Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsentscheidsvorlage: Verschulden eines Dritten als Kündigungsgrund
Leitsatz (amtlich)
Es soll ein Rechtsentscheid zu folgender Frage eingeholt werden:
Ist dem Mieter im Rahmen des BGB § 564b Abs 2 S 1 Nr 1 das Verschulden Dritter nach BGB § 278 zuzurechnen?
Tenor
1. Es soll ein Rechtsentscheid des Kammergerichts zu folgender Frage eingeholt werden:
Ist dem Mieter im Rahmen des § 564b Abs. 2 Nr. 1 BGB das Verschulden Dritter nach § 278 BGB zuzurechnen?
2. Die Parteien erhalten Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen.
Gründe
I.
Der zur Entscheidung vorgelegten Rechtsfrage liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die Klägerin ist Vermieterin, die Beklagten sind Mieter der streitgegenständlichen Wohnung.
Mitte Oktober 1998 erfuhr die Klägerin, dass der Sohn der Beklagten, der mit den Beklagten in der streitgegenständlichen Wohnung wohnt, die Stromversorgung im Keller unberechtigt angezapft hatte und auch - wie sich im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen herausstellte - den Keller eines anderen Mieters aufgebrochen hatte, um dort Werkzeug zu entwenden. Die Beklagten selbst hatten von diesen Vorfällen keine Kenntnis. Es ist auch nicht vorgetragen, dass der Sohn bereits einschlägig in Erscheinung getreten ist.
Aufgrund dieser Vorfälle erklärte die Klägerin am 27. November 1998 die fristlose Kündigung des Mietverhältnisses.
Sie ist der Auffassung, dass durch die Vorfälle das Mietverhältnis so belastet worden sei, dass eine weitere Fortsetzung unzumutbar wäre.
Das Amtsgericht hat die Klage abgewiesen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner unter Aufhebung des Urteils des Amtsgerichts Spandau vom 11. März 1999 - 2b C 106/99 - zu verurteilen, die von ihnen innegehaltene Wohnung geräumt an die Klägerin herauszugeben.
Die Beklagten haben beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
II.
1.
Die vorgelegte Rechtsfrage ergibt sich aus einem Mietverhältnis über Wohnraum. Denn es geht um eine Auslegung des § 564b Abs. 2 Nr. 1 BGB (vgl. KG NJW 1998, 2455).
2.
Die Rechtsfrage ist auch für den Rechtsstreit entscheidungserheblich.
Die unstreitigen Vorfälle würden nach Auffassung der Kammer, sofern sie den Beklagten zugerechnet werden könnten, zwar keine fristlose Kündigung nach § 554a BGB rechtfertigen. Denn insoweit wären die Vorfälle nicht so schwerwiegend, als dass sie eine sofortige Beendigung des Mietvertrages rechtfertigen würden. Denn bei den Diebstählen ist kein erheblicher Schaden entstanden und es handelt sich auch um einen einmaligen Vorfall.
Jedoch wäre eine Kündigung nach § 564b Abs. 2 Nr. 1 BGB gerechtfertigt, denn der Stromdiebstahl und der Einbruch bei einem anderen Mieter stellt eine nicht unerhebliche Verletzung des Mietvertrags dar. Denn der Vermieter muss es nicht hinnehmen, dass der Mieter unberechtigt sich einen Zugang zum Hausstromanschluss verschafft und muss es - im Interesse eines geordneten Zusammenlebens in einem Mehrfamilienhaus - auch nicht akzeptieren, dass Hausbewohner Wohnungen oder Keller aufbrechen.
Die Kammer deutet die Kündigungserklärung der Klägerin vom 27. November 1998 insoweit in eine ordentliche Kündigung um (§ 140 BGB). Eine solche Umdeutung, die gem. § 140 BGB grundsätzlich möglich ist, setzt voraus, dass die ordentliche Kündigung dem Willen des Kündigenden entspricht und dieser Wille in seiner Erklärung für den Empfänger der Kündigung erkennbar zum Ausdruck kommt (BGH NJW 1998, 1551). Davon ist hier auszugehen. Denn die Klägerin wollte die Beendigung des Mietverhältnisses unter allen Umständen wie auch durch den Hinweis auf § 568 BGB deutlich wird.
Da jedoch die Vertragsverfehlung im Rahmen des § 564b BGB schuldhaft geschehen muss, wäre eine Zurechnung des Handelns des Sohnes nach § 278 BGB erforderlich. Denn eine Zurechnung nach § 549 Abs. 3 BGB scheidet aus. Denn der Sohn ist als Familienangehöriger nicht Dritter i.S. von § 549 Abs. 1 Satz 1 BGB.
Es ist in Rechtsprechung und Schrifttum anerkannt, dass der Mieter für die Aufnahme von nächsten Familienangehörigen, von zum Haushalt gehörenden Bediensteten und von Personen, die er zu seiner Pflege benötigt, grundsätzlich keiner Erlaubnis des Vermieters bedarf; diese Personen sind nicht Dritte i. S. des § 549 I 1 BGB (BGH, NJW 1991, 1750 (1751) = LM § 9 (Ca) AGBG Nr. 4; BayObLGZ 1983, 285 (288); 1990, 301 (304) = NJW-RR 1991, 461; BayObLGZ 1995, 162 (165); OLG Hamm, NJW 1982, 2876 = RES II § 549 BGB Nr. 1; Voelskow, in: MünchKomm, § 549 Rdnr. 9; Staudinger-Emmerich, § 549 Rdnr. 6; Fischer-Dieskau-Pergande-Schwender-Franke, WohnungsbauR, § 549 BGB Anm. 4; krit. Nassall, ZMR 1983, 333 (334); BayOblG NJW 1998, 1324, 1325). Da jedoch die Regelung des § 549 Abs. 3 BGB auf das Vorliegen einer Untermiete nach § 549 Abs. 1 BGB abstellt, kann auch insoweit keine Zurechnung erfolgen.
3.
Nach der überwiegenden Ansicht in der Literatur wird das Verhalten Dritter im Rahmen der §§ 554a, 564b Abs. 2 Nr. 1 BGB nach § 278 BGB zugerechnet (Bub/Treier-Grapentien, 3. Auflage, IV Rdnr. 63; MünchKomm/Voelskow, BGB...