Entscheidungsstichwort (Thema)
Grundsicherung für Arbeitsuchende. Aufhebung einer wegen der ungewissen Höhe von Einkommen aus einer selbstständigen Tätigkeit vorläufigen Leistungsbewilligung gemäß § 41a Abs 1 S 1 SGB 2 iVm § 67 Abs 5 aF SGB 2 wegen der nachträglichen Erzielung von Einkommen aus einer abhängigen Beschäftigung nach § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB 10
Leitsatz (amtlich)
Der Grundsicherungsträger kann seinen gemäß § 41a SGB II aF in Verbindung mit § 67 SGB II aF ergangenen Bescheid über die vorläufige Bewilligung von Leistungen sowohl während als auch nach dem Ende des fraglichen Bewilligungszeitraums jedenfalls dann gestützt auf §§ 48, 50 SGB X aufheben und die Erstattung überzahlter Leistungen fordern, wenn die nachträglich eingetretene wesentliche Änderung auf Umständen beruht, die nicht Grund der vorläufigen Bewilligung waren (hier: ungewisse Höhe der aus selbständiger Tätigkeit erzielten Einnahmen), sondern einen anderen Sachverhalt betreffen (hier: Erzielung von Einkommen aus einem dem Grundsicherungsträger nicht bekannten Beschäftigungsverhältnis).
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 29.06.2023 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Der Kläger wendet sich gegen die Aufhebung der vorläufigen Entscheidung über die Erbringung von Leistungen nach dem SGB II für den Monat November 2020 und gegen die damit verbundene Erstattungsforderung in Höhe von 919,80 €.
Der 1969 geborene Kläger übte eine selbständige Tätigkeit aus, aus der er nach eigenen Angaben wegen Arbeitsunfähigkeit ab dem 06.12.2019 keine Einnahmen erzielte. Mit Bescheid vom 09.12.2019 hatte der Beklagte ihm vorläufig (§ 41a SGB II) Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Zeit vom 01.01.2020 bis zum 30.06.2020 bewilligt.
Der Beklagte bewilligte dem Kläger mit Bescheid vom 27.05.2020 vorläufig Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 01.07.2020 bis zum 31.12.2020 in Höhe von 732,00 € monatlich (Regelbedarf in Höhe von 432,00 € und Grundmiete in Höhe von 300,00 €) und legte dieser vorläufigen Bewilligung ein zu berücksichtigendes Einkommen des Klägers aus Erwerbstätigkeit in Höhe von 100,00 € zugrunde. Im Bescheid hieß es, die Entscheidung über die vorläufige Bewilligung beruhe auf § 41a Abs. 1 SGB II und „wegen der aktuellen Situation (COVID-19)“ würden die Leistungen für den genannten Zeitraum auf Grund des vorangegangenen Antrages vom 04.12.2019 weiterbewilligt. Die Einnahmen beziehungsweise Ausgaben des Klägers aus seiner selbständigen Tätigkeit im Bewilligungszeitraum seien auf Grund von dessen Angaben zum voraussichtlichen Einkommen zunächst vorläufig festgesetzt worden. Gegen diesen Bescheid hat der Kläger nicht Widerspruch eingelegt.
In der von dem Kläger für die Zeit vom 01.01.2020 bis zum 30.06.2020 erstellten und am 14.07.2020 beim Beklagten eingegangenen abschließenden Erklärung zum Einkommen aus selbständiger Tätigkeit (EKS) wurden als Betriebsausgaben allein monatliche Telefonkosten in Höhe von 80,00 € angegeben. In der Rubrik „Kraftfahrzeugkosten“ wurde nichts eingetragen.
Nach dem zwischen dem Kläger und der Firma B1 am 27.05.2020 geschlossenen Beherbergungsvertrag hatte der Kläger für die von ihm bewohnte Unterkunft in der R1 in F1 ab dem 02.06.2020 monatlich einen Bruttobetrag von 690,00 € zu entrichten. Unter Berücksichtigung dieses Mietvertrages bewilligte der Beklagte mit Änderungsbescheid vom 04.08.2020 für den Monat Juli 2021 187,80 € mehr als bisher und bewilligte für die Zeit vom 01.09.2020 bis zum 31.12.2020 vorläufig monatlich 300,00 € weniger als bisher.
Nach dem zwischen dem Kläger und der Firma B1 am 22.09.2020 geschlossenen Beherbergungsvertrag hatte der Kläger für die von ihm bewohnte Unterkunft in der R1 in F1 vom 01.10.2020 bis zum 01.12.2020 monatlich einen Bruttobetrag von 677,10 € zu entrichten. Laut Vertrag waren in diesem Bruttobetrag „sämtliche Nebenkosten (wie z.B. Strom, Heizung, Wasser) enthalten“.
Mit Änderungsbescheid vom 07.10.2020 bewilligte der Beklagte dem Kläger für die Zeit vom 01.10.2020 bis zum 30.11.2020 vorläufig höhere Leistungen als bisher. Für den Monat November 2020 wurden dem Kläger 919,80 € (432,00 € Regelbedarf und 487,80 € Mietkosten) bewilligt. Zur Begründung hieß es im Änderungsbescheid vom 07.10.2020: „Sie haben ohne Zusicherung das Appartement angemietet. Das Appartement liegt überhalb der angemessenen Mietobergrenze. Daher wird Ihnen lediglich der angemessene Betrag in Höhe von 487,80 Euro als Kosten der Unterkunft anerkannt.“ Hiergegen legte der Kläger nicht Widerspruch ein.
Bereits am 06.10.2020 hatte der Kläger eine abhängige Beschäftigung bei der B2 aufgenommen. Nach dem Arbeitsvertrag vom 05.10.2020 betrug die monatliche Bruttovergütung 2.500,00 €.
Die Arbeitsaufnahme wurde dem Beklagten aufgrund einer Mitteilung des Bevollmächtigten des Klägers am 02.11.2020 bekannt. Der Kläger teilte die am 20.11.2020 ...