Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialhilfe. Einkommenseinsatz. Rentennachzahlung. laufende Einnahme. Berücksichtigung im Zuflussmonat. Anwendbarkeit des § 11 Abs 3 S 2 SGB 2
Leitsatz (amtlich)
Die Sonderregelung des § 11 Abs 3 S 2 SGB II ist wegen der detaillierten Bestimmungen in § 82 Abs 7 SGB XII auf das SGB XII nicht übertragbar. Es bleibt daher dabei, dass eine Nachzahlung laufenden Einkommens als laufendes Einkommen (entgegen § 11 Abs 2 S 3 SGB II) zu werten ist. Eine auf die Sozialhilfe-Richtlinien des SGB XII-Trägers gestützte, von der BSG-Rechtsprechung abweichende Anrechnung ist somit rechtswidrig. Im Übrigen hat der Gesetzgeber auch nur im SGB II Grund gesehen, die gesetzliche Regelung zu ändern.
Normenkette
SGB II § 11 Abs. 3 S. 2; SGB XII § 82 Abs. 1, 7, § 82; SGB XII-DVO § 3 Abs. 3 S. 2; SGB XII-DVO § 8 Abs. 1 S. 2; SGB X § 24 Abs. 2 Nr. 5, §§ 45, 50
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 17. Februar 2021 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist ein Aufhebungs- und Erstattungsbescheid, mit dem die Beklagte insgesamt noch 871,38 Euro von der Klägerin zurückfordert.
Die.1953 geborene Klägerin bezieht seit November 2018 Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach dem Vierten Kapitel des Sozialgesetzbuches Zwölftes (SGB XII) von der Beklagten.
Bereits am 24.10.2018 beantragte die Klägerin, die eine geringe deutsche Altersrente bezieht, eine Altersrente in U (Bl. 39 der Verwaltungsakte). Bei einer persönlichen Vorsprache bei der Beklagten am 08.03.2019 gab die Klägerin an, von der ungarischen Rentenstelle noch keine Mitteilung erhalten zu haben (Bl. 213 der Verwaltungsakte).
Die Beklagte bewilligte der Klägerin zunächst mit Bescheid vom 14.03.2019 vorläufig Leistungen in Höhe von 650,91 Euro monatlich für die Zeit vom 01.05.2019 bis 31.10.2019. Mit Änderungsbescheid vom 25.07.2019 wurden nach § 44a SGB XII vorläufig Grundsicherungsleistungen für die Zeit vom 01.08.2019 bis zum 31.10.2019 (Bl. 305 ff. der Verwaltungsakte) bewilligt. Am 14.10.2019 erging ein Änderungsbescheid für die Zeit ab dem 01.07.2019 aufgrund einer Erhöhung der deutschen Altersrente der Klägerin (Bl. 331 der Verwaltungsakte). Mit einem Bescheid vom selben Tag wurden der Klägerin für die Zeit ab dem 01.11.2019 bis zum 31.10.2020 erneut vorläufige Leistungen nach § 44a SGB XII bewilligt (Bl. 339 ff. der Verwaltungsakte). Am 08.01.2020 erging ein Änderungsbescheid wegen der Erhöhung der Regelsätze zum 01.01.2020 (Bl. 347 der Verwaltungsakte).
Mit mehreren Schreiben, zuletzt mit Schreiben vom 10.02.2020, forderte die Beklagte die Klägerin zur Mitteilung über den aktuellen Sachstand ihres Rentenantrages in U auf (Bl. 351 d. Verwaltungsakte). Daraufhin legte die Klägerin am 17.02.2020 und 02.03.2020 verschiedene Schreiben des ungarischen Rentenversicherungsträgers sowie Kontoauszüge für die Monate August 2019 bis Februar 2020 vor (Bl. 353 ff. der Verwaltungsakte), aus denen sich laufende Rentenzahlungen sowie eine Rentennachzahlung aus U ergaben.
Mit Änderungsbescheid vom 04.03.020 berücksichtigte die Beklagte für die Zeit ab 01.03.2020 bis zum 31.10.2020 die monatliche Rente aus U in Höhe von vorläufig 95,00 Euro (Bl. 367 ff. der Verwaltungsakte) sowie eine einmalige Rentenzahlung in Höhe von 531,50 Euro für die Zeit vom 01.04.2020 bis 31.08.2020. Für die Zeit vor März 2020 erhalte die Klägerin einen separaten Bescheid.
Nach Vorlage weiterer Unterlagen durch die Klägerin ergaben sich folgende Auszahlungsbeträge des ungarischen Rentenversicherungsträgers an die Klägerin (Bl. 395 der Verwaltungsakte):
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15.07.2019 |
871,37 Euro |
12.08.2019 |
87,44 Euro |
12.09.2019 |
85,65 Euro |
15.10.2019 |
85,42 Euro |
12.11.2019 |
85,00 Euro |
06.12.2019 |
85,96 Euro |
14.01.2020 |
85,34 Euro |
04.02.2020 |
531,50 Euro |
14.02.2020 |
119,81 Euro |
16.03.2020 |
117,55 Euro |
Die Beklagte nahm daraufhin mit Bescheid vom 14.05.2020 die Bewilligungsbescheide vom 25.07.2019, 14.10.2019 (Änderungsbescheid), 14.10.2019, 08.01.2020 (Änderungsbescheid) und 04.03.2020 (Änderungsbescheid) mit Wirkung vom 01.08.2019 bis 31.03.2020 nach § 45 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) teilweise zurück. Die in der Zeit vom 01.08.2019 bis 31.03.2020 zu Unrecht erbrachten Leistungen in Höhe von 1.528,55 Euro würden von der Klägerin zurückgefordert (§ 50 Abs. 1 SGB X). Sie führte darin u.a. aus, dass durch die Anrechnung der ungarischen Rentenzahlung im Zeitraum vom 01.08.2019 bis zum 31.03.2020 insgesamt eine Überzahlung i.H.v. 1.528,55 Euro entstanden sei. Auch im Rahmen des eingeräumten Ermessens seien keine Anhaltspunkte für eine andere Entscheidung ersichtlich. Gemäß § 24 Abs. 2 Nr. 5 SGB X habe von einem Anhörungsverfahren abgesehen werden können, da es sich um eine Einkommensänderung handele.
Gegen diesen Bescheid erhob die Klägerin Widerspruch, soweit dieser die Anrechnung der Rentennachzahlung vom 15.07.2019 i.H.v. 871,37 Euro betraf. Die Beklagte wies d...