Entscheidungsstichwort (Thema)

Zu Inhalt und Grenzen der Meinungs- und Pressefreiheit

 

Orientierungssatz

(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)

1. Zu Inhalt und Grenzen der Auseinandersetzung einer sog. Stadtzeitung und eines von ihr kritisierten Vermieters.

(von der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofes)

2. Wird eine Unterlassungsklage wegen ehrenrühriger Äußerungen in einem Zeitungsartikel erhoben, ist zunächst zu prüfen, ob sich die beanstandeten Äußerungen als Tatsachenbehauptung oder als reine Meinungsäußerung darstellen. Ob eine Äußerung als Tatsachenbehauptung oder als Meinungsäußerung einzuordnen ist, beurteilt sich danach, ob ihr Gehalt einer objektiven Klärung zugänglich ist und als etwas Geschehenes grundsätzlich dem Beweis offensteht (so auch BGH, 1974-05-30, VI ZR 174/72, DB 1974, 1429).

a) Die Behauptung jemand habe dem Mieter rechtlich unwirksam gekündigt, stellt - jedenfalls solange über diese Frage (noch) keine rechtskräftige gerichtliche Entscheidung ergangen ist - die Wiedergabe einer Rechtsauffassung dar, die auf einer subjektiven Bewertung des Behauptenden beruht. Es verhält sich hier ähnlich wie mit der Bezeichnung eines Verhaltens als "illegal"; diese Rechtsauffassung mag als Äußerung einer bloß subjektiven Wertung falsch oder richtig sein; man kann indes nicht sagen, die Äußerung sei entweder wahr oder unwahr (so auch BGH, 1982-06-22, VI ZR 251/80, NJW 1982, 2246).

b) Werden Tatsachenbehauptungen und Werturteile verschiedenster Art in einer Äußerung miteinander verbunden, so handelt es sich um eine sogenannte "gemischte Äußerung". Für die Unterscheidung zwischen Tatsachenbehauptung und Werturteil kommt es bei gemischten Äußerungen entscheidend darauf an, ob der tatsächliche Gehalt der Äußerung so substanzarm ist, daß er gegenüber der subjektiven Wertung in den Hintergrund tritt oder ob das nicht der Fall ist.

c) Wird in einem Zeitungsartikel über eine fremde Behauptung berichtet und diese dann kommentiert, so kommt es für die Frage, ob es sich hierbei um ein Werturteil oder um eine Tatsachenbehauptung handelt, darauf an, ob der Artikel selbst sich die inkriminierte Behauptung zu eigen macht oder nicht.

3. Handelt es sich bei den beanstandeten Äußerungen um Werturteile, so kann zwar deren Unterlassung dann verlangt werden, wenn es sich um ehrverletzende Meinungsäußerungen handelt. Doch setzt das voraus, daß sich der Beklagte nicht auf ein berechtigtes Interesse an der Wiederholung seiner Kritik bzw Meinungsäußerung berufen kann. Eine derart erforderliche Interessenabwägung ist dabei an den Wertvorstellungen von GG Art 5 Abs 1 auszurichten.

4. Handelt es sich dagegen um eine Tatsachenbehauptung, dann ist ein Unterlassungsanspruch nur begründet, wenn die Behauptung falsch bzw unwahr und außerdem ehrenrührig ist.

5. Stellt der Kläger einen Antrag auf Widerruf der beanstandeten Äußerungen, so kann er sich damit nur gegen Tatsachenbehauptungen wenden. Dagegen kann ein Widerruf von Äußerungen, die eine subjektive Meinung, ein wertendes Urteil enthalten, nicht verlangt werden. GG Art 5 Abs 1, der die freie Meinung gewährleistet, verbietet es, auf diese Weise die Aufgabe einer nur wertenden Kritik mit staatlichen Mitteln - sei es auch vor den Gerichten - zu erzwingen.

 

Tatbestand

(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)

Die Beklagten sind die Herausgeber des Publikationsorgans "S.-Stadtzeitung". Der Beklagte Ziff. 5 ist außerdem verantwortlicher Redakteur im Sinne des Presserechts für die Ausgabe Oktober 1982.

In der genannten Ausgabe ist ein Artikel veröffentlicht, der sich mit dem Kläger und seinen Aktivitäten auf dem örtlichen Grundstücksmarkt und Wohnungsmarkt beschäftigt. Der Artikel erscheint unter der Rubrik "Ein Vermieter ganz besonderer Art" und trägt die Überschrift: "Ein Spekulant nimmt sich, was er braucht." In der sich über ca. 1 1/2 Seiten erstreckenden Veröffentlichung werden verschiedene Äußerungen in bezug auf den Kläger gebraucht, gegen deren Verwendung der Kläger sich wehrt. Nach seiner Ansicht sind die in der Stadtzeitung aufgestellten Behauptungen samt und sonders, soweit sie mit der Klage angegriffen werden, unrichtig und ehrenrührig.

Der Kläger beantragt deshalb die Verurteilung der Beklagten zur Unterlassung, in der Stadtzeitung zu behaupten oder behaupten zu lassen, daß

der Kläger ein Spekulant sei, der sich nehme, was er brauche;

der Kläger dem Mieter M. rechtlich wirkungslos gekündigt habe;

der Hauskauf des Hauses X.-Straße dem Kläger vor allem als Mittel, schnell und billig zu Geld zu kommen gedient habe; der Kläger es abgelehnt habe, eine fällige Rechnung der Fa. F. zu begleichen; der Kläger ein Haus an sich selbst verkauft habe, um wieder liquide und kreditwürdig zu werden oder der Kläger nicht liquide und kreditwürdig sei.

Desweiteren begehrt der Kläger die Verurteilung der Beklagten zum Widerruf der Behauptungen und zur Zahlung eines angemessenen Schmerzensgeldes.

Die Beklagten sind der Ansicht, die beanstandeten Behauptungen seien samt und sonders entweder wahr od...

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