Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung. Leistungsausschluss wegen mindestens grob fahrlässiger Herbeiführung der Bedürftigkeit. Verschleuderung von Vermögen
Leitsatz (amtlich)
Wer bei nur sehr geringen eigenen Einnahmen (hier monatliche Altersrente in Höhe von ca. 250 €) für seine laufenden sonstigen Lebenshaltungskosten (ohne Kosten der Unterkunft) den viereinhalbfachen sozialhilferechtlichen Regelbedarf aufwendet, obwohl er ohne weiteres hätte erkennen können, dass unter diesen Umständen das noch vorhandene Vermögen innerhalb weniger Jahre aufgebraucht ist, fällt unter den Ausschlusstatbestand nach § 41 Abs. 4 SGB XII für Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung.
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 29. April 2014 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand
Zwischen den Beteiligten steht die Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem 4. Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch - Sozialhilfe - (SGB XII) im Streit.
Die geborene Klägerin lebt seit 2000 von ihrem Ehemann getrennt. Für ihre Wohnung fallen Unterkunftskosten in Höhe von insgesamt 630,00 € monatlich an. Sie bezieht eine Altersrente in Höhe von monatlich 254,18 € (jetzt aktuell 261,80 €) und ist darüber auch in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) versichert. Zudem erhielt sie ab Oktober 2009 bis einschließlich Dezember 2010 monatliche Zahlungen ihrer Tochter in Höhe von jeweils 800,00 €.
Am 30. September 2009/12. Oktober 2009 (Formularantrag) beantragte die Klägerin beim Beklagten die Gewährung von Leistungen nach dem SGB XII. Mit Bescheid vom 16. April 2010 lehnte der Beklagte den Antrag ab und begründete dies mit übersteigendem Einkommen der Klägerin. Die Klägerin könne mit ihrer Altersrente sowie den monatlichen Zahlungen ihrer Tochter in Höhe von 800,00 € ihren Bedarf decken. Hinzu komme noch das übersteigende Vermögen in Form eines Kraftfahrzeuges.
Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und teilte mit Schriftsatz vom 20. Dezember 2010 im Weiteren mit, dass die monatlichen Zahlungen der Tochter mit Ablauf des Monats Dezember weggefallen seien. Außerdem habe es sich hierbei um Nothilfedarlehen gehandelt. Darüber hinaus habe der vorhandene PKW nach einem Wertgutachten nur noch einen Wert von 1.750,00 €.
Im Weiteren legte die Klägerin mit Schreiben vom 25. Februar 2011 eine Vermögensaufstellung des Bankhauses L. vor. Danach wiesen die Konten der Klägerin zu Beginn des Jahres 2006 noch ein Guthaben in Höhe von ca. 105.000,00 € (bzw. ca. 112.000,00 € einschließlich Girokonto), zum 31. Dezember 2006 noch ein Guthaben in Höhe von 70.680,28 €, zum 31. Dezember 2007 ein Guthaben in Höhe von 57.315,26 € und zum 31. Dezember 2008 ein Guthaben in Höhe von 15.207,28 € aus (Bl. 54/55 VA - Anlage). Mit weiterem Schriftsatz vom 28. Februar 2011 legte die Klägerin einen Darlehensvertrag, datiert auf den 10. Oktober 2009, zwischen ihr und ihrer Tochter vor. In diesem Vertrag ist geregelt, dass die Klägerin von ihrer Tochter für den Monat Oktober 2009 ein Darlehen in Höhe von 800,00 € erhalte.
Mit Widerspruchsbescheid vom 4. Juli 2011 wies der Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung aus, dass ein Leistungsanspruch aufgrund der Regelung des § 41 Abs. 4 SGB XII nicht bestehe, da die Klägerin in den letzten zehn Jahren die Hilfebedürftigkeit vorsätzlich oder zumindest grob fahrlässig herbeigeführt habe.
Hiergegen hat die Klägerin am 5. August 2011 Klage vor dem Sozialgericht Reutlingen (SG) erhoben. Zur Begründung hat der Bevollmächtigte im Wesentlichen geltend gemacht, dass die Klägerin einen Anspruch auf Gewährung von Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung habe, da die Regelung des § 41 Abs. 4 SGB XII hier nicht einschlägig sei.
Im weiteren Verlauf des Klageverfahrens hat die Klägerin noch Aufstellungen über die Entwicklung ihres Vermögens vom Bankhaus L. vorgelegt (Bl. 57 SG-Akte). Danach wurden zumindest seit Beginn des Jahres 2006 (April) bis zur Auflösung der Konten im September 2009 monatlich per Dauerauftrag 2.200,00 € aus dem vorhandenen Vermögen an die Klägerin überwiesen (Bl. 57 SG-Akte). Die Aufstellung weist darüber hinaus einen Verlust aus Depotwerten für das Jahr 2008 von ca. 11.000,00 € auf. Mit weiterem Schriftsatz hat die Klägerin noch Unterlagen vorgelegt ausweislich derer ihr getrennt lebender Ehemann ein monatliches Einkommen in Höhe von 985,45 € habe.
Mit Schreiben vom 9. Oktober 2012 hat der Beklagte daraufhin mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, Trennungsunterhalt in Höhe von 210,00 € monatlich anzurechnen.
Im Rahmen eines am 16. Oktober 2012 vor dem SG durchgeführten Erörterungstermins hat die Klägerin u.a. einen nicht unterzeichneten Darlehensvertrag zwischen ihr und ihrem Cousin D. W. vorgelegt (wegen des Inhalts siehe Bl. 157 SG-Akte). Im Weiteren erläuterte die Kl...