Entscheidungsstichwort (Thema)
Berufung gegen abgewiesene Räumungsklage als erneute Kündigungserklärung
Orientierungssatz
Wurde eine Räumungsklage beim Amtsgericht abgewiesen, weil zum Zeitpunkt des Prozesses kein Kündigungsgrund vorlag, so ist in der Berufung eine erneute Kündigungserklärung zu sehen, und der Klage ist stattzugeben, wenn zwischenzeitlich ein Kündigungsgrund entstanden ist.
Tatbestand
Der Kläger ist Eigentümer des Hauses ... , ... -E.-Straße. Seit November 1967 bewohnt der Beklagte mit seiner Frau und zwei Töchtern im Alter von jetzt 13 und 19 Jahren die 61,5 qm große Erdgeschoßwohnung in diesem Hause. Er zahlt entsprechend einer mündlichen Vereinbarung einen Mietzins von monatlich 233,-- DM.
Im Obergeschoß des Hauses wohnt zur Zeit die 23-jährige Tochter des Klägers mit ihrem Ehemann. Diese Wohnung besteht aus 2 Zimmern, Küche und Bad mit einer Wohnfläche von etwa 45 qm.
Mit Schreiben vom 7. März 1974 kündigte der Kläger das Mietverhältnis mit dem Beklagten zum 1. Oktober 1974 mit der Begründung, er benötige diese Wohnung dringend für seine Tochter und seinen Schwiegersohn. Der Beklagte widersprach dieser Kündigung mit Schreiben vom 14. August 1974. Er hatte bei der Einrichtung des Hauses des Klägers handwerkliche Arbeiten verrichtet.
Der Kläger verlangt von dem Beklagten die Räumung und Herausgabe der vom ihm und seiner Familie innegehaltenen Wohnung.
Er hat behauptet:
Er benötige die Wohnung für seine Tochter und seinen Schwiegersohn. Die im Obergeschoß seines Hauses befindliche Wohnung sei für diese jetzt schon zu klein. Außerdem möchten sie Kinder haben. Ihnen sei nicht zuzumuten, erst eine Schwangerschaft abzuwarten und dann umzuziehen.
Die Parteien hätten 1972 vereinbart, die Mitarbeit des Beklagten mit 1.500,-- DM zu bewerten. Der Beklagte habe daraufhin ab 1. Januar 1973 aufgrund dieser Vereinbarung monatlich 25,-- DM einbehalten.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, die von ihm im Erdgeschoß des Hauses ... E.-Straße, gemietete Wohnung, bestehend aus drei Zimmern nebst Küche, Bad und Toilette sowie einen Kellerraum zu räumen und an ihn, den Kläger, herauszugeben.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat behauptet:
Die Tochter und der Schwiegersohn des Klägers seien auf die Wohnung im Erdgeschoß nicht angewiesen. Sie hätten ausreichenden Wohnraum im Obergeschoß.
Seine handwerklichen Arbeiten an dem Hause des Klägers hätten mindestens einen Wert von 5.000,-- DM gehabt. Eine Vereinbarung über die Höhe dieser Arbeiten sei nicht getroffen worden. Er habe lediglich von Januar 1973 bis Februar 1974 einen Betrag von monatlich 25,-- DM von dem Mietzins einbehalten. Der Kläger habe ihm schließlich zugesichert, die Wohnung bis zum Lebensende bewohnen zu können.
Das Amtsgericht Bückeburg hat durch das am 14. Januar 1975 verkündete Urteil die Klage abgewiesen. Gegen dieses am 28. Januar 1975 zugestellte Urteil hat der Kläger am 28. Februar 1975 Berufung eingelegt und diese gleichzeitig begründet.
Er wiederholt sein Vorbringen aus dem ersten Rechtszuge und behauptet zusätzlich: Nach der Verkündung des angefochtenen Urteils seien wesentliche Veränderungen der Verhältnisse eingetreten. Seine Tochter sei nunmehr schwanger. Der voraussichtliche Geburtstermin sei der 22. Oktober 1975. Der Beklagte habe sich bereits im ersten Rechtszuge mit seinem Schriftsatz vom 17. Dezember 1974 bereit erklärt, sofort auszuziehen, wenn tatsächlich die Geburt eines Kindes bevorstehen sollte.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die von ihm gemietete Wohnung im Hause ... , E.-Straße, gelegen im Erdgeschoß und bestehend aus drei Zimmern, Küche, Bad und Toilette, sowie einen Kellerraum zu räumen und an den Kläger herauszugeben.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise, ihm eine weiträumige Räumungsfrist zu gewähren.
Er bestreitet die Ordnungsmäßigkeit einer Kündigung sowie den Eigenbedarf des Klägers. Im übrigen nimmt er auf sein Vorbringen aus dem ersten Rechtszuge Bezug.
Zur weiteren Sachdarstellung wird auf den vorgetragenen Inhalt der Schriftsätze der Parteien aus dem Berufungsrechtszuge und das angefochtene Urteil Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige, formgerecht und fristgerecht eingelegte und begründete Berufung des Klägers hat im wesentlichen Erfolg.
Der Kläger kann nach § 556 BGB von dem Beklagten die Räumung und Herausgabe der im Erdgeschoß des Hauses ..., E.-Straße, gelegenen Wohnung verlangen, allerdings erst zum 30. September 1975. Das zwischen den Parteien begründete Mietverhältnis endet nämlich erst an diesem Tage.
Die mit Schreiben vom 7. März 1974 ausgesprochene Kündigung ist unwirksam. Nach dem zu jenem Zeitpunkt geltenden Gesetz über den Kündigungsschutz für Mietverhältnisse über Wohnraum vom 25. November 1971 konnte der Vermieter ein Mietverhältnis über Wohnraum nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hatte, wobei ein berechtigtes I...