Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschwerde gegen den Beschluss des Nachlassgerichts Freiburg vom 13.05.2002 (9 GR N 243/00)

 

Tenor

  • Auf die Beschwerde der Beteiligten Ziffer 1 wird der Beschluss des Nachlassgerichts Freiburg vom 13.05.2002 (9 GR N 243/00) aufgehoben. Das Nachlassgericht wird angewiesen, der Beteiligten zu Ziffer 1 einen Erbschein auszuteilen, wonach sie auf Grund letztwilliger Verfügung Erbin der Erblasserin geworden ist. Testamentsvollstreckung ist angeordnet.
  • Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Gerichtliche Auslagen werden nicht erhoben. Außergerichtliche Auslagen werden nicht erstattet.
  • Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird festgesetzt auf € 700.000,00.
 

Tatbestand

I.

Die am 09.10.2000 verstorbene Erblasserin hat am 06.10.2000 vor den Zeuginnen …, … und … ein Testament errichtet, wonach Alleinerbin die Beteiligte Ziffer 1 sein solle. Außerdem wurden verschiedene Vermächtnisse ausgesetzt und Testamentsvollstreckung angeordnet. Frühere letztwillige Verfügungen wurden aufgehoben.

Bereits am 16.09.2000 hatte die Erblasserin handschriftlich letztwillig verfügt und die Beteiligte zu 1 als “Erbin” eingesetzt, wobei der Inhalt dieser Verfügung wegen schlechter Leserlichkeit der Handschrift der Erblasserin zwischen den Beteiligten streitig ist.

Das Nachlassgericht hat mit der angefochtenen Entscheidung nach Anhörung der Zeuginnen …, … und … den Erbscheinsantrag der Beteiligten Ziff. 1 zurückgewiesen. Das Drei-Zeugen-Testament sei nicht wirksam errichtet. Die genannten Zeuginnen hätten ihre Funktion als Urkundsperson offenbar nicht erkannt. Sie hätten sich keine Gedanken darüber gemacht, ob sie möglicherweise vor Entfaltung einer eigenen Beurkundungstätigkeit verpflichtet gewesen seien, zumindest den Versuch zu unternehmen, die Beurkundung einem Notar oder einem Bürgermeister zu überlassen. Sie hätten bereits zwei Tage vor der Errichtung des Drei-Zeugen-Testaments von dem Wunsch der Erblasserin erfahren, ein Testament errichten zu wollen. Zu diesem Zeitpunkt hätte ohne weiteres die Möglichkeit bestanden, mit einem Notar des Notariats Freiburg einen Termin zur Beurkundung eines Testaments am darauffolgenden Freitag zu vereinbaren.

Soweit die Antragstellerin ihren Erbscheinsantrag hilfsweise auf die letztwillige handschriftliche Verfügung vom 16.09.2000 gestützt hat, ist das Nachlassgericht zu der Überzeugung gelangt, dass die Erblasserin die Beteiligte zu 1 nicht als Alleinerbin eingesetzt habe. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Begründung der angefochtenen Entscheidung Bezug genommen.

Die Kammer hat durch den beauftragten Richter die Zeuginnen …, … und … vernommen. Außerdem hat sie eine Stellungnahme des sachverständigen Zeugen … vom 23.02.2003 eingeholt. Der Zeuge war behandelnder Arzt. Die Stellungnahme ist den Beteiligten bekannt gegeben worden. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Akten Bezug genommen.

 

Entscheidungsgründe

II.

Die Beschwerde der Beteiligten Ziffer 1 ist zulässig und begründet.

1. Nach § 2250 Abs. 2 BGB kann jemand, der sich in so naher Todesgefahr befindet, dass voraussichtlich auch die Errichtung eines Testaments nach § 2249 BGB nicht mehr möglich ist, das Testament durch mündliche Erklärung vor drei Zeugen errichten. Von dieser Möglichkeit hat die Erblasserin vorliegend wirksam Gebrauch gemacht.

Bereits dem Wortlaut der genannten Vorschrift lässt sich entnehmen, dass schon das objektive Vorliegen der beschriebenen Todesgefahr dem Erblasser die Möglichkeit eröffnet, nach der genannten Vorschrift zu testieren. Nichts anderes besagt auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGHZ 3, 372, 376, 377). In der angegebenen Entscheidung führt der Bundesgerichtshof aus, dass in zahlreichen, wenn nicht in den meisten Fällen der Errichtung eines Nottestamentes der Tod des Erblassers binnen so kurzer Zeit nach der Testamentserrichtung eintreten wird, dass man das Bestehen der nahen Todesgefahr zu dem maßgebenden Zeitpunkt schon nach dem Grundsatz des Anscheinsbeweises wird annehmen können. Wenn eine nahe Todesgefahr, die im Augenblick der Testamentserrichtung wirklich vorhanden ist, vorübergeht, ohne zum Tod zu führen, also in einem späteren Zeitpunkt nicht mehr besteht, so wird nach den überzeugenden Ausführungen des Bundesgerichtshofes dadurch die Tatsache, dass sie zu dem früheren Zeitpunkt bestanden hat, nicht nachträglich beseitigt. Das ist selbstverständlich und brauchte vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich hervorgehoben zu werden. Die in § 2250 Abs. 3 Satz 2 BGB angeordnete entsprechende Anwendung von § 2249 Abs. 2 BGB hat also einen Sinn nur dann, wenn neben dem Vorliegen einer wirklich nahen Todesgefahr auch die bloße Besorgnis einer solchen als Voraussetzung für die gültige Errichtung eines Nottestamentes ausreicht (BGH aaO.S. 376). Dementsprechend hat das Reichsgericht in einer sachlich nicht überholten Entscheidung vom 06.03.1943 im unmittelbaren Anwendungsbereich des Nottestamentes vor einem Bürgermeister zu § 2249 Abs. 2 Satz...

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