Orientierungssatz
Legt ein Verurteilter gegen einen Gesamtstrafenbeschluss sofortige Beschwerde ein, nachdem ihm eine mit der Urschrift des Beschlusses in wesentlichen Teilen nicht übereinstimmende Beschlussausfertigung zugestellt worden war, und nimmt er das Rechtsmittel nach Zustellung einer inhaltlich zutreffenden Ausfertigung wieder zurück, sind die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten darin entstandenen notwendigen Auslagen der Staatskasse aufzuerlegen.
Verfahrensgang
AG Mannheim (Entscheidung vom 10.09.2012; Aktenzeichen 29 Cs 406 Js 2665/12) |
Tenor
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten darin entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.
Gründe
Nachdem der Verurteilte am 07.11.2012 seine sofortige Beschwerde gegen den Gesamtstrafenbeschluss des Amtsgerichts Mannheim vom 10.09.2012 zurückgenommen hatte, war nur noch über die Verpflichtung zur Tragung der Kosten des Beschwerdeverfahrens und der dem Verurteilten darin entstandenen notwendigen Auslagen zu entscheiden. Diese waren in entsprechender Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO der Staatskasse aufzuerlegen.
Zwar treffen nach § 473 Abs. 1 StPO die Kosten eines zurückgenommenen Rechtsmittels grundsätzlich den, der es eingelegt hat. Dies würde aber im vorliegenden Fall zu einem offensichtlich unbilligen Ergebnis führen. Dem Verurteilten war nämlich eine Ausfertigung des Beschlusses vom 10.09.2012 zugestellt worden, die in wesentlichen Punkten nicht mit der Urschrift übereinstimmte. Während durch den angefochtenen Beschluss ausweislich seiner Urschrift aus zwei Straferkenntnissen vom 10.02.2012 (Geldstrafe von 70 Tagessätzen zu je € 10,00) und vom 13.07.2012 (Geldstrafe von 60 Tagessätzen zu je € 10,00) eine Gesamtgeldstrafe von 100 Tagessätzen zu je € 10,00 gebildet worden war, enthielt die dem Verurteilten übersandte Ausfertigung Beschlussgründe des Inhalts, dass die Strafen aus zwei Verurteilungen vom 10.02.2012 und vom 29.02.2012 - die indes nicht den Verurteilten betrafen - zu einer Gesamtstrafe von 100 Tagessätzen zusammengefasst worden seien. Diese Gesamtstrafe wäre darüber hinaus im Ergebnis unter Verstoß gegen § 54 Abs. 2 Satz 1 StGB gebildet worden, da die Einzelstrafen 50 Tagessätze und 20 Tagessätze betragen hatten. Nachdem der Verurteilte vom Amtsgericht auf diesen Umstand hingewiesen worden und ihm eine - nunmehr zutreffende - Ausfertigung des Gesamtstrafenbeschlusses zugestellt worden war, hat er innerhalb der Beschwerdefrist sein Rechtsmittel zurückgenommen.
Bei dieser Sachlage ist offensichtlich, dass der Verurteilte, wie die sofortige Rücknahme der Beschwerde durch den Verurteilten nach Zustellung der zweiten Ausfertigung zeigt, die sofortige Beschwerde nur eingelegt hatte, weil die ihm zunächst übersandte Beschlussausfertigung inhaltlich eindeutig unzutreffend und für den Verurteilten unverständlich war. Durch die Zustellung der richtigen Beschlussgründe wurde deshalb diesem Rechtsmittel der Boden entzogen, ohne dass dies durch den Verurteilten veranlasst worden wäre.
Es ist anerkannt, dass, wenn ein Angeklagter eine Revision zurücknimmt, weil das Berufungsurteil nachträglich berichtigt und damit der Beschwerdepunkt ausgeräumt worden ist, die Vorschrift des § 473 Abs. 1 StPO keine Anwendung findet, sondern Kosten und Auslagen der Revisionsinstanz vielmehr entsprechend § 467 Abs. 1 StPO von der Staatskasse zu tragen sind (OLG Saarbrücken VRS 49 ≪1975≫, 436; Meyer-Goßner, StPO, 55. Auflage, § 473 RN 5; Löwe-Rosenberg-StPO-Hilger, 26. Auflage, § 473 RN 4). Nichts anderes kann nach Auffassung der Kammer im vorliegenden Fall gelten: Zwar lag hier von Anfang an keine Unrichtigkeit der Beschlussgründe vor, so dass diese auch nicht berichtigt werden konnten. Dies war jedoch für den Verurteilten zu dem Zeitpunkt, als er die Beschwerde gegen den Gesamtstrafenbeschluss einlegte, nicht erkennbar, da ihm zu diesem Zeitpunkt bis auf die erste - offensichtlich fehlerhafte - Ausfertigung keinerlei Unterlagen zur Verfügung standen. Diese Ausfertigung war auch nicht erkennbar für einen anderen als den Verurteilten bestimmt gewesen, denn die Zustellung war ausschließlich an ihn adressiert gewesen und die Beschlussausfertigung trug im Rubrum seine zutreffenden Personalien. Der Grund für die Einlegung des Rechtsmittels und damit für ein kosten- und auslagenverursachendes Prozessverhalten des Verurteilten lag daher in diesem Fall allein in dem Verhalten des Gerichts; hingegen kann nicht davon gesprochen werden, dass der Verurteilte die durch das von ihm zurückgenommene Rechtsmittel ausgelösten Kosten und Auslagen durch die Rechtsmitteleinlegung veranlasst gehabt hätte (zum Veranlassungsprinzip in diesem Zusammenhang vgl. OLG Saarbrücken aaO).
Daraus folgt nach Ansicht der Kammer, dass dann im vorliegenden Fall auch nicht die gleichfalls dem Veranlassungsprinzip folgende Vorschrift des § 473 Abs. 1 StPO Anwendung finden kann. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die dem Verurteilten darin entstandenen ...