Leitsatz (amtlich)
1. Eine Bank muss bei Anbahnung eines Darlehensvertrages den zukünftigen Darlehensnehmer darauf hinweisen, dass sich aus dessen Lebens- und Einkommensverhältnissen einerseits und den Rahmendaten des Darlehens andererseits ergibt, dass eine störungsfreie Finanzierung nicht möglich sein wird. Ein solcher Fall liegt insbesondere dann vor, wenn die Laufzeit des Darlehens nicht nur geringfügig über den Renteneintritt der Darlehensnehmer hinaus reicht und nicht konkrete Umstände die Annahme rechtfertigen, dass der Darlehensnehmer ungeachtet der damit verbundenen Einkommenseinbußen gleichwohl in der Lage sein wird, auch dann noch die ihn bereits jetzt stark belastende Kreditrate zu bedienen. Nicht konkret absehbare Erbfälle oder gar ein möglicher Lottogewinn gehören nicht zu solchen Umständen.
2. Der Vertragszweck ist schon dann gefährdet, wenn Rechtspositionen eingeschränkt oder dem Vertragspartner ganz genommen werden, die ihm der Vertrag nach seinem Inhalt und Zweck zu gewähren hat (BGH vom 19.01.1984 – VII ZR 220/82, BGHZ 89, 363, 367; BGH vom 20.06.1984 – VIII ZR 137/83, MDR 1985, 225, 226). Ein Immobiliendarlehen dient der Ermöglichung des Erwerbs einer Immobilie vermittels der Gewährung eines Kapitalnutzungsrechts. Diese Rechtsposition ist zumindest eingeschränkt, wenn schon bei Eintragung absehbar ist, dass dem Kreditnehmer die Immobilie nur auf Zeit verbleibt, weil sie ihm im Wege der Zwangsversteigerung wieder entzogen werden wird.
3. Eine einen Vertrag schließende Partei gibt der anderen gegenüber zumindest schlüssig die Erklärung ab, dass man gemeinsam (§§ 145 ff BGB) den Zweck des Vertrags zu erreichen suche. Nimmt sie in Abweichung hiervon ein Scheitern des Vertrages in Kauf, muss sie hierüber aufklären, weil sie sich widersprüchlich verhält. Dies gilt unabhängig davon, ob ein aufklärungspflichtiger Wissensvorsprung der Bank über die Laufzeit des Darlehens und das Alter der Kreditnehmer überhaupt denkbar ist (hierzu BGH vom 15.03.2005 – XI ZR 135/04, MDR 2005, 937).
4. Macht der Anleger die Kosten seiner vorgerichtlichen anwaltlichen Vertretung als Schadensposten gegenüber der Bank geltend, bedarf es in diesem Rechtsstreit nicht der Einholung eines Gutachtens des Vorstandes der Rechtsanwaltskammer über die Höhe der Rahmengebühr. Ein Rechtsstreit im Sinne des § 14 Abs. 2 Satz 1 RVG liegt nur vor, wenn dieser zwischen dem Rechtsanwalt und dem Gebührenschuldner geführt wird (vgl. OLG Düsseldorf vom 26.02.2008 – I-24 U 126/07, NJW-RR 2009, 205 zu § 12 Abs. 2 Satz 1 BRAGO a. F.).
Normenkette
BGB §§ 278, 280, 249; RVG § 14 Abs. 2 S. 1
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 19.581,04 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.03.2010 zu zahlen sowie das Wertpapierdepot Nr. … freizugeben, Zug um Zug gegen Abgabe folgender notariell beurkundeter Erklärung der Klägerin und des Herrn N. F. gegenüber dem beauftragten Notar:
„Wir sind Eigentümer des im Wohnungsgrundbuch des Amtsgerichts Hohenschönhausen von W. auf Blatt … eingetragenen Wohnungseigentums, bestehend aus einem 657/100.000stel Miteigentumsanteil an dem Grundstück lfd. Nr. 1 – Flur 2, Flurstück … (Größe 17.605 m²), Gebäude- und Freifläche …, verbunden mit dem Sondereigentum an der Wohnung Nr. 36 im Hause …-Straße 10 b.
Wir verpflichten uns hiermit, das vorbezeichnete Wohnungseigentum im Übrigen lastenfrei auf die … bank AG zu übertragen.
Wir erteilen hiermit der … bank AG die unwiderrufliche Vollmacht, in unserem Namen und unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB die Auflassung zu erklären.
Wir bewilligen die Eintragung der … bank AG als Eigentümerin.”
Es wird festgestellt, dass die Klägerin und Herr N. F. keine Zahlungen aus dem am 1./13.06.2006 geschlossenen Darlehensvertrag Nr. … mehr schulden.
Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte mit der Annahme der Übereignung der vorgenannten Eigentumswohnung in Verzug befindet.
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an die Klägerin außergerichtliche Rechtsanwaltskosten von 3.089,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 23.03.2010 zu zahlen.
Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtliche künftig noch entstehenden Schäden zu ersetzen, die durch die Abwicklung des am 1./13.06.2006 geschlossenen Darlehensvertrages Nr. … und die Übereignung der vorgenannten Eigentumswohnung entstehen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils beizutreibenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Klägerin nimmt die Beklagte aus eigenem und abgetretenem Recht des Lehrers N. F. (fortan gemeinsam: die Eheleute) auf die Rückabwicklung eines finanzierten Eigentumswohnungskaufs in Anspruch.
Mit notarieller Urkunde vom 19.05.2006 boten die Eheleute der R. A. V. GmbH (fortan: Verkäuferin) an, eine in … Berlin, nnnnnnnn-Straße 10 b belegene, vermi...