Verfahrensgang
AG Wiesbaden (Urteil vom 14.12.1987; Aktenzeichen 98 C 1422/87) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das am 14.12.1987 verkündete Urteil des Amtsgerichts Wiesbaden abgeändert und die Klage abgewiesen.
Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Tatbestand
Die Beklagten mieteten 1980 mündlich von dem Vater der Klägerin als dem Eigentümer des Hauses Bernhard-Schwarz-Straße 23 in Wiesbaden-Schierstein eine Ein-Zimmer-Dachgeschoßwohnung zum monatlichen Mietzins von 159,10 DM.
Die Klägerin wurde nach dem Tode ihres Vaters am 1.1.1984 dessen Rechtsnachfolgerin und als neue Eigentümerin im Grundbuch eingetragen.
Mit Schreiben vom 11.3.1987 kündigte sie den Beklagten das Mietverhältnis zum 30.9.1987 mit der Begründung, sie benötige die Wohnung für ihre 20-jährige Tochter, die derzeit noch ein nur 14 qm großes Zimmer bewohne. Die Beklagten, vertreten durch den Mieterschutzverein Wiesbaden e.V., widersprachen am 15.7.1987 dieser Kündigung und verlangten eine Fortsetzung des Mietverhältnisses auf unbestimmte Zeit, weil sie trotz intensiver Suche bisher keinen angemessenen Ersatzwohnraum gefunden hätten.
Die Klägerin hat behauptet, ihre derzeit nur unzureichend untergebrachte Tochter wolle in die Wohnung der Beklagten ziehen.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die von ihnen im Dachgeschoß des Hauses Bernhard-Schwarz-Straße 23 in Wiesbaden-Schierstein innegehaltene Wohnung bestehend aus einem Zimmer, einer Küche, Toilette zu räumen und an die Klägerin herauszugeben.
Die Beklagten haben beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie haben ihren Widerspruch auf eine Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum 30.11.1987 hin befristet und behauptet, sie hätten zum 1.12.1987 eine andere Wohnung gefunden.
Die beklagte Ehefrau sei 100 % schwerbeschädigt. Der beklagte Ehemann sei zu 60 % erwerbsunfähig.
Im übrigen sei der Eigenbedarf der Klägerin und ihrer Tochter auch nicht dringend.
Nachdem die Beklagten nach der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht am 16.11.1987 aus der Wohnung am 1.12.1987 ausgezogen sind, hat das Amtsgericht mit am 14.12.1987 verkündetem Urteil der Räumungsklage mit der Begründung stattgegeben, hinter dem Eigenbedarf der Klägerin müßten die Interessen der Beklagten an der Beibehaltung der Wohnung zurücktreten.
Mit der form- und fristgerecht eingelegten Berufung vertreten die Beklagten die Ansicht, das Amtsgericht habe übersehen, daß sie bestritten hätten, daß die Tochter der Klägerin in die frei werdende Wohnung der Beklagten einziehen wolle.
Im übrigen habe ihnen ein Anspruch auf Fortsetzung des Mietverhältnisses bis zum 30.11./1.12.1987 zugestanden, da es ihnen trotz intensiver Suche nicht gelungen sei, schon für einen früheren Zeitpunkt eine Ersatzwohnung zu finden.
Die Beklagten beantragen,
das angefochtene Urteil abzuändern und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
festzustellen, daß der Rechtsstreit in der Hauptsache erledigt ist.
Sie ist der Auffassung, den Beklagten habe ein Anspruch auf Fortsetzung des Mietverhältnisses nicht zugestanden, da sie lange genug Zeit für die Wohnungssuche gehabt und im übrigen auch nicht dargelegt hätten, welche konkreten Schritte sie hinsichtlich der Wohnungssuche unternommen hätten.
Wegen der Einzelheiten im übrigen wird auf den Inhalt der vorgetragenen Schriftsätze Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
Die Berufung ist zulässig; sie ist insbesondere form- und fristgerecht eingelegt und begründet worden (§§ 518, 519 ZPO).
Sie hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung.
Unzutreffend ist allerdings die Auffassung der Beklagten, das Amtsgericht habe der Räumungsklage (§§ 556, 985 BGB) schon deswegen nicht stattgeben dürfen, weil sie den zur Begründung der Kündigung angeführten Eigenbedarf der Klägerin (§ 564 b Abs. 2 Nr. 2 BGB) bestritten hätten.
Die Beklagten hatten in erster Instanz den Eigenbedarf nie bestritten, sondern nur gemeint, dieser Bedarf sei nicht dringend. Damit aber haben sie das grundsätzliche Bestehen des Eigenbedarfs eingeräumt.
Dagegen ist die Räumungsklage unbegründet, weil den Beklagten gegenüber der Klägerin ein Anspruch auf Fortsetzung des Mietverhältnisses (§ 556 a BGB) zustand.
Zwar hatten die Beklagten in ihrem fristgemäßen Widerspruch vom 15.7.1987 gegen die Kündigung noch nicht im einzelnen dargelegt, welche konkreten Maßnahmen der Wohnungssuche sie seit wann und mit welchem Ergebnis ergriffen hatten, jedoch hatten sie in der Klageerwiderung ihren Widerspruch auf den 30.11.1987 befristet und erklärt, sie hätten zum 1.12.1987 eine Ersatzwohnung gefunden.
Das Nachschieben von Gründen des Widerspruchs aber ist zulässig (Sternel, 2. Aufl., Anm. IV 112).
Ein Zwischenumzug für einen absehbaren begrenzten Zeitraum aber ist für den Mieter in der Regel unzumutbar (Sternel, 2. Aufl., Anm. IV 141); dies insbesondere dann wenn – wie hier – die Beschaffung von Ersatzwohnraum zu etwa dem Preis der alten Wohnung schwierig ist und die Beklagten nur eine Fortset...