Verfahrensgang

AG Berlin-Lichtenberg (Urteil vom 20.03.2002; Aktenzeichen 7 C 15/01)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das am 20. März 2002 verkündete Urteil des Amtsgerichts Lichtenberg – 7 C 15/01 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

 

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß §§ 540 II, 313 a I ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg.

Der Rechtsstreit ist durch den Vergleich vom 09. Januar 2002 beendet worden. Ein rechtzeitiger Widerruf ist nicht erfolgt.

Der einer Partei vorbehaltene Widerruf eines gerichtlichen Vergleichs ist, wenn die Parteien keine andere Regelung getroffen haben, was ihnen freisteht (BGH NJW 1980, 1753, 1754), als Willenserklärung sachlich-rechtlicher Art. nach allgemeinen Grundsätzen empfangsbedürftig; er ist also dem Vergleichsgegner gegenüber abzugeben und wird gemäß § 130 Abs. 1 BGB in dem Augenblick wirksam, in dem er ihm zugeht (vgl. RGZ Band 161, S. 253, 255; BGH LM § 130 BGB Nr. 2; ZZP Band 71, S. 454, 455; BAG NJW 1960, S. 1364, 1365; LG Aachen MDR 1962, 403; ebenso u. a.: Zöller/Stöber, ZPO, 23. Aufl., § 794 Rn. 10 a; die vom Kläger angeführte Fundstelle bei Baumbach betrifft andere Fallgestaltungen, worauf das Amtsgericht zu Recht bereits mit Verfügung vom 04. Februar 2002 hinweist). Eine abweichende Vereinbarung können die Parteien ausdrücklich oder stillschweigend treffen. Sie ist gegebenenfalls im Wege der Vertragsauslegung zu ermitteln (BGH a.a.O.).

Im vorliegenden Fall haben die Parteien weder ausdrücklich noch stillschweigend eine Vereinbarung des Inhalts getroffen, dass der Widerruf dem Gericht gegenüber erklärt werden müsse. Einen dahin gehenden Parteiwillen ergibt eine Auslegung des Prozessvergleiches gemäß §§ 133, 157 BGB auch unter Berücksichtigung der Verkehrssitte nicht.

Der Kläger beruft sich zur Begründung seiner Auffassung pauschal auf eine angebliche tatsächliche Übung in Berlin. Es ist in diesem Gerichtsbezirk aber allenfalls allgemein üblich, in Widerrufsvergleichen den Parteien ausdrücklich den Widerruf durch Einreichung eines Schriftsatzes bei Gericht vorzubehalten. Dementsprechend wird der Widerruf solcher Vergleiche regelmäßig dem Gericht gegenüber erklärt. Eine Praxis, wonach dies durchweg auch bei Vergleichen geschehe, in denen der Adressat des Widerrufs nicht ausdrücklich vereinbart ist, ergibt sich daraus jedoch nicht. Insbesondere ist weder dargelegt noch ersichtlich, dass eine Übung besteht, wonach Widerrufserklärungen, die nur dem Prozessgegner fristgerecht zugehen, als unwirksam zurückgewiesen würden. Es fehlt also an einer tatsächlichen Übung, auf welche die von der Klägerin vertretene Auslegung des Prozessvergleiches sich stützen könnte (vgl. OLG Koblenz OLGR 1997, 131, 132).

Auch werden keine besonderen Umstände vorgetragen, aus denen sich im konkreten Fall ein übereinstimmender Parteiwille des Inhalts ergäbe, dass der Widerruf allein dem Gericht gegenüber zu erklären sei. Soweit nachfolgende Umstände für die Auslegung des Vergleichs überhaupt herangezogen werden sollen (vgl. OLG Köln NJW 1990, 1369; OLG Düsseldorf NJW-RR 1987, 255, 256; OLG Brandenburg NJW-RR 1996, 123), weist das Amtsgericht zu Recht auf die dagegen bestehenden Bedenken hin. Zudem weist das Amtsgericht zu Recht daraufhin, dass die Beklagten zu keinem Zeitpunkt zu erkennen gegeben haben, dass auch sie davon ausgegangen sind, der Vergleichswiderruf sei gegenüber dem Gericht zu erklären. Soweit nunmehr in der Berufung auf ein Telefonat der Prozessbevollmächtigten abgestellt wird, ist dieser Vortrag gemäß § 531 II ZPO nicht zu berücksichtigen. Das Amtsgericht hat bereits mit Beschluss vom 25. Januar 2002 unter Anführung der Rechtsprechung des OLG Koblenz (MDR 1997, 883) darauf hingewiesen, dass es davon ausgeht, dass der Widerruf gegenüber den Beklagten zu erklären war. Demgemäß hätte Vortrag hierzu bereits in erster Instanz erfolgen können. Die Darstellung des Kläger-Vertreters in der mündlichen Verhandlung, er habe zu dem geführten Telephonat bereits in erster Instanz vorgetragen, ist unzutreffend. Selbst wenn man den Vortrag berücksichtigte ergäbe sich allenfalls, dass auf Seiten der Beklagten-Vertreter ebenfalls eine unzutreffende Rechtseinschätzung vorgenommen worden ist. Für die Begründung einer Vereinbarung ist dies unergiebig.

Im vorliegenden Fall verhielten sich die Beklagten auch nicht treuwidrig, wenn sie sich angesichts des ihnen gegenüber nicht rechtzeitig erklärten Vergleichswiderrufs auf die Bestandskraft des Vergleichs berufen. Der vorliegende Sachverhalt unterscheidet sich insb. von demjenigen, welcher dem von dem Kläger zitierten Urteil des BAG vom 01. Juli 1968 (NJW 1969, 110) zugrunde lag. Damals nämlich wurde der für das Gericht bestimmte Widerrufsschriftsatz nebst Kopien irrtümlich dem Prozessgegner statt dem Gericht übermittelt, so dass dieser zweifelsfrei annehmen musste, dass der Vergleich widerrufen werden sollte.

Soweit der Kläger-Vertreter darauf ...

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