Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialplanabfindung. Stichtagsregelung. Aufhebungsvertrag. Nachbesserungsklausel. Vertragsauslegung. Sozialplanleistungen aufgrund einer Nachbesserungsklausel
Leitsatz (amtlich)
1. Schließen die Arbeitsvertragsparteien im Hinblick auf eine geplante Betriebsänderung einen Aufhebungsvertrag unter Zahlung einer Abfindung und vereinbaren sie, dass der Arbeitnehmer Leistungen aus einem noch abzuschließenden Sozialplan bekommen solle, falls dieser günstiger sei, so hat eine solche Nachbesserungsklausel regelmäßig den Sinn, dem Arbeitnehmer einen Anspruch auf Sozialplanleistungen gerade für den Fall einzuräumen, dass der Arbeitnehmer vom zeitlichen Geltungsbereich des Sozialplans wegen seines frühzeitigen Ausscheidens nicht mehr erfasst wird (BAG Urt. v. 06.08.1997 – 10 AZR 66/97 –).
2. Schließen die Parteien indessen zur Beendigung eines Kündigungsschutzprozesses einen Aufhebungsvergleich unter Zahlung einer Abfindung und vereinbaren zugleich, dass für den Fall, dass noch vor dem Ausscheiden des Klägers ein Sozialplan in Kraft tritt, der von seinem zeitlichen und persönlichen Anwendungsbereich auch den Kläger erfasst, die einzelvertragliche Abfindung auf eine etwaige höhere Abfindung aus dem Sozialplan angerechnet wird, handelt es sich nicht um eine Nachbesserungsklausel, sondern um eine Anrechnungsklausel. Diese kommt nur zum Tragen, wenn der Arbeitnehmer unter den Geltungsbereich des künftigen Sozialplans fällt, d.h. einen betriebsverfassungsrechlichen Anspruch auf die Sozialplanabfindung erwirbt.
Normenkette
BetrVG § 75 Abs. 1; BGB §§ 133, 157
Verfahrensgang
ArbG Kiel (Urteil vom 25.02.2008; Aktenzeichen 2 Ca 2207 a/07) |
Tenor
1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Kiel vom 25.02.2008, Az.: 2 Ca 2207 a/07, wird zurückgewiesen.
2. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.
3. Die Revision wird nicht zugelassen.
Gegen dieses Urteil ist das Rechtsmittel der Revision nicht gegeben; im Übrigen wird auf § 72 a ArbGG verwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin aus einem Sozialplan eine weitere Abfindung in rechnerisch streitiger Höhe von 5.706,13 Euro zusteht.
Die 52-jährige Klägerin war vom 04.05.1991 bis zum 30.11.2007 als Mitarbeiterin im zentralen Schreibdienst beschäftigt. Die Höhe der der Klägerin zuletzt zustehenden Bruttomonatsvergütung ist unter anderem zwischen den Parteien streitig.
Mit Schreiben vom 14.05.2007 kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis aus dringenden betrieblichen Erfordernissen zum Ablauf des 30.11.2007. Die Klägerin erhob daraufhin Kündigungsschutzklage (ArbG Kiel: 2 Ca 1031 a/07). Auf Initiative der Klägerin führten die Parteien in jedem Verfahren außergerichtliche Vergleichsverhandlungen. Nach Anzeige durch die Parteien wurde durch Beschluss des Arbeitsgerichtes vom 22.08.2007 festgestellt,
„dass zwischen den Parteien gem. § 278 VI ZPO folgender Vergleich zustande gekommen ist:
- Die Parteien sind sich darüber einig, dass das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis aufgrund der ordentlichen, fristgerechten Kündigung der Beklagten vom 14. Mai 2007 zum 30. November 2007 aus dringenden betrieblichen Gründen seine Beendigung finden wird.
- Für den Verlust des Arbeitsplatzes erhält die Klägerin eine Abfindung in Höhe von 14.000,00 Euro brutto in entsprechender Anwendung der §§ 9, 10 KSchG. Die Abfindung ist entstanden mit Abschluss dieses Vergleiches und fällig mit Beendigung des Arbeitsverhältnisses.
- Sollte vor dem Ausscheiden der Klägerin aus dem Arbeitsverhältnis ein Sozialplan in Kraft treten, der von seinem zeitlichen und persönlichen Anwendungsbereich auch die Klägerin erfasst, wird die unter Ziffer 2. vereinbarte Abfindung auf eine etwaige höhere Abfindung aus dem Sozialplan angerechnet.
- Die Beklagte verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis bis zu seiner Beendigung ordnungsgemäß abzurechnen und die sich jeweils ergebenden Nettobeträge an die Klägerin auszuzahlen.
- Die Beklagte erteilt der Klägerin bei deren Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis ein Zeugnis, das sich auf Führung und Leistung erstreckt, entsprechend dem bereits erteilten Zwischenzeugnis.
- Mit der Erfüllung dieses Vergleichs ist der vorliegende Rechtsstreit erledigt.”
Am 09.10.2007 vereinbarten die Beklagte und deren Gesamtbetriebsrat „über den materiellen Ausgleich von Nachteilen aus personellen Maßnahmen infolge der zukünftigen Unternehmensentwicklung und strukturellen Anpassungen” einen Sozialplan (Bl. 15 ff. d. A.). In § 1 des Sozialplans ist der Geltungsbereich wie folgt festgelegt:
„Der Sozialplan gilt für alle Betriebsangehörigen der R. H. N. AG und der R. P. (R.) mit Ausnahme von Mitarbeitern, auf die zum Zeitpunkt einer Kündigung/Änderungskündigung/Versetzung das Kündigungsschutzgesetz keine Anwendung findet.
Der Sozialplan findet nur auf zukünftige arbeitsrechtliche Maßnahmen (Kündigungen, Änderungskündigungen, Versetzungen) Anwendung, die aufgrund betriebsbedingter Gründe erfolgen und bei Ausspruch der Kündigung Grundlage der Künd...