Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsarzt. Voraussetzung für Befreiung von Teilbudget. kein Beurteilungsspielraum der Kassenärztlichen Vereinigung bei Feststellung der Voraussetzungen
Orientierungssatz
1. Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung von der Teilbudgetierung im Rahmen des einheitlichen Bewertungsmaßstabes können nur Praxen mit spezieller Ausrichtung erfüllen, die Sonderbedarfsleistungen erbringen, wegen dieser Sonderbedarfsleistungen nicht den Schwerpunkt ihrer Tätigkeit auf andere ärztliche Leistungen verlagern können und für die die Auswirkungen der Teilbudgetierung zu einer nicht vertretbaren Härte führen würde. Nicht ausreichend ist es, wenn der Arzt eine der Teilbudgetierung unterliegende Leistung nur überdurchschnittlich oft abrechnet.
2. Bei der Feststellung der Voraussetzungen für eine Befreiung steht den Kassenärztlichen Vereinigungen kein Beurteilungsspielraum zu, weshalb ihre Entscheidungen in vollem Umfang von den Gerichten überprüft werden können.
Tatbestand
Der Kläger begehrt eine Befreiung von den durch den Beschluß des Bewertungsausschusses vom 13.06.1996 (Beilage zu Heft 26 des Deutschen Ärzteblattes vom 28.06.1996) in Teil A I Nr. 5.7.1. des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) eingeführten Teilbudgets "Verbände, Injektionen, Punktionen und Anästhesien zur Schmerztherapie für die Leistungen nach den Abschnitten C I, C II (ausgenommen die Leistungen nach der Nrn. 278 und 279), C III und D I.
Der Kläger ist als Anästhesist in M zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Seinen Antrag auf Teilnahme an der Schmerztherapie-Vereinbarung lehnte die Beklagte zunächst mit Bescheid vom 20.08.1997 ab, weil er keine einjährige Tätigkeit einer entsprechend qualifizierten Fortbildungsstätte (Schmerzambulanz) nachgewiesen habe. Während des Klageverfahrens erteilte die Beklagte mit Bescheid vom 13.07.1998 dem Kläger die Genehmigung zur Teilnahme an der Schmerztherapie für die Ersatzkassen, die Badische Landwirtschaftliche Krankenkasse und die Innungskrankenkasse.
Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 25.08.1996, seine Praxis im Rahmen einer Ausnahmeregelung aus der Begrenzung der Gesamtpunktzahl für die Leistungen der Abschnitte C I, C III und D I auszunehmen, da die schmerztherapeutischen Leistungen nach Abschnitt D I EBM einen Versorgungsschwerpunkt seiner Praxis bildeten, der durch die Budgetierung nachhaltig gefährdet sei. Diesen Antrag lehnte die Abrechnungsstelle Mannheim der Beklagten mit Bescheid vom 20.12.1996 ab. Den Widerspruch des Klägers wies der Vorstand der Beklagten mit Widerspruchsbescheid vom 23.09.1997 zurück. Zur Begründung führte er aus, die Voraussetzungen für eine Sondergenehmigung (nach Nr. 4 der Vereinbarung zur Weiterentwicklung der Reform des EBM vom 07.08.1996) lägen nicht vor. Es könne dahingestellt bleiben, inwieweit die betroffenen Leistungen einen Versorgungsschwerpunkt für die Praxis des Klägers darstellten. Ausweislich der eingesehenen Statistiken seien die Schwerpunkte bezogen auf einzelne Leistungen von Quartal zu Quartal verschieden und offenbar mit abnehmender Tendenz gewesen. Wesentlich sei jedoch, daß keine Sicherstellungsgesichtspunkte den Antrag auf eine Sondergenehmigung begründen könnten. Die vorgelegten Statistiken unterstrichen diese Bewertung. Außerdem sei zu berücksichtigen, daß auch Ärzte anderer Fachgruppen diese Leistungen erbringen könnten bzw. ein Schwerpunkt nur bei D I-Leistungen zumindest zum Teil durch weniger C I bis C III-Leistungen ausgeglichen werde.
Gegen den zum Zwecke der Zustellung an den Kläger als Übergabe-Einschreiben am 23.09.1997 zur Post gegebene Widerspruchsbescheid hat der Kläger am 23.10.1997 Klage am Sozialgericht Karlsruhe (SG) erhoben und -- wie teilweise schon mit seinem Widerspruch -- geltend gemacht, aus seinen Abrechnungen könne abgelesen werden, daß er von Anfang an im beachtlichen Umfang schmerztherapeutisch tätig gewesen sei. Seit seiner Niederlassung betreue er in jedem Quartal ca. 70 -- 90 Schmerzpatienten, was ca. 15% seines Patientenklientels seien. Wenn er die von ihm in jedem Quartal behandelten rund 80 Schmerzpatienten zu 90% nicht mehr behandele, weil er aus Budgetgründen Leistungen für schmerztherapeutische Behandlungen nur mit ca. 10% vergütet bekomme, seien weitere rund 70 Patienten jedes Quartal ohne qualifizierte Schmerztherapeutische Betreuung. Diese Folge der Budgetierung sei von Sinn und Zweck der Einführung der Budgetbestimmungen nicht mehr gedeckt. Angesichts der chronischen Unterversorgung -- sowohl bundesweit als auch in M -- im Bereich qualifizierter Schmerztherapie könne es auch nicht Sinn und Zweck der Budgetbestimmungen sein, daß sich bei solchen Praxen, denen eine Ausnahme von der Teilbudgetierung zugebilligt worden sei, noch mehr Schmerzpatienten sammelten. Nur durch eine Erhöhung der Zahl der Ärzte, die qualifiziert Schmerztherapie betrieben, könne der vorhandene Patientenbedarf gedeckt werden. Was ein Schwerpunkt der Tätigkeit eines niedergelassenen Arztes in seiner...