Entscheidungsstichwort (Thema)
Verkehrsunfall mit Fußgänger
Leitsatz (amtlich)
Ereignet sich ein Verkehrsunfall in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit dem überqueren der Fahrbahn durch einen Fußgänger, spricht der Beweis des ersten Anscheins dafür, dass ein Fußgänger ohne hinreichende Beachtung des Fahrzeugsverkehrs auf die Fahrbahn getreten ist.
Normenkette
BGB § 823 Abs. 1-2, § 253; StVO § 25 Abs. 3 S. 1
Tenor
Die Beklagte wird weiter verurteilt, an den Kläger jeweils im Voraus eine monatliche Schmerzensgeldrente in Höhe von 120,00 € zu zahlen.
Es wird festgestellt, das die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger sämtliche weiteren immateriellen und materiellen Schäden zu ersetzen, die ihm infolge des Verkehrsunfalls vom 02.04.2002 erwachsen sind und noch erwachsen werden, soweit diese nicht schon durch die zugesprochenen Beträge erfasst sind, jedoch unter Berücksichtigung eines Mitverschuldensanteils des Klägers in Höhe von 60 %, und soweit etwaige Ansprüche nicht bereits auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder noch übergehen werden.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Beklagte zu 40 %, der Kläger zu 60 %.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar
Tatbestand
Der Kläger nimmt die Beklagte auf Schadensersatz und Schmerzensgeld sowie Feststellung der Ersatzpflicht für alle künftigen Schäden aus einem Verkehrsunfall in Anspruch, an dem er am 02.04.2004 gegen 16:30 Uhr als Fahrer des Kraftrades Yamaha, amtliches Kennzeichen, auf der Dahlener Straße in Mönchengladbach-Rheydt beteiligt war.
Zur angegebenen Zeit befuhr der Kläger den linken Fahrstreifen der Dahlener Straße in Richtung Rheydt-Innenstadt. Die Dahlener Straße verläuft als innerörtliche Einbahnstraße mit zwei Fahrstreifen in Richtung Stadtzentrum. Die Straße ist insgesamt 6,3 m breit. Die 3,0 m (rechts) und 3,3 m (links) breiten Fahrstreifen sind durch eine unterbrochene Linie voneinander getrennt. Neben dem linken Fahrstreifen befindet sich ein Parkstreifen, an den sich der Gehweg anschließt (Lichtbilder, Bl. 10 d. A.). Die Asphalt-Fahrbahnoberfläche war zum Unfallzeitpunkt trocken. Ob neben dem Kläger weitere Fahrzeuge auf der Straße fuhren, ist zwischen den Parteien streitig.
In Höhe des Hauses Nr. 66 kam es auf der Mitte des linken Fahrstreifens zu einer Kollision des Klägers mit der Beklagten, die die Fahrbahn der Dahlener Straße überqueren wollte (Verkehrsunfallskizze, Bl. 11 d. A.).
Eine dem Kläger am Unfalltag gegen 18:40 Uhr entnommene Blutprobe wies eine Blutalkoholkonzentration von 1,23 Promille aus (Bl. 37 der Beiakte). Eine am 08.04.2002 durchgeführte toxikologische Untersuchung ergab einen positiven Befund im Hinblick auf Tetrahydrocannabinol (THC), dessen Nachweis auf einen kürzlich erfolgten Cannabis-Abusus hinwies (Bl. 39 f. der Beiakte 40I Js 356/02).
Während die Beklagte lediglich Quetschungen, Hämatome und Schürfwunden an den linksseitigen Extremitäten (Knie, Oberschenkel, Oberarm) erlitt, wurde der zum Unfallzeitpunkt 26-jährige Kläger bei dem Unfallereignis schwer verletzt. Er erlitt ein Schädelhirntrauma 1. Grades, eine Rippenserienfraktur links, eine Claviculafraktur links, einen beidseitigen Hämatothorax sowie eine beidseitige Lungenkontusion. Daneben führten die unfallbedingten Verletzungen zu einer irreversiblen Querschnittslähmung ab dem 6. Brustwirbel mit einer neurogenen Harnblasen- und Darmentleerungsstörung, was eine hundertprozentige Invalidität zur Folge hatte. Die Lähmung und der vollständige Verlust der Sensibilität der unteren Körperhälfte reichen bis knapp über dem Nabel (Arztbrief vom 28.06.2002, Bl. 29-32 d. A.).
Der Kläger wurde vom 02.04. zum 01.07.2002 stationär in verschiedenen Krankenhäusern behandelt. Im Rahmen dieser Behandlung kam es zu einer beidseitigen periartikulären Ossifikation. Zudem mussten dem Kläger 11 hochkariöse Zähne entfernt werden (Arztbrief vom 28.06.2002, Bl. 29-32 d. A.). Vom 20.09. bis zum 06.12.2004 nahm der Kläger eine Rehabilitationsmaßnahme im neurologischen Reha-Zentrum Godeshöhe in Bonn teil.
Aufgrund der Querschnittslähmung ist der Kläger ständig auf einen Rollstuhl angewiesen. Die dadurch bedingte Blasenentleerungsstörung führt zu Inkontinenz und erfordert einen ständigen Katheterismus. Das ständige Sitzen im Rollstuhl erhöht die Gefahr von Thrombosen und führt zeitweise zu Druckgeschwüren. Überdies ist die sexuelle Empfindsamkeit stark eingeschränkt. Durch die unfallbedingte Beschädigung der Lunge ist das Lungenvolumen des Klägers deutlich herabgesetzt, was Beschwerden beim Atmen zur Folge hat.
Der Kläger behauptet, er habe keine eigene Erinnerung an das Unfallgeschehen. Im Hinblick auf das Verhalten der Beklagten mache er sich jedoch die Aussagen der Zeugen und im strafrechtlichen Ermittlungsverfahren zu Eigen. Diese hätten übereinstimmend ausgesagt, aus Sicht des Klägers habe die Beklagte die Dahlener Straße von links nach rechts überquer...