Entscheidungsstichwort (Thema)

Adressat für den Widerruf eines Prozeßvergleichs

 

Orientierungssatz

Haben die Verfahrensbeteiligten einen gerichtlichen Vergleich auf Widerruf geschlossen, ohne eine Vereinbarung darüber zu treffen, wem gegenüber der Widerruf zu erklären ist, muß die Widerrufserklärung grundsätzlich innerhalb der vereinbarten Frist der Gegenseite zugehen.

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 22.06.2005; Aktenzeichen VIII ZR 214/04)

BGH (Urteil vom 15.02.2005; Aktenzeichen 5 StR 536/04)

BGH (Urteil vom 15.02.2005; Aktenzeichen 5 StR 449/04)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Beklagten wird das am 27. Januar 2004 verkündete Urteil des Amtsgerichts Tiergarten - 6 C 462/03 - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels geändert und wie folgt neu gefasst:

Es wird festgestellt, dass der Rechtsstreit in der Hauptsache durch den von den Parteien am 11. November 2003 vor dem Amtsgericht geschlossenen Prozessvergleich erledigt ist.

2. Die weiteren Kosten des gesamten Rechtsstreits werden gegeneinander aufgehoben.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Den Parteien wird nachgelassen, die Vollstreckung der Gegenseite durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

4. Die Revision zum Bundesgerichtshof wird zugelassen.

 

Gründe

I.

Die Beklagte mietete gemeinsam mit dem am 26. März 2003 verstorbenen Herrn ... durch Mietvertrag vom 7. März 1984 von der damaligen Eigentümerin, ... Grundstücksgemeinschaft ... eine auf dem Grundstück ... gelegene Wohnung. Die Kläger erwarben das Grundstück im Jahre 1989 von dem Voreigentümer .... Die Auflassung erfolgte am 28. Dezember 1989. Am 28. Mai 1990 wurden die Kläger mit dem Zusatz "als Gesellschafter bürgerlichen Rechts" im Grundbuch eingetragen. Die Beklagte zog im Frühjahr 1995 aus der Wohnung aus. Zwischen den Parteien ist streitig, ob die Kläger und der Mitmieter ... ihr Einverständnis dazu erklärt haben, dass das Mietverhältnis allein mit Herrn ... fortgesetzt werden sollte. In der Folgezeit zahlte Herr ... die Miete nicht vollständig. Seine bisher ermittelten Erben schlugen das Erbe aus. Die Kläger haben die Beklagte daraufhin auf Ausgleich von Mietrückständen für die Monate Januar bis Juli 2003 in Höhe von insgesamt 3.063,60 Euro in Anspruch genommen. In dem vor dem Amtsgericht am 11. November 2003 geschlossenen Vergleich hat sich die Beklagte verpflichtet, zum Ausgleich der Klageforderung und der zur Aufrechnung gestellten Forderungen 1.531,80 Euro nebst anteiligen Zinsen bei Kostenaufhebung zu zahlen. Ferner lautet Punkt 3. dieses Vergleichs wie folgt:

Die Parteien behalten sich den Widerruf dieses Vergleichs bis zum 22. November 2003 vor.

Wegen der Einzelheiten dieses Vergleichs wird auf die Sitzungsniederschrift vom 11. November 2003 (Bl. 110, 110 R d.A.) verwiesen. Mit Schriftsatz vom 21.11.2003, bei Gericht per Fax am selben Tag eingegangen, hat die Beklagte den Widerruf des Vergleichs erklärt. Dieser Schriftsatz wurde den Prozessbevollmächtigten der Kläger am 18. Dezember 2003 zugestellt. Das Amtsgericht ist von einem wirksamen Widerruf des Prozessvergleichs ausgegangen und hat mit dem angefochtenen Urteil vom 27. Januar 2004 die Beklagte zur Zahlung von 3.063,60 Euro verurteilt. Gegen dieses ihren Prozessbevollmächtigten am 30. Januar 2004 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 11. Februar 2004 bei Gericht eingegangenen und am 24. März 2004 begründeten Berufung. Sie rügt die fehlende Aktivlegitimation der Kläger und meint im Übrigen, es sei eine dreiseitige Vereinbarung zwischen den Parteien sowie Herrn ... über das Ausscheiden der Beklagten aus dem Mietvertrag zustande gekommen. Zumindest aber stelle sich das Verhalten der Kläger als treuwidrig dar. Sie beantragt, unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen. Für den Fall, dass von einem bestandskräftigen Vergleich auszugehen ist, beantragt sie hilfsweise, festzustellen, dass das angefochtene Urteil unwirksam ist. Demgegenüber beantragen die Kläger die Zurückweisung der Berufung.

Im Übrigen wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO auf die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils Bezug genommen. Wegen des Vortrags der Parteien im Einzelnen wird auf den Inhalt der Akten verwiesen.

II.

Entgegen der von den Klägern vertretenen Auffassung ist die Berufung der Beklagten gemäß § 511 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 ZPO statthaft, ungeachtet dessen, dass der Rechtsstreit bereits durch den von den Parteien geschlossenen Vergleich beendet worden ist. Denn da das angefochtene Urteil später trotzdem erlassen worden ist, kann die Beklagte nicht daran gehindert sein, sich hiergegen mit dem allein möglichen und zulässigen Rechtsmittel der Berufung zur Wehr zu setzen. Die Berufung ist innerhalb der in §§ 517, 520 Abs. 2 Satz 1 ZPO vorgeschriebenen Fristen eingelegt und begründet worden. Sie ist damit zulässig.

Dabei legt die Kammer den Hilfsantrag der Beklagten so...

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