Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Wie-Berufskrankheit gem § 9 Abs 2 SGB 7. sachlicher Anwendungsbereich. Gonarthrose. BKV Anl 1 Nr 2112. innerhalb des Rückwirkungszeitraums gem § 6 Abs 2 S 1 BKV

 

Leitsatz (amtlich)

Der sachliche Anwendungsbereich für die Feststellung als Wie-Berufskrankheit ist grundsätzlich nicht mehr eröffnet, sobald die Anerkennung als Listen-Berufskrankheit möglich und nicht durch eine Stichtagsregelung ausgeschlossen ist.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 19. November 2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Klägers sind in beiden Instanzen nicht zu erstatten.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Feststellung einer Gonarthrose als Wie-Berufskrankheit streitig.

Der 1948 geborene Kläger wurde nach dem Hauptschulabschluss ab April 1963 im Betrieb seines Vaters zum Zimmerer und Dachdecker ausgebildet. Anschließend arbeitete er dort, unterbrochen von der Bundeswehrzeit von Juli 1968 bis Dezember 1969, bis November 1974 in abhängiger Beschäftigung. Ab Januar 1975 führte er, nachdem er zwischenzeitlich die Meisterprüfungen in beiden Berufen abgelegt hatte, den Betrieb in selbstständiger Tätigkeit bis Mitte August 2007 weiter; während dieser Zeit war er bei der Beklagten freiwillig versichert.

Der den Kläger behandelnde Hausarzt, der Internist Dr. B., zeigte der Beklagten im August 2007 den Verdacht einer Gonarthrose als Berufskrankheit an. Der Kläger teilte ihr Ende September 2007 mit, die Kniebeschwerden bestünden berufsbedingt. Sie seien erstmals 1995 aufgetreten und hätten seit einem Arbeitsunfall am 29. August 2005 zu dauernd starken Schmerzen geführt. Die Beschwerden würden bei knienden Tätigkeiten auf den Baustellen auftreten.

Der Mitarbeiter des Präventionsdienstes der Beklagten Sch. erstellte Ende Februar 2013 eine Stellungnahme zur Arbeitsplatzexposition, welcher ein von ihm erstelltes Gesprächsprotokoll vom 14. Februar 2013 nach einer persönlichen Unterredung mit dem Kläger an dessen Wohnort einen Tag zuvor zugrunde lag, das diesem übersandt und am 24. Februar 2013 von ihm unterschrieben worden war. Während der Ausbildung seien die Tätigkeiten als Zimmerer und Dachdecker vollzeitig und an ständig wechselnden Arbeitsplätzen ausgeübt worden. Von Anfang an seien während der kalten Jahreszeit keine Mitarbeitenden entlassen worden, vielmehr seien dann Arbeiten in Innenräumen ausgeführt worden. Hierbei habe es sich um die Parkettverlegung und den Dachgeschossausbau im Trockenbau gehandelt.

Der Bereich der Außenarbeiten habe die Zimmerei und Dachdeckerei umfasst. Reine Zimmererarbeiten, wie der Abbund und das ausschließliche Aufrichten von etwa Dachstühlen oder Gauben, seien anfangs nur ausnahmsweise ausgeführt worden. Hölzer seien überwiegend fertig abgebunden bezogen worden. Es habe praktisch immer eine Überschneidung zum Dachdeckerhandwerk bestanden. Es seien Dachstühle aufgerichtet, aber auch die Lattung und Dämmung angebracht worden. Anschließend sei die Eindeckung mit Dachpfannen und Biberschwanzziegeln (jeweils 50 %) erfolgt, bei größeren Gehöften, Scheunen oder Hallendächern seien Wellasbestzementplatten verwendet worden. Flachdächer seien nicht gedeckt worden. Es seien ausschließlich Steildächer bearbeitet worden. Zum Bereich der Innenarbeiten hätten die Parkettverlegung und der Innenausbau im Dachgeschoss gehört. Es seien Stab- und Mosaikparkette im Verhältnis 70 % zu 30 % verlegt worden, daneben Dielen, Ausgleichsschüttungen, Trittschalldämmungen und Estrichelemente. Das Verhältnis der beiden beschriebenen Bereiche, also von Außen- und Innenarbeiten, habe, bezogen auf die Arbeitsschichten, etwa 60 % zu 40 % betragen. Von Montag bis Freitag sei üblicherweise 10 Stunden täglich gearbeitet worden. Je nach Auftragsgröße habe teilweise auch an Samstagen gearbeitet werden müssen. Dies sei etwa an jedem zweiten Samstag der Fall gewesen. Der Kläger sei stets aktiv auf Baustellen tätig gewesen, habe also während der regulären Arbeitszeit keine administrativen Tätigkeiten oder Büroarbeiten ausgeführt. Diese seien an den Wochenenden und nach Feierabend erledigt worden. Der Mitarbeiter des Präventionsdienstes der Beklagten Sch. ging von 240 Arbeitsschichten pro Jahr aus, die zu Grunde zu legen seien. Der Kläger sei zu einer ähnlichen Einschätzung gekommen, wobei er etwa 32 Wochen für die Außen- und 16 Wochen für die Innenarbeiten angenommen habe, woraus sich ein Verhältnis von etwa 2/3 zu 1/3 ergebe. Im Wesentlichen seien die Tätigkeiten über den gesamten Betrachtungszeitraum hinweg vergleichbar gewesen, so dass die einzelnen Beschäftigungsabschnitte einheitlich bewertet werden könnten.

Für die Zeit von April 1963 bis Mitte August 2007 stelle sich die prozentuale Aufsplittung der Einzeltätigkeiten zusammenfassend wie folgt dar: Außenarbeiten, 60 % der Schichten: Steildach einlatten = 10 % der Schichten = 14 Schichten, Steildach dämmen = 50 % der Schichten = 72 Schichten, Steildach eindecken...

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