Entscheidungsstichwort (Thema)

Wohnraummiete: Sachdienlichkeit einer durch Einführung einer neuen Kündigung bewirkten Klageänderung

 

Leitsatz (amtlich)

Die durch Einführung einer neuen Kündigung gem BGB § 554 Abs 1 S 1 Nr 2 bewirkte Klageänderung ist auch noch in der Berufungsinstanz sachdienlich, wenn die neue Kündigung den schon erstinstanzlich geltend gemachten Zahlungsanspruch zum Gegenstand hat und lediglich der Betrag des Mietrückstandes angewachsen ist.

 

Tatbestand

Die Parteien schlossen am 1.10.1991 einen Mietvertrag über die von den Beklagten innegehaltene Wohnung. Der Kläger verlangt Rückgabe der Wohnung wegen Zahlungsverzuges der Beklagten und wegen Eigenbedarfs. Das AG Nidda hat die Klage abgewiesen, u.a. mit der Begründung, soweit sich der Kläger auf Zahlungsverzug der Beklagten stütze, sei seine Kündigung v. 3.5.1993 schon deswegen unwirksam, weil im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung der erforderliche Mietrückstand in Höhe von 2 Monatsmieten nicht vorgelegen habe. Daraufhin kündigte der Kläger das Mietverhältnis unter dem 19.11.1993 erneut wegen Zahlungsverzuges.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers gegen das Urteil des AG führt zur Verurteilung der Beklagten in die Räumung der Wohnung. Die Beklagten sind verpflichtet, die Wohnung an den Kläger zurückzugeben. Das Mietverhältnis wurde zumindest durch die Kündigung des Klägers v. 19.11.1993 beendet (§ 554 Abs. 1 Nr. 2 BGB).

Der Kläger kann sich auf die Kündigung v. 19.11.1993 stützen, obwohl er sie erst nach Rechtshängigkeit in den vorliegenden Räumungsrechtsstreit eingeführt hat. Zwar liegt in der zusätzlichen Geltendmachung dieses Beendigungsgrundes eine Klageänderung (vgl. BezG Erfurt WM 1992, 357 f.; LG Mannheim WM 1991, 687 f. und 695 f.; LG Düsseldorf WM 1990, 505), in die die Beklagten nicht eingewilligt haben. Die Kammer bejaht jedoch die Sachdienlichkeit dieser Klageänderung (§§ 263, 523 ZPO).

Eine Klageänderung kommt auch noch in der Berufungsinstanz in Betracht. Allein der Umstand, daß dem Beklagten dann hinsichtlich des anderen Klageantrages oder des anderen Klagegrundes eine Tatsacheninstanz verloren geht, gibt keinen Anlaß, die Sachdienlichkeit von vornherein zu verneinen (Baumbach/Lauterbach - Hartmann, ZPO, 49. Aufl., § 263 Anm. 3 B; Zöller - Stephan, ZPO, 17. Aufl., § 263 Rz. 14; Thomas/Putzo, ZPO, 17. Aufl., § 530 Anm. 2, jew. m.w.N.). Vielmehr kommt es darauf an, ob die Klageänderung in einer dem Beklagten zumutbaren Art und Weise - das einschränkende Merkmal der Sachdienlichkeit soll den Rechtsschutzanspruch des Beklagten sichern (Zöller-Stephan, § 263 Rz. 1) - die sachliche Erledigung des Rechtsstreits fördert und damit einem neuen Prozeß vorbeugt. Dies ist dann der Fall, wenn der Streitstoff trotz der Klageänderung im wesentlichen derselbe bleibt, wenn also durch die Verwertbarkeit des bisherigen Prozeßstoffs ein neuer Prozeß vermieden werden kann (Baumbach/Lauterbach - Hartmann, § 263 Anm. 4 B b; Zöller-Stephan, § 263 Rz. 14, jew. m.w.N.). Keine Sachdienlichkeit ist demgegenüber gegeben, sobald der Kläger durch die Klageänderung völlig neuen Prozeßstoff einzuführen beginnt, der das Gesicht des Rechtsstreits ändern und das bisherige Ergebnis der Prozeßführung weithin unverwertbar machen würde (Thomas/Putzo, § 263 Anm. 2 b). An der Sachdienlichkeit fehlt es auch dann, wenn durch eine erst in der Berufungsinstanz vorgenommene Klageänderung eine weitreichende Sachaufklärung oder die Beantwortung einer schwierigen Rechtsfrage erforderlich würde, weil dem Beklagten in einem solchen Fall die Einschränkung des Instanzenzuges nicht zumutbar ist (LG Mannheim WM 1991, 687 f. und 695 f.; LG Düsseldorf WM 1990, 505).

Vorliegend ergibt sich die Sachdienlichkeit der Klageänderung daraus, daß der Kläger den geltend gemachten Räumungsanspruch nunmehr zwar auch auf einen anderen, in erster Instanz nicht geltend gemachten Beendigungsgrund stützt, der Prozeßstoff aber dennoch weitgehend verwertbar bleibt. Auch die neue Kündigung hat den schon bislang geltend gemachten Zahlungsverzug zum Gegenstand, lediglich der Betrag des Mietrückstandes ist angewachsen. Der Sachdienlichkeit steht auch keine Beeinträchtigung des Rechts der Beklagten entgegen, die auf eine Kündigung wegen Zahlungsverzuges gestützte Räumungsklage binnen eines Monats nach Rechtshängigkeit des Räumungsanspruchs durch vollständige Befriedigung des Vermieters abzuwehren (§ 554 Abs. 2 Nr. 2 S. 1 BGB). Wird die Kündigung wie vorliegend erst in zweiter Instanz im Rahmen der Berufungsbegründung in den Prozeß eingeführt, läuft die Frist mit Zustellung dieses Schriftsatzes (vgl. LG Mannheim WM 1991, 687 f.).

In der Sache ist die Kündigung v. 19.11.1993 gerechtfertigt. Die Beklagten befanden sich im Zeitpunkt des Zugangs dieser Kündigung durch die Einbehaltung von Teilen des vereinbarten Mietzinses seit Dezember 1992 mit einem Gesamtbetrag von über 2 Monatsmieten in Zahlungsverzug (§§ 554 Abs. 1 Nr. 2, 284 Abs. 2 S. 1 BGB). Der vereinbarte Mietzins war nicht durch Mängel de...

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