Entscheidungsstichwort (Thema)
Mietpreisüberhöhung. geringes Angebot
Orientierungssatz
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
1. Für höchstens durchschnittlich ausgestattete Wohnungen in normaler Lage besteht in den Ballungsgebieten allgemein ein geringeres Angebot, dem erhöhte Nachfrage gegenübersteht. Das gilt auch für Hamburg. Das Angebot verknappt sich.
2. Die Annahme eines geringen Angebots an Wohnraum verlangt keine Unterversorgung. Die Angebotsverknappung kann Personengruppen betreffen oder ein bestimmtes Wohnquartier. Das Preis-Leistungsverhältnis indiziert die verstärkte Nachfrage, die der Täter der Mietpreiserhöhung ausnutzt.
Gründe
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
1. Der Beklagte greift das Urteil des AG nicht an, soweit dieses davon ausgegangen ist, daß die zwischen den Parteien geltende Netto-Kaltmiete von DM 490,- für die 1980 bezugsfertig gewordene, 50,28 qm große 2-Zimmer-Wohnung wesentlich über der ortsüblichen Miete liegt. Nach dem Ergebnis der Augenscheinseinnahme durch das AG ist die Wohnung mit einem Bad ausgestattet. Ein Zimmer und die Küche werden mit Außenwandgasöfen beheizt, ein weiteres Zimmer durch einen Elektroradiator. Wohnwerterhöhend ist die Thermopaneverglasung zu berücksichtigen. Die Wohnanlage ist zutreffend als normal bewertet worden. Die vom Kläger angesetzte ortsübliche Miete von DM 7,-/qm netto kalt entspricht zur Zeit der Anmietung am 1.7.1984 dem Oberwert des Mietenspiegels 1984 (DM 7,01 qm) und dem oberen Drittelwert aus der einschlägigen Mietspanne des Mietenspiegels 1986 (DM 6,94/qm). Eine höhere Miete wäre im Hinblick auf die Wohnwertmerkmale nicht zu rechtfertigen. Die vom AG angesetzte Wesentlichkeitsgrenze von 20% entspricht gesicherter Rechtsprechung (OLG Stuttgart WM 1981, 225; OLG Hamburg WM 1983, 20; OLG Frankfurt WM 1985, 139). Sie führt dazu, daß eine über (DM 8,40 x 50,28 =) DM 422,35 hinausgehende Miete überhöht ist. Die Mietdifferenz für die Zeit von Juli 1984 bis Februar 1987 beträgt daher (32 x 67,65 =) DM 2.164,80.
2. Der Beklagte wendet sich zu Unrecht gegen die Feststellung des AG, daß zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses am 1.7.1984 ein geringes Angebot an vergleichbarem Wohnraum vorgelegen hat und die Miethöhe auf dessen Ausnutzung beruht.
a) Die Kammer ist bei Vertragsabschlüssen bis zur Jahreswende 1982/83 in ständiger Rechtsprechung davon ausgegangen, daß ein geringeres Angebot an Wohnraum jedenfalls für höchstens durchschnittlich ausgestattete Wohnungen in normaler Lage bestanden hat (vgl. LG Hamburg HmbGE 1983, 477 - Urteil v. 3.7.1983 - m.w.N. aus der früheren Rechtsprechung; 16 S 280/84 - Urteil v. 6.3.1986). Diese Einschätzung ist offenbar auch vom Gesetzgeber geteilt worden, wie die Materialien zum Gesetz zur Erhöhung des Angebots an Mietwohnungen v. 20.12.1982 (BGBl. I 1912) ergeben. In der Entwurfsbegründung der Fraktionen von CDU/CSU und FDP (BT-Drs 9/2079) wird auf die "besorgniserregende Entwicklung auf dem Wohnungsmarkt" und die von Jahr zu Jahr gestiegene Nachfrage an Wohnraum hingewiesen. Vor allem in den großen Städten - und dies kann auf Hamburg ohne weiteres bezogen werden - und dem Umland sei der Wohnungsmarkt in den letzten Jahren aus dem Gleichgewicht geraten. Unter einer schärfer werdenden Nachfragekonkurrenz hätten vor allem kinderreiche Familien, Alleinstehende, Aussiedler, Behinderte sowie ältere Menschen zu leiden (Seite 7), und - so kann man hinzufügen - Einkommensschwache ebenso wie Arbeitslose und in der Ausbildung Befindliche. Die Kammer legt zugrunde, daß solche Aussagen im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens auf realen Grundlagen sowie deren sorgfältiger Ermittlung beruhen und steht nicht an, diese in Zweifel zu ziehen.
b) Nach dem gegenwärtigen Stand der wohnungsmarktpolitischen Erkenntnisse ist jedenfalls seit 1988 eine zunehmende Verknappung an preiswertem Wohnraum der hier in Rede stehenden Art auszumachen, und es bestehen Schwierigkeiten, die einkommensschwächeren Bevölkerungsschichten angemessen zu versorgen. Dies folgt aus den aktuellen Berichten des Zentralverbandes der deutschen Haus-, Wohnungs- und Grundeigentümer. Danach geht die Bundesregierung von einer mittel- und langfristig weiter zunehmenden Wohnungsnachfrage jedenfalls auf bestimmten regionalen Teilmärkten (Ballungszentren) aus, wobei die im Jahre 1988 stark angewachsenen Zuwanderungen noch nicht berücksichtigt sind (DWW 1988, 339). Seit dem Spätsommer 1988 hat die Bundesregierung ein umfangreiches Bund/Länderprogramm zur Förderung der Wohnungsversorgung von Aussiedlern und Zuwanderern beschlossen (DWW 1988, 338; GWW 1988, 575; zur Förderung in Hamburg vgl. GWW 1989, 60). Dies ist nur daraus zu erklären, daß für diese Menschen eine Leerraumreserve an angemessenem und tragbarem Wohnraum nicht mehr zur Verfügung steht (vgl. auch DWW 1988, 298). In diese Prognose wird die Wohnungsmarktentwicklung innerhalb des europäischen Binnenmarktes eingebunden (vgl. DWW 1989, 152). Die danach auf Wohnungsbauförderung ausgerichtete Wohnungspolitik we...