Entscheidungsstichwort (Thema)
Krankenversicherung. Implantation von Nitinolspiralen zur Lungenvolumenreduktion. neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode. keine Abrechenbarkeit auch im Rahmen einer stationären Versorgung
Leitsatz (amtlich)
Bei der Implantation von Nitinolspiralen zur Lungenvolumenreduktion handelt es sich um eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode (NUB), die nicht dem Qualitätsgebot des SGB V entspricht. Die Implantation ist daher unter Berücksichtigung von § 137c SGB V auch im Rahmen einer stationären Versorgung nicht abrechenbar zu Lasten der Krankenkasse. Dies gilt selbst dann, wenn ein Vertrag gem § 6 Abs 2 KHEntgG ein Zusatzentgelt für diese NUB enthält. Dabei gilt § 137c SGB V in der Fassung zum Zeitpunkt der Leistungserbringung durch das Krankenhaus. Im Übrigen befreit aber auch § 137c SGB V in der Fassung vom 16.7.2015 gültig ab 23.7.2015 nicht von der Einhaltung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse.
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird der Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 24.02.2016 abgeändert und die Beklagte verurteilt, der Klägerin einen Betrag in Höhe von 80,00 € zzgl. Zinsen in Höhe von 5% über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 07.03.2014 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt auch die Kosten des Berufungsverfahrens.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird endgültig auf 22.143,64 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Beteiligten streiten über die Vergütung einer stationären Krankenhausbehandlung.
Die bei der Beklagten gesetzlich krankenversicherte 1948 geborene U. F. (im Folgenden: Versicherte), die an COPD Stadium IV nach GOLD mit homogenem Lungenemphysem leidet, wurde vom 02.07.2013 bis zum 09.07.2013 im (Plan-)Krankenhaus der Klägerin stationär behandelt. Die Aufnahme der Versicherten erfolgte allein zur Durchführung der Implantation von Coils zur Lungenvolumenreduktion (Bericht der Klägerin vom 09.07.2013). Abgerechnet wurde u.a. die Fallpauschale (Diagnosis Related Group - DRG) E05A - andere große Eingriffe am Thorax mit äußerst schweren CC - i.H.v. 12.250,08 € sowie das Zusatzentgelt 76197519 i.H.v. 9.800,00 € für das Einlegen von endobronchialen Nitionolspiralen (Rechnung vom 12.07.2013). Den geltend gemachten Rechnungsbetrag von insgesamt 22.063,64 € (22.143,64 € abzgl. 80 € Selbstbeteiligung) beglich die Beklagte vollständig.
Mit Schreiben 23.07.2013 teilte der Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK) der Klägerin mit, dass er von der Beklagten insbesondere mit Blick auf die Einlage der Coils mit der Begutachtung beauftragt worden sei. In seinem Gutachten vom 03.01.2014 - nach Auswertung der angeforderten Patientenunterlagen - kam Dr. H., MDK, zu dem Ergebnis, dass es vor dem Hintergrund der Datenlage medizinisch nicht vertretbar erscheine, die experimentelle Anwendung von Coils/Drahtspiralen zur Lungenvolumenreduktion außerhalb von kontrollierten Studien anzuwenden.
Am 06.03.2014 verrechnete die Beklagte nach vorheriger Ankündigung (Schreiben vom 08.01.2014) einen Betrag von 22.143,64 €.
Am 14.04.2014 erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG) auf Zahlung des streitigen Betrags. Zwar sei vorliegend eine neue Untersuchungs- und Behandlungsmethode (NUB) gegeben. Der Vergütungsanspruch der Klägerin resultiere jedoch aus § 6 Abs. 2 Krankenhausentgeltgesetz (KHEntgG). Dieser enthalte eine Öffnungsklausel, die eine sachgerechte Finanzierung einer NUB sicherstellen solle, sofern die Methode nicht nach § 137c Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) ausgeschlossen sei. Nach dem Verbotsvorbehalt in § 137c SGB V greife dabei die normative Vermutung, dass bis zu einer abweichenden Entscheidung des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) vom medizinischen Nutzen, der Notwendigkeit und der Wirtschaftlichkeit im engeren Sinne auszugehen sei. Da für die vorliegend in Rede stehenden Behandlungsmethoden kein Ausschluss durch den GBA vorliege, sei eine Vergütungspflicht gegeben. Über den Nutzen der Methode zu entscheiden, sei nicht Aufgabe der Beklagten oder des MDK. Dies gelte umso mehr, als mit der Beklagten das NUB-Entgelt in abgerechneter Höhe für das Kalenderjahr 2013 vereinbart worden sei (E3 Aufstellung der Zusatzentgelte - Einlegen von endobronchialen Nitionolspiralen, bronchoskopisch). Im Vertrauen auf die geschlossene Vereinbarung habe sie, die Klägerin, die in Rede stehende Leistung erbracht.
Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage eines Gutachtens von Dr. Sch., MDK, vom 22.10.2014 entgegen. Die Versicherte sei “nur„ zur Implantation von Coils zur Lungenvolumenreduktion aufgenommen worden. Hierbei handele es sich um eine NUB im Sinne der §§ 135, 137c SGB V. Diese Behandlungsmethode genüge nach der gutachterlichen Auswertung der vorhandenen Studien nicht den in § 2 Abs. 1, § 12 Abs. 1 und § 28 Abs. 1 SGB V festgelegten Qualitäts- und Wirtschaftlichkeitsanforderungen. Darüber hinaus seien im vorliegenden...