Entscheidungsstichwort (Thema)

Vorzeitige Beendigung eines Wohnungsmietvertrages: Mieterkündigung wegen unverschuldeter Arbeitslosigkeit. Vorzeitige Beendigung eines Wohnungsmietvertrages: Befreiung von der Pflicht zur Nachmieterstellung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Der Mieter kann einen Anspruch auf vorzeitige Entlassung aus dem Mietverhältnis haben, wenn er wegen unverschuldeter Arbeitslosigkeit nicht mehr in der Lage ist, die vereinbarte Miete aufzubringen.

2. Der Mieter braucht keinen Nachmieter zu benennen, wenn der Vermieter vorher eindeutig abgelehnt hat, einen noch beizubringenden Nachmieter auch nur zu berücksichtigen.

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 20.12.2001; Aktenzeichen I ZR 227/99)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das am 7. Januar 1999 verkündete Urteil des Amtsgerichts Neukölln - 3 C 480/98 - abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits beider Instanzen zu tragen.

 

Tatbestand

Von der Darstellung des Tatbestandes wird gemäß § 543 Abs. 1 ZPO abgesehen.

 

Entscheidungsgründe

I.

Die statthafte (§ 511 ZPO), den notwendigen Wert der Beschwer erreichende (§ 511 a Abs. 1 ZPO), form- und fristgerecht eingelegte und begründete (§§ 516, 518, 519 ZPO) Berufung ist zulässig.

II.

Die Berufung ist auch begründet. Der Klägerin steht der erstinstanzlich zuerkannte Mietzinsanspruch von 1.906,74 DM für die Monate April und Mai 1998 gegen den Beklagten gemäß § 535 S. 2 BGB nicht zu.

1.

Die Berufung führt nicht zur vom Beklagten in erster Linie angestrebten Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung und Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Amtsgericht. Denn im Ergebnis liegt jetzt kein schwerwiegender Fehler (anderweitige Rechtshängigkeit) mehr vor.

Sollte der Schriftsatz vom 30. April 1998 dem Beklagten vor dem 9. Oktober 1998 (Zustellung der Klageschrift im Verfahren 2 C 342/98 AG Neukölln) zugestellt werden sein, stellt sich dieses Problem von vornherein nicht, weil dann hinsichtlich der streitgegenständlichen Mieten für April und Mai 1998 zuerst im hiesigen Verfahren Rechtshängigkeit eingetreten wäre. Sollte der Schriftsatz vom 30. April 1998 erstmals am 13. November 1998 zugestellt worden sein, bestand in erster Instanz der Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit (§ 261 Abs. 3 Nr. 1 ZPO), da diese Mieten dann auch und zuerst im Verfahren 2 C 342/98 AG Neukölln geltend gemacht worden sind. In diesem Fall hätte das Amtsgericht nicht in der Sache entscheiden dürfen, worin an sich ein schwerer Verfahrensfehler begründet ist. Allerdings ist diese Rechtshängigkeit mittlerweile entfallen. Das Amtsgericht Neukölln hat im Verfahren 2 C 342/98 mit Zwischenurteil vom 29. Januar 1999 die dortige Klageänderung, mit der die Klägerin beider Verfahren andere Mieten im selben Betrag geltend macht, für sachdienlich erklärt. Dadurch ist die Rechtshängigkeit des ursprünglichen Klagegegenstandes entfallen (vgl. Zöller/Greger, Kommentar zur ZPO, 20. Aufl., § 263 RN 16) mit der Folge, dass der Einwand der anderweitigen Rechtshängigkeit nicht mehr besteht. Aus diesem Grund ist im vorliegenden Rechtsstreit eine Entscheidung in der Sache möglich, weshalb die Kammer von der Regelung des § 540 ZPO Gebrauch macht.

2.

Im Ergebnis kann die Klägerin den Mietzins für den streitgegenständlichen Zeitraum nicht mehr mit Erfolg geltend machen. Denn der Beklagte hatte wegen seiner im Januar 1997 eingetretenen Arbeitslosigkeit gegen die Klägerin einen Anspruch auf Aufhebung des Mietvertrages.

Der Mieter ist auch ohne Vereinbarung einer Ersatzmieterklausel berechtigt, vorzeitig aus einem befristeten Mietverhältnis auszuscheiden, soweit er einen geeigneten Nachmieter stellt und in der Person des Mieters ein wichtiger Grund vorliegt, der das Interesse des Vermieters, den Mieter am Mietvertrag festzuhalten, deutlich überwiegt (vgl. Sternel, Mietrecht aktuell, 3. Aufl., RN 74 mit Beispielen: berufliche Versetzung, Vergrößerung der Familie). Ein solcher wichtiger Grund kann grundsätzlich auch die unverschuldete Arbeitslosigkeit des Mieters sein, wenn er nicht mehr in der Lage ist, die vereinbarte Miete aufzubringen. Die Arbeitslosigkeit und die Einkommensverhältnisse des Beklagten sind zwischen den Parteien nicht streitig und stellen einen wichtigen Grund für die Aufhebung des Mietverhältnisses dar. Denn der Beklagte war nicht mehr in der Lage, den vertraglich vereinbarten Mietzins an die Klägerin zu zahlen.

Dem Beklagten stand der Anspruch auf Aufhebung des Mietverhältnisses auch unter Beachtung der weiteren Voraussetzung dieses Anspruches, Stellung eines Nachmieters, zu. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass sich die vom Beklagten benannte Nachmieterin bei der Klägerin nicht gemeldet hat. Insoweit ist für die Entscheidung vom Vortrag des Beklagten auszugehen, dass die Klägerin, vertreten durch ihren jetzigen Liquidator, anlässlich eines Telefonates am 9. September 1997, in dem ihr der Beklagte seine finanzielle Situation schilderte, auf der Fortführung des Mietvertrages bestand und eine Entlassung aus dem Mie...

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