Entscheidungsstichwort (Thema)
Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status. Tätigkeit als Kursleiterin für Sportvereine. Rücknahme eines bestandskräftig gewordenen Statusfeststellungsbescheides. keine gegenteilige gerichtliche Feststellung über sozialversicherungsrechtlichen Status im Rahmen des Statusfeststellungverfahrens, solange bestandskräftiger Bescheid vorliegt. Aufwandsentschädigung für Übungsleitertätigkeit. Arbeitsentgelt. Erstattung außergerichtlicher Kosten Beigeladener
Leitsatz (amtlich)
1. Ein gegenüber dem Auftraggeber und dem Auftragnehmer bestandskräftig gewordener Bescheid über die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status kann in der Regel nicht für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Zur Abgrenzung der Anwendungsbereiche der §§ 44, 45, 48 und 49 SGB X.
2. In Statusfeststellungsverfahren kann, solange ein bestandskräftiger Bescheid über diesen Status vorliegt, keine gegenteilige gerichtliche Feststellung über diesen Status erfolgen. Es muss zunächst die Bestandskraft dieses Bescheides durchbrochen werden, wofür die Verpflichtungsklage zur Verfügung steht.
3. Ein Bescheid, der einem gestellten Antrag in vollem Umfang stattgibt, ist ein begünstigender Verwaltungsakt; ihm kann nicht nachträglich, weil der Antragsteller anderen Sinnes wird, die Qualität eines nicht begünstigenden Verwaltungsaktes geben werden.
4. Soweit ein Statusfeststellungsbescheid gegenüber dem Auftragnehmer nicht begünstigende Wirkung hat, ist der Anwendungsbereich des § 44 Abs 2 SGB X eröffnet. Liegt die zu beurteilende Tätigkeit abgeschlossen in der Vergangenheit, ist im Rahmen des dann auszuübenden Ermessens auch ein eventueller Vertrauensschutz des Auftraggebers am Auftragsverhältnis zu berücksichtigten (§ 45 SGB X), was dann zu einer Ermessensreduzierung auf null führt.
5. Solange der in § 3 Nr 26 S 1 EStG ausgewiesene Betrag (derzeit 2.400 €) nicht überschritten wird, handelt es sich bei den vom Auftraggeber als Aufwandsentschädigung für die Tätigkeit als Übungsleiterin in einem Sportverein geleisteten Zahlungen nicht um Arbeitsentgelt. Erst für den Zeitraum, ab dem der Betrag im jeweiligen Jahr überschritten wird, stellt sich die Frage nach einer Versicherungspflicht begründenden Beschäftigung.
6. § 193 Abs 4 hindert nicht die Erstattung außergerichtlicher Kosten Beigeladener, auch wenn es sich um juristische Personen handelt.
Tenor
Auf die Berufung des Beigeladenen zu 1 und jene des Beigeladenen zu 2 wird das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27.03.2018 aufgehoben und die jeweilige Klage abgewiesen.
Die Klägerin hat den Beigeladenen die außergerichtlichen Kosten beider Rechtszüge zu erstatten.
Tatbestand
Streitig ist der sozialversicherungsrechtliche Status der Klägerin bei ihren Tätigkeiten als Kursleiterin für die beiden, in der Rechtsform eines eingetragenen Vereins organisierten beigeladenen Sportvereine.
Die am … 1970 geborene Klägerin ist staatlich anerkannte Sport- und Gymnastiklehrerin. Von Oktober 2008 bis in das Jahr 2014 war sie auf der Grundlage eines Freier-Mitarbeiter-Vertrages als Übungsleiter/Sport (vgl. Bl. 38 ff. VA) für den Beigeladenen zu 1 tätig. Sie übernahm die Leitung von Kursen (z.B. Rückengymnastik, Ganzkörperkräftigung, Herzsport) und war auch in der Betreuung an den Kraftgeräten im vereinseigenen Fitnessstudio tätig. Über die geleisteten Stunden stellte sie Rechnungen aus, der Stundensatz betrug anfangs 9,50 € bis 16,50 € (Bl. 92 SG-Akte), am Ende zwischen 20,50 € und 25,00 € (vgl. Bl. 65 ff. VA). Im Februar 2012 beantragten die Klägerin und der Beigeladene zu 1 die Feststellung des sozialversicherungsrechtlichen Status (vgl. Bl. 59 ff. LSG-Akte), jeweils mit dem Antrag festzustellen, dass eine Beschäftigung nicht vorliege. Mit getrennten Bescheiden vom 20.06.2012 stellte die Beklagte antragsgemäß gegenüber der Klägerin und dem Beigeladenen zu 1 fest, dass die Tätigkeit als Übungsleiterin/Kursleiterin beim Beigeladenen zu 1 seit dem 01.10.2008 nicht im Rahmen eines abhängigen Beschäftigungsverhältnisses ausgeübt wird und daher in dieser Tätigkeit keine Versicherungspflicht als abhängig Beschäftigte in der Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie nach dem Recht der Arbeitsförderung besteht. Dieser Bescheid wurde bestandskräftig.
In der Folge machte die Beklagte gegenüber der Klägerin mit Bescheid vom 22.11.2012 (Bl. 8 der Gerichtsakte im Verfahren vor dem Sozialgericht Stuttgart S 22 R 3640/13) Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung auf Grund einer Versicherungspflicht als selbstständig tätige Lehrerin geltend. Daraufhin beantragte die Klägerin erneut, ihren sozialversicherungsrechtlichen Status in ihrer Tätigkeit beim Beigeladenen zu 1 festzustellen, diesmal mit dem Antrag festzustellen, dass eine Beschäftigung vorliege (Bl. 2 ff. VA). Nachdem die Beklagte zunächst eine Entscheidung hierüber im Hinblick auf die bereits erfolgte bestandskräftige Feststellung abgelehnt hatte, führte sie ein Überprüfungsverfahren nach § 44 des Zehnten Buches des Sozialg...