt/Ärztin” nicht nur derjenige führen, dem eine Approbation erteilt worden sei, sondern auch eine Person, die nach § 2 Abs. 2, 3 oder 4 BÄO zur Ausübung des ärztlichen Berufes befugt sei. Nach § 35 der bis zum 30.09.2004 geltenden Approbationsordnung habe der Arzt im Praktikum ärztliche Tätigkeiten aufgrund einer Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung des ärzt...