Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksame außerordentliche Kündigung eines Küchen- und Hauswirtschaftsleiters wegen Schlechtleistung
Leitsatz (amtlich)
1. Schlechtleistungen können, sofern sie nicht den Grad einer beharrlichen Arbeitsverweigerung angenommen haben, in aller Regel keinen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung des Arbeitnehmers darstellen.
2. Beruht die Vertragspflichtverletzung auf steuerbaren Verhalten des Arbeitnehmers, ist auch eine ordentliche Kündigung aus verhaltensbedingten Gründen ohne vorherige einschlägige Abmahnung sozial nicht gerechtfertigt.
Normenkette
BGB § 314 Abs. 2, § 611 Abs. 1, § 626 Abs. 1; KSchG § 1 Abs. 1 S. 1 Alt. 3
Verfahrensgang
ArbG Lübeck (Entscheidung vom 05.12.2012; Aktenzeichen 4 Ca 2041/12) |
Tenor
1.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Lübeck vom 05.12.2012 - Az. 4 Ca 2041/12 - wird zurückgewiesen.
2.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Beklagte.
3.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer fristlosen, hilfsweise fristgemäßen Kündigung sowie über Lohn- bzw. Verzugslohnansprüche.
Der 45-jährige, ledige Kläger war bei der Beklagten, die Alten- und Pflegeheime betreibt, in deren Pflegeheim in B. S., ...weg, seit dem 01.02.2012 als Küchen- und Hauswirtschaftsleiter zu einem durchschnittlichen Monatslohn von € 2.600,00 brutto beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis war sachgrundlos befristet bis zum 31.01.2012. Das Recht zur ordentlichen Kündigung unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist hatten sich die Parteien auch nach Ablauf der Probezeit gemäß § 11 Abs. 2 des Arbeitsvertrages vorbehalten. Neben dem Kläger arbeiten noch vier weitere Mitarbeiter in der Küche. Der umfassende Aufgabenbereich des Klägers ist in einer elfseitigen Stellenbeschreibung festgelegt, die insbesondere auf die im HACCP-Handbuch enthaltenen Hygieneanforderungen Bezug nimmt. (Bl. 19 - 29 d. A.).
Der Kläger hatte am 18./19.08.2012 sein freies Wochenende und am darauffolgenden Montag, den 20.08.2012, ebenfalls dienstfrei. An diesem Montag (20.08.2012) führte der Fachbereich Lebensmittelsicherheit und Tiergesundheit des Kreises O. durch den dortigen Mitarbeiter Dr. S. eine unangekündigte Plankontrolle der Lebensmittelhygienezustände in der Einrichtung durch. Hierbei wurden u. a. folgende Mängel festgestellt (Bl. 30 - 31 d. A.):
- Zulässige Temperatur des Kühlschrankes um 13° überschritten
- Bei Tiefkühlware (Bratwurst, Hähnchenbrustfilet, Frisch-Ei) zu hohe Temperaturen festgestellt
- Unter der Kühltruhe Schimmel, verschimmeltes Brot, Spinnen und tote Wespen
- Schimmel in Kühlschrankdichtung
- In Trockenlager und Büro diverse Spinnenweben und tote Insekten
- Im Flur Zigarettenstummel
- Auf dem Küchenfußboden Glassplitter entdeckt und ungekühlte Butter auf einem Teller
- Im Nebenraum ungekühlter Spinat gelagert
Daraufhin erließ der Kreis O. noch vor Ort eine Ordnungsverfügung nach § 39 Abs. 2 LFGB, mit der sämtliches Herstellen und in Verkehr bringen von Lebensmitteln in und aus den in der Ordnungsverfügung benannten Räumen mit sofortiger Wirkung untersagt wurde.
Die Beklagte rief sofort den Kläger an, der beorderte ihn zum Dienst. Der Kläger half sodann bis Mitternacht den Küchenbereich zu putzen.
Mit Schreiben vom 21.08.2012 sprach die Beklagte ihm gegenüber die hier streitgegenständliche fristlose, hilfsweise fristgemäße Kündigung zum 30.09.2012 aus (Bl. 4 d. A.).
Am 29.08.2012 hat der Kläger Kündigungsschutzklage erhoben vor dem Arbeitsgericht sowie im laufenden Verfahren klagerweiternd die Gehälter für August bis einschließlich November 2012 in Höhe von jeweils € 2.484,00 brutto geltend gemacht.
Wegen des weiteren insbesondere streitigen Vorbringens der Parteien in erster Instanz sowie der erstinstanzlichen Anträge wird auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils einschließlich der Inbezugnahmen verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat mit Urteil vom 05.12.2012 der Klage insgesamt stattgegeben. Die Kündigung vom 21.08.2012 habe das Arbeitsverhältnis weder fristlos gemäß § 626 BGB noch hilfsweise fristgerecht gemäß § 1 Abs. 2 KSchG zu beenden vermocht. Auch wenn die seitens des Kreises O. beanstandeten lebensmittelhygienischen Zustände allein auf pflichtwidriges Verhalten des Klägers und dessen Nachlässigkeit zurückzuführen sein sollten und damit generell geeignet seien, einen wichtigen Grund zur außerordentlichen Kündigung darzustellen, was indessen zwischen den Parteien streitig sei, mangele es der Kündigung - unstreitig - an einer vorherigen Abmahnung. Diese sei vorliegend auch nicht entbehrlich. Die Gesamtschau der Vorwürfe, die die Beklagte gegen den Kläger erhebe, lasse nicht den Schluss zu, dass das Vertrauen zwischen den Parteien gänzlich verbraucht sei. Die Beklagte sei in der Vergangenheit selber davon ausgegangen, dem Kläger Hilfe zur Verbesserung seiner Arbeitsleistung anbieten zu müssen. Warum die Beklagte es dann bei Fortbestand selbst gesehener Mängel für entbehrlich gehalten habe im Arbeitsverhältnis zumi...