Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Anspruchsübergang. Überleitungsfähigkeit eines Erbauseinandersetzungsanspruchs
Orientierungssatz
Der Anspruch auf Auseinandersetzung einer Erbengemeinschaft nach § 2042 BGB ist ein überleitungsfähiger Rechtsanspruch.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 23. Mai 2023 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten ist ein Überleitungsbescheid des Beklagten gemäߧ 93 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialhilfe -(SGB XII) im Streit.
Der 1954 geborene Kläger (nach vorherigem Bezug von Leistungen nach dem Gesetz über die Grundsicherung bzw. Bundessozialhilfegesetzbuch) bezieht seit dem 1. Januar 2005 Leistungen nach dem Vierten Kapitel des SGB XII vom Beklagten und bewohnt eine Einliegerwohnung in seinem Elternhaus. Im Dezember 2014 verstarb seine Mutter; er beerbte sie als Miterbe einer Erbengemeinschaft mit seiner Schwester (der Beigeladenen) zur Hälfte (Erbschein des Amtsgerichts L1 vom 25. Februar 2019). Das Erbe besteht im Wesentlichen aus dem Hausgrundstück.
Mit Bescheid vom 18. Oktober 2019 leitete der Beklagte den Anspruch des Klägers auf Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft gegenüber der Beigeladenen auf sich über. Den dagegen erhobenen Widerspruch wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. Dezember 2019 zurück.
Hiergegen hat der Kläger am 16. Januar 2020 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage erhoben. Er hat vorgetragen, er sehe sich nicht in der Lage, aus der von ihm seit 1989 bewohnten Wohnung auszuziehen, da sein Gesundheitszustand schlecht sei. Durch die Überleitung befürchte er, dass die Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft ohne Wahrung seiner Interessen durchgeführt werde, auf welche weder die Beigeladene noch der Beklagte bislang eingegangen seien.
Der Beklagte ist der Klage entgegengetreten. Er halte seine Entscheidung für rechtmäßig. Die Erbenauseinandersetzung werde von ihm ohnehin nicht aktiv weiterbetrieben; die Überleitung diene nur der Absicherung vorrangiger Ansprüche.
Die Beigeladene ist der Klage ebenfalls entgegengetreten. Sie hat ausgeführt, dass der hälftige Eigentumsanteil an dem Hausgrundstück Gegenstand einer Teilungsversteigerung zur Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft sei. Der Antrag sei bereits im Oktober 2019 beim Amtsgericht L1 (x.) eingereicht worden. Zwischenzeitlich sei der Verkehrswert festgesetzt worden und es sei demnächst mit einem Versteigerungstermin zu rechnen.
Mit Gerichtsbescheid vom 23. Mai 2023 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die zulässige Klage sei unbegründet. Der angefochtene Bescheid vom 18. Oktober 2019 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18. Dezember 2019 sei rechtmäßig. Habe eine leistungsberechtigte Person für die Zeit, für die Leistungen nach dem SGB XII erbracht worden seien, einen Anspruch gegen einen anderen, der kein Leistungsträger im Sinne des§ 12 Erstes Buch Sozialgesetzbuch - Allgemeiner Teil - (SGB I) sei, könne der Träger der Sozialhilfe nach§ 93 Abs. 1 Satz 1 SGB XII durch schriftliche Anzeige an den anderen bewirken, dass dieser Anspruch bis zur Höhe seiner Aufwendungen auf ihn übergehe. Dabei müsse der überzuleitende Anspruch lediglich mutmaßlich bestehen. Eine Überleitung sei nur dann ausgeschlossen, wenn der übergeleitete Anspruch offensichtlich nicht bestehe. Denn wäre das Bestehen des übergeleiteten Anspruchs eine objektive Rechtmäßigkeitsvoraussetzung, müsse das Gericht auch über die Rechtmäßigkeit rechtswegfremder Forderungen entscheiden. Eine derartige Überprüfung sei mit dem bestehenden gegliederten Rechtsschutzsystem aber nicht zu vereinbaren. Es sollte verhindert werden, dass das SG letztverantwortlich beispielsweise zivilrechtlich umstrittene Fragen entscheide. Die Überleitung sei daher rechtlich nicht zu beanstanden. Das Bestehen eines Anspruchs des Klägers auf Auseinandersetzung der Erbengemeinschaft nach § 2042 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) gegen die Beigeladene als Miterbin (§ 2032 BGB ) sei sogar unzweifelhaft. Der Beklagte habe zudem erkannt, dass die Überleitung in seinem Ermessen stehe. Er habe dazu ausgeführt, dass es dem Gebot der wirtschaftlichen Verwendung öffentlicher Gelder widerspreche, Sozialhilfeleistung ohne Berücksichtigung zivilrechtlicher Ansprüche zu gewähren, obwohl diese - wie hier - geeignet sein könnten, die Hilfebedürftigkeit abzuwenden. Die Überleitung sei daher notwendig, um das gesetzliche Nachrangverhältnis wiederherzustellen. Es seien keine Gründe erkennbar, um hiervon abzuweichen. Ermessensfehler des Beklagten seien danach nicht ersichtlich. Weder seien die gesetzlichen Grenzen des Ermessen überschritten noch davon in einem dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht worden. Der Beklagte habe seiner Entscheidung den zutreffenden Sachverhalt zugrunde gelegt sowie alle ermessenserheblichen Gesichtspunkte berücksichtigt ...