Entscheidungsstichwort (Thema)
Zur Frage einer Kündigung wegen Überbelegung einer 1-Zimmerwohnung
Orientierungssatz
Allein der Umstand, daß drei Erwachsene und ein Kind eine 33 qm große 1 Zimmerwohnung bewohnen, rechtfertigt nicht die Kündigung des Vermieters wegen unzumutbarkeit Überlegung. Auch wenn die für jede Person gesetzlich vorgesehene Mindestwohnfläche (geringfügig) unterschritten wird, führt dies nicht automatisch zum Kündigungsrecht des Vermieters nach BGB § 564b (vergleiche OLG Hamm, 1982-10-06, 4 ReMiet 13/81, WuM 1982, 323; vergleiche LG München I, 1982-09-22, 14 S 797/82, WuM 1983, 22).
Gründe
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Nicht angegriffen werden auch die Ausführungen im angefochtenen Urteil, daß die nachträgliche Aufnahme der Ehefrau und der beiden Kinder durch den Beklagten in die Wohnung keine schuldhafte Verletzung seiner Vertragspflichten darstellt.
Ebensowenig war die Klägerin befugt, das Mietverhältnis gem. § 564b BGB mit Rücksicht auf die behauptete Überbelegung zu kündigen. Gem. § 564b Abs. 1 BGB kann der Vermieter ein Mietverhältnis über Wohnraum nur kündigen, wenn er ein berechtigtes Interesse an der Beendigung des Mietverhältnisses hat. Außer den beispielhaft in § 564b Abs. 2 BGB genannte Fällen kommen andere in Betracht, die ähnliches Gewicht haben. Das kann auch die Überbelegung einer Wohnung sein, wenn die Wertung der Interessen der Mietparteien ein deutliches Übergewicht des Vermieters an der Kündigung ergibt. Dafür gibt es allerdings keine generalisierende Antwort. Es sind die beiderseitigen Interessen unter Würdigung aller Umstände gegeneinander abzuwägen (RE OLG Hamm WM 1982, 323); erst wenn die Aufnahme von Familienangehörigen auf Dauer zu einer für den Vermieter unzumutbaren Überbelegung führt, ist die Kündigung gerechtfertigt (RE BayObLG WM 1983, 309 für den Fall fristloser Kündigung gem. § 553 BGB) bei Beschränkung des Mietverhältnisses auf eine Einzelperson. Zwar bewohnen die nicht ganz 33 qm große 1-Zimmerwohnung 3 Erwachsene und 1 - inzwischen 8 Jahre altes - Kind, woraus sich im Durchschnitt für jede Person eine Wohnfläche von über 8 qm ergibt, weshalb ein objektiver Verstoß gegen § 7 des Hess. Wohnungsaufsichtsgesetz v. 4.9.1974 (GVBl. I, 396) vorliegt, wonach Wohnungen nur überlassen und genutzt werden dürfen, wenn für jede Person eine Wohnfläche von mindestens 9 qm vorhanden ist. Dieser Verstoß führt nach Auffassung der Kammer aber nicht automatisch zum Kündigungsrecht des Vermieters gem. § 564b BGB (so auch LG München I WM 1983, 22), zumal unstreitig die Gemeinde ein Verfahren nach dem oben angegebenen Gesetz nicht eingeleitet hat. Dies kann auch der genannten Entscheidung des OLG Hamm entnommen werden, denn dort wurde eine knapp 57 qm große Wohnung von 2 Erwachsenen und 6 Kindern bewohnt, so daß im Durchschnitt auf jede Person eine Wohnfläche von nur rund 7 qm entfiel.
Es ist nicht zu verkennen, daß durch eine intensivere Wohnungsnutzung die Gefahr stärkerer Abnutzung an der Wohnungssubstanz besteht. Im vorliegenden Fall ist davon offenbar aber nicht auszugehen. Obwohl die Wohnung bereits seit 1982 von 4 Personen bewohnt wird, konnte das AG anläßlich seiner Augenscheinseinnahme (10.3.1986) derartige Abnutzungsspuren, insbesondere behaupteten Schimmelbefall, nicht feststellen. Dies mag daran liegen, daß die nach dem genannten Gesetz vorgeschriebene Mindestwohnfläche nur wenig unterschritten ist. Gegen ein Übergewicht des Interesses der Klägerin an der Kündigung spricht auch, daß diese zumindest über einige Jahre die Zahl der Wohnungsbenutzer hingenommen hat. Spätestens bis 1979 waren es 4 Personen, nachdem 1976 die Ehefrau und 1979 der 17jährige Sohn zugezogen waren und 1978 die Tochter geboren war. Daß die Klägerin vor 1982 wegen Überbelegung auf den Auszug des Beklagten gedrängt habe, ist weder substantiiert vorgetragen noch unter Beweis gestellt. Selbst wenn die Klägerin 1982 (möglicherweise nur mündlich und damit formunwirksam) gekündigt haben sollte, was vom Beklagten bestritten, von der Klägerin aber nicht bewiesen ist, hat sie erst 1985 Räumungsklage erhoben. Insgesamt ist somit kein deutliches Übergewicht des Interesses der Klägerin an der Beendigung des Mietverhältnisses gegenüber demjenigen des Beklagten an seiner Fortsetzung festzustellen. Die Räumungsklage war daher abzuweisen.
Fundstellen