Entscheidungsstichwort (Thema)
Angemessene Stundensatzvergütung für einen isoliert beauftragten Insolvenzsachverständigen. Angemessenheit der Honorargruppe 4 des § 9 Abs. 1 JVEG für die Tätigkeit eines Insolvenzsachverständigen in juristischer als auch in betriebswirtschaftlicher Hinsicht
Leitsatz (amtlich)
1. Dem „isoliert” beauftragten Insolvenzsachverständigen steht nicht zuletzt aus verfassungsrechtlichen Aspekten eine angemessene Stundensatzvergütung in Höhe von EUR 80,–/Stunde zu.
2. Der Vergleich mit der „Honorargruppe 4” des § 9 Abs.1 JVEG würde der Tätigkeit des Insolvenzsachverständigen in juristischer als auch in betriebswirtschaftlicher Hinsicht in der Regel nicht gerecht werden.
Normenkette
JVEG § 9 Abs. 1 S. 3; InsO § 5; GG Art. 3; JVEG § 9 Abs. 1-2
Verfahrensgang
Tatbestand
I.
Aufgrund eines Eigenantrags des Schuldners zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens beauftragte das AG den Beschwerdegegner mit der Erstellung eines schriftlichen Gutachtens gem. § 5 InsO zur Aufklärung des Sachverhalts.
Am 29.11.2011 wurde das Insolvenzverfahren entsprechend der Empfehlungen in dem erstatteten Gutachten unter Stundung der Verfahrenskosten eröffnet. Der Beschwerdegegner wurde zum Insolvenzverwalter bestellt.
Mit Schreiben v. 1.12.2011 beantragte der Beschwerdegegner die Begleichung seiner Kostenrechnung als Sachverständiger. Er setzte für die vor Insolvenzeröffnung erbrachte gutachterliche Tätigkeit einen Stundensatz von 80 EUR an.
Mit richterlichem Beschl. v. 7.12.2011, zugegangen bei dem Beschwerdeführer am 10.12.2011, wurde festgestellt, dass der Sachverständige unter Berücksichtigung des § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG, mit einem Stundensatz von 80 EUR zu vergüten sei, vergleichbar mit der Honorargruppe 7 der Anlage zu § 9 Abs. 1 Satz 1 JVEG.
Das Gericht verweist zur Begründung u.a. auf seine Argumentation in dem Beschluss des AG Hamburg v. 29.3.2010, ZInsO 2010, 734 auf den an dieser Stelle ergänzend Bezug genommen wird. Der isolierte Sachverständige habe vielfältige Prüfungsaufgaben (vgl. Beschl. v. 24.6.2010 – GZ 67c 179/10). Er könne hierbei nicht auf Erkenntnisse zurückgreifen, die er als vorläufiger Insolvenzverwalter für den konkreten Einzelfall bereits erworben habe. Er erhalte parallel auch keine Vergütung als vorläufiger Insolvenzverwalter. Er sei der verlängerte Arm des Gerichts und habe umfassend und sorgfältig zu prüfen und zu begründen. Hierfür benötige er besondere Qualifikationen in juristischen und betriebswirtschaftlichen Bereichen, die eine universitäre Ausbildung erforderten. Eine erhöhte Vergütung entsprechend der Berufsgruppen der Honorargruppe 7 sei daher angemessen. Das HansOLG Hamburg habe insoweit zwar anders entschieden (OLG Hamburg, ZInsO 2010, 634 f. [65 EUR entsprechend der Honorargruppe 4]). Diese Entscheidung habe die Wertungen des BVerfG in der Entscheidung v. 29.11.2005 (ZIP 2006, 86 [BVerfG 29.11.2005 – 1 BvR 2035/05]) jedoch nicht ausreichend berücksichtigt.
Das AG hat in seinem Beschluss die Beschwerde ausdrücklich zugelassen.
Mit Schreiben v. 7.12.2011 legte der Bezirksrevisor daher Beschwerde ein. Er führt unter Bezugnahme auf die Entscheidung des OLG Hamburg, ZInsO 2010, 634 f. aus, nach § 9 Abs. 1 Satz 3 JVEG sei der Sachverständige grds. entsprechend eines zum Sachverständigen bestellten vorläufigen Insolvenzverwalters mit einem Stundensatz von lediglich 65 EUR zu vergüten (vergleichbar mit Honorargruppe 4 des § 9 Abs. 1 Satz 1 JVEG; vgl. mit § 9 Abs. 2 JVEG). Die Leistungen des isolierten Sachverständigen seien mit den Leistungen des vorläufigen Insolvenzverwalters als Sachverständigen i.d.R. vergleichbar, sofern keine besonderen Umstände hinzuträten (z.B. Immobilienbewertungen, noch bestehendes, fortzuführendes Unternehmen, überdurchschnittlich kompliziert zu bewertende Verbindlichkeiten). Ein höherer Zeitaufwand für eine gewissenhaftere Prüfung sei über die in Rechnung gestellten Zeitstunden abzurechnen, nicht über den Stundensatz. Für die Einstufung in die maßgebliche Honorargruppe seien die konkret erbrachten Leistungen im jeweiligen Einzelfall maßgeblich. Im hier vorliegenden Fall seien keine Besonderheiten zu verzeichnen, die eine höhere Vergütung rechtfertigen könnten.
Die Praxis zeige ferner, dass nahezu alle massearmen Insolvenzverfahren letztendlich doch eröffnet würden und der zunächst isoliert bestellte Sachverständige sodann als Insolvenzverwalter bestellt werde. Es sei also nicht sachfremd, darauf beruhende Synergieeffekte bei der Festsetzung der angemessenen Vergütung im Rahmen der Ermessensentscheidung mindernd zu berücksichtigen, statt im Nachhinein die Insolvenzverwaltertätigkeit mit Abschlägen zu belasten, die selten akzeptiert würden. Die in diesen Verfahren regelmäßig nur anfallende geringe Mindestvergütung werde in der Gesamtschau durch andere Tätigkeiten in lukrativeren, massereicheren Insolvenzverfahren kompensiert. Insgesam...