Entscheidungsstichwort (Thema)
Verwertbarkeit eines nach einem Mieterhöhungsverlangen erstellten Mietspiegels als Beweismittel im Zustimmungsprozeß
Orientierungssatz
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
1. Der Mietspiegel 1994 der Stadt Germering kann vom Gericht als allgemein zugänglich Erkenntnisquelle im Rahmen freier richterlicher Beweiswürdigung der Entscheidung im Zustimmungsprozeß zur Mieterhöhung zugrundegelegt werden. Dies gilt auch insoweit, als das Zustimmungsverlangen zur Mieterhöhung vor der Aufstellung des Mietspiegels und vor dem 1.9.1993 abgegeben wurde.
(von der Dokumentationsstelle des Bundesgerichtshofes)
2. Zitierung: Vergleiche BVerfG, 1990-04-03, 1 BvR 268/90, NJW 1992, 1377.
Gründe
(aus Wohnungswirtschaft & Mietrecht WuM)
Der Klägerin steht kein Anspruch gemäß § 2 MHG auf Erhöhung der bisher gezahlten Grundmiete von DM 1.001,10 zu, so daß die Klage abzuweisen war.
Die bisher für die 86,6 qm große 4-Zimmerwohnung, Baujahr 1964, bezahlte Grundmiete von DM 11,56/qm liegt bereits über der ortsüblichen Vergleichsmiete von DM 11,12/qm. Die ortsübliche Vergleichsmiete entnimmt die Kammer der Tabelle 1 des Mietspiegels der Stadt Germering mit Stand 1.1.1994 .....
Der von der Stadt Germering erstellte und veröffentlichte Mietspiegel wird von der Kammer als allgemein zugängliche Erkenntnisquelle im Rahmen freier richterlicher Beweiswürdigung gemäß § 286 ZPO der Entscheidung zugrundegelegt (LG München I WM 1992, 25, 26; Voelskow, ZMR 1992, 326, 327 f.). In dem Mietspiegel sind ca. 50% aller frei finanzierten Germeringer Mietwohnungen in Häusern mit wenigstens 4 Wohnungen statistisch ausgewertet, so daß eine sehr breite Vergleichsgrundlage vorliegt, die von einem Sachverständigengutachten nur schwer zu erreichen ist.
Die Klägerin hat keine Einwendungen vorgebracht, die die grundsätzliche Verwertbarkeit des Mietspiegels als Erkenntnismittel der Kammer in Frage stellen. Sie hat auch nicht vorgetragen, daß bei der Beurteilung der streitgegenständlichen Wohnung Besonderheiten zu berücksichtigen seien, die keinen Eingang in die Analyse des Mietspiegels gefunden hätten und deshalb eine Beweiserhebung durch Erholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich machten.
Bedenken gegen die Anwendung des Mietspiegels im konkreten Fall ergeben sich auch nicht daraus, daß dem Mietspiegel entsprechend der nach dem 1.9.1993 geltenden Rechtslage (§ 2 Abs. 1 Nr. 2 MHG) die Vergleichsmieten von 4 Jahren, also ab 1.1.1990, zugrundeliegen, während das Erhöhungsverlangen der Klägerin v. 20.8.1993 nach den gemäß § 2 MHG alter Fassung maßgeblichen Vergleichsmieten der letzten 3 Jahre zu beurteilen ist. Die Mietvereinbarungen des Zeitraums 1.1.1990 bis 20.8.1990, die in den Mietspiegel Eingang gefunden haben, dürften somit bei der Prüfung des klägerischen Mieterhöhungsverlangens nicht berücksichtigt werden. Die Klägerin hat jedoch nicht vorgetragen, daß in diesem Zeitraum im Großraum München, zu dem Germering zählt, deutlich niedrigere Mieten vereinbart worden wären, während es ab 20.8.1990 zu einem deutlichen Anstieg der Mieten gekommen sei. Zwar ist davon auszugehen, daß das Mietniveau im ersten Dreivierteljahr 1990 etwas niedriger lag als in den folgenden Jahren. Im statistischen Mittel ergäbe sich jedoch nach Überzeugung der Kammer bei Nichtberücksichtigung dieses Zeitraums jedenfalls kein höherer Quadratmeterpreis als der von der Klägerin bisher schon erhaltene von DM 11,56/qm, der um DM 0,44 über dem zum 1.1.1994 geltenden liegt.
Auch die ab 1.9.1993 eingetretene Herabsetzung der Kappungsgrenze von 30% auf 20% hindert die Anwendung des Mietspiegels im konkreten Fall nicht. Diese lediglich einen Zeitraum der letzten 4 Monate erfassende Herabsetzung um 10% ist bei der dargestellten erheblichen Differenz zwischen der jetzt geltenden ortsüblichen Vergleichsmiete und der bereits gezahlten Miete unbeachtlich.
Die Anwendung des Mietspiegels auf das vor seiner Aufstellung erhobene Mieterhöhungsverlangen steht nicht im Widerspruch zu den Entscheidungen des BVerfG in NJW 1992, 1377 (= WM 1992, 48) und des LG Hamburg WM 1990, 310: In diesen Entscheidungen ging es um die Frage der Anwendung eines zum Zeitpunkt des Erhöhungsverlangens geltenden Mietspiegels und die Nichtanwendung eines danach erstellten, auf den eine Erhöhung der Miete gestützt werden sollte. Damit ist der hier vorliegende Fall, daß einem erstmalig aufgestellten Mietspiegel eine weit niedrigere ortsübliche Vergleichsmiete zu entnehmen ist als die bisher gezahlte, nicht vergleichbar.
Fundstellen